Heute geht’s wieder einmal rund um die Welt, und zwar an den Fassaden der Häuser entlang. Lasst euch mitnehmen auf Reisen, es gibt so viele Geschichten, die die Häuser, die Orte euch flüstern. Ja, ich weiß, aktuell ist das Reisen vorerst nur ein Traum für denjenigen, der nicht mit dem Kopf durch die Wand will. Aber es wird auch eine Zeit danach geben. Und auf die könnt ihr euch hier schon mal einstimmen…
Dublin, Irland
Dublins Fassaden? Unfassbar bunt! So, als ob die Anwohner das zweifelhafte Wetter mit knalligen Farben auszugleichen versuchten. Besonders in der Temple-Bar, wie das Kult- und Ausgehviertel von Dublin bezeichnet wird, sprengen die bunten Wände jegliche Rahmen der Fantasie. Es scheinen keine (farblichen) Grenzen gesetzt, und das ist wohl tatsächlich so. Denn in Dublin werden Genehmigungen für neue Bauprojekte stark reglementiert, wie mir ein (fast) Dubliner verrät. Man tut dies, um das Gesicht der Stadt zu erhalten. „Es ist ein Jammer.“ Sagt er. „Wir haben so viele tolle, aufstrebende Architekten, und sie haben nur wenig Raum, sich zu entfalten.“ Einige hochmoderne Brücken und Gebäude außerhalb des Stadtzentrums geben einen nur kleinen Vorgeschmack darauf, was die Stadt eigentlich sein könnte. Doch so wird Dublin wohl noch länger seinen gemütlichen, provinziellen Charakter erhalten.
Um also der Eintönigkeit zu entfliehen, wird kunstvoll der Pinsel geschwunden, die Wände leuchten in verschiedenen Farben und den berühmten Dubliner Türen wird nachgesagt, sie seien nur so bunt, damit sich der Seemann des Nachts nicht ins der Nachbarin Haus und Schlafraum verirrt…
Hier liest du mehr darüber: „Graffiti, Pubs und Palmen – so bunt ist Dublin„
Maynooth, Irland
Es geht schaurig weiter, denn hinter dieser grauen, unscheinbaren Fassade spielte sich unglaubliches ab. Ich nehme euch mit an einen Geisterort. Sieht ihr das obere Fenster in der mittleren Reihe? Dieses Fenster, hinter dem allen Anschein nach etwas davor zu stehen scheint? Tja, und es erscheint euch so, denn so ist es auch. Der Grund dafür ist es, um zu verhindern, dass sich ein Unbeteiligter hinunter in die Tiefe stürzt. Denn das ganze Zimmer ist verflucht.
Dieser Trakt der Universität von Maynooth, eines kleinen, beschaulichen Städchens westlich von Dublin, war den Priesterschülern vorbehalten. Doch einige unfassbar tragischen Vorfälle brachten den Universitätsfrieden aus dem Gleichgewicht. Scheinbar ohne erkennbaren Grund stürzte sich jeder Kommilitone, der dort oben untergebracht war, in die Tiefe, nachdem er sich furchtbar zu verstümmeln versuchte. Die wenigen Überlebenden berichteten von einer dunklen Macht, gar vom Teufel selbst, der sie dazu zwang, dies zu tun. Die Vorfälle sind echt und gut dokumentiert. So gut, dass das Zimmer seit langer Zeit nicht mehr als Unterbringungszimmer dient und das Fenster mit voller Absicht verstellt ist – um weiteren Unglücken vorzubeugen. Es ist auch nicht gestattet, Spiegel jeglicher Art mit in den Raum zu nehmen.
Die ganze Geschichte lest ihr hier: „Das Geisterzimmer von Maynooth„
Camden Town, London
Das bunten Treiben im Punkviertel Camden Town sollte man sich nicht entgehen lassen. Auch wenn diese alternative Ecke der Stadt immer mehr touristisch erschlossen wird, versetzt sie weiterhin ins Staunen. Schon der erste Blick auf die Häuser macht sprachlos. Klatschbunt, voller überdimensionaler Objekte, sich an den Häusern hinauf windenden Schlangen, punkiger Schuhe, Graffiti, Gesichter. Und wenn du bereits hier nicht weißt, wo du zuerst hinschauen sollst, wage dich noch tiefer, hinein in die unterirdischen Märkte. Denn Camden Town ist nichts weiter als ein riesiger, zusammenhängender Markt, in dem ihr alles kriegt: allen voran Klamotten in Punk, Gothic und was auch immer ihr sucht. Aufpassen sollte man vor billiger Chinaware, doch wer sich tiefer in den Bauch des Monsters wagt, entdeckt junge, aufstrebende Designer und Stücke, die es so nur hier gibt.
Camden Town rühmt sich damit, dass Amy Winehouse eine Zeit lang hier gelebt hat. Eine Statue erinnert daran.
Mehr zum Camden Town könnt ihr hier nachlesen: „Das Punk-Viertel Camden Town„
Neal’s Yard, London
Neal’s Yard ist ein Geheimtipp, der keiner ist. Als ich begeistert von diesem bunten, versteckten Innenhof las, voller Blumen und kleiner, uriger Geschäfte, so hätte mir klar sein müssen, dass Geheimtipps bekannterer Blogger bereits im Augenblick der Veröffentlichung ihr Daseinsberechtigung als solche verwirkt haben. Der kleine Hof, als wir ihn dann entdeckten, war voller Fotografen. Und zugegeben, zum Fotografieren gibt es dort so einiges. Doch allzu lange hielten wir uns nicht auf und auch zum Verbleiben war kein Platz, denn was soll ich sagen, so ist es nun mal mit instagrammable Geheimtipps: zu kleiner Hof, zu viele Menschen.
Würde ich diesen Ort noch einmal besuchen, so würde ich es gleich früh morgens tun. Oder am späten Abend, wenn die Lokalitäten und Friseure schließen, denn dann hat man urplötzlich ganz schön viel Platz für sich alleine…
In „Neal’s Yard – ein Geheimtipp?“ könnt ihr die ganze Geschichte nachlesen.
Wissembourg, Frankreich
So spannend können Deutschlands Grenzstädte sein.
Ich gebe zu, Grenzregionen interessieren mich sehr. Weil da Einflüsse aus zwei oder mehr Ländern, Völkern und Kulturen zusammen kommen und einen interessanten Mix ergeben. Eine oft wechselhafte Geschichte prägt Aussehen, Sprache, Bräuche. Umso gespannter war ich auf Wissembourg, den kleinen Ort im Elsass direkt hinter der deutsch-französischen Grenze.
Der Ort wurde ursprünglich als Benediktinerkloster gegründet und mauserte sich schnell zu den reichsten Abteien in Elsass. Seine Zugehörigkeit wechselte häufig zwischen Deutschland und Frankreich, und erst im Jahre 1945 fiel die Stadt endgültig an Frankreich zurück. Die meisten Menschen in Wissembourg wachsen zweisprachig auf, so dass es für mich, um meine krüppelhaften Französischkenntnisse verlegen, recht einfach ist, einer der schmackhaften Törtchen zum leckeren Cappuccino zu bestellen.
Wissembourg wirkt heute recht beschaulich, durchzogen mit Kanälen und geschmückt mit viel schiefem Fachwerk. Man lasse sich die Zeit und schleiche genüsslich durch die Altstadt und um die Stadtmauer herum, die einen schließlich bis nach oben führt, von wo sich ein Ausblick über den Ort eröffnet.
Du willst mehr lesen? Das kannst du hier: „Wissembourg – ein kleiner Sprung über die Grenze“ und hier: „Was machen unsere Nachbarn? Eine Tour nach Wissembourg in Elsass„
Ladenburg, Deutschland
Ladenburg wird als verstecktes Juwel bezeichnet. Gut, ich bezeichne Ladenburg als verstecktes Juwel. Der kleine Ort zwischen Mannheim und Heidelberg wird zu Unrecht zugunsten der beiden größeren Städte links liegen gelassen. Denn in Ladenburg findet sich ein sehr alter, historischer Ortskern mit viel original erhaltenem Fachwerk. Doch die Ursprünge der Stadt reichen noch viel tiefer, denn sie war einmal ein militärsicher Standpunkt der Römer. War das schon die Entstehungsgeschichten? Nein. Die Wurzeln von Ladenburg reichen noch tiefer, bis in die Zeit der Kelten um 3000 v. Chr., denn die keltischen Siedlungsreste wurden bei archäologischen Ausgrabungen gefunden.
Ja, so alt ist Ladenburg. Und wer es besucht, wandelt durch ein Stück lebendiger Geschichte.
Mehr dazu kannst du hier nachlesen: „Ladenburg – ein Juwel der Römerzeit„
Buddhas Weg, Odenwald
Hier mal was anderes: eine Fassade, die sich im Wasser spiegelt. Sie gehört zu dem eher unbekanntem, buddhistischen Kloster, welches der Angelpunkt einer beliebten Wanderroute darstellt: dem „Buddhas Weg“.
Das Kloster in Bad Michelbach wurde 2010 gegründet. Es bietet verschiedenes an, über Meditationen und Fastenurlaube bis hin zu Schweigeaufenthalten und soll so helfen, zu sich selbst zu finden. Meiner Freundin und mir hilft vielmehr Maps dabei, sich selbst im Wald wiederzufinden. Es ist eine schöne Wanderroute, vor allem für die Frühlingsmonate. Und danach, als ihr euren Rundweg bewältigt habt, könnt ihr im Kloster für Kaffee und Kuchen verbleiben, denn einen fantastischen, ganz und gar weltlichen Kuchen haben sie auch…
Willst du mehr wissen? Hier: „Buddhas Weg – Wandern im Odenwald„
Von wegen „alles nur Fassade“. Da steckt so viel dahinter! Dublin: fehlt mir noch in meiner Sammlung. Das Farbenfrohe gefällt mir sehr! Und die möglichen Erklärungen dafür auch 😎. Maynooth: gruselig! Noch nie davon gehört bisher. Danke für die Erweiterung meines Horizonts! Camden Town: kenne ich. Tolle Ecke von London. Schöne Fotos sind dir da gelungen. Neal’s Yard: kenne ich tatsächlich nicht. Danke für den Nicht-mehr-Geheimtipp! Werde ich mich beim nächsten Mal natürlich auch einreihen in die Masse der Besucher. Gleich morgens 😃. Wissembourg: ich kenne das Elsass recht gut, aber in diesem Städtchen war ich bisher noch nicht. Scheint ein Fehler zu sein. Odenwald: Auf Buddhas Wegen war ich durchaus schon mal unterwegs. Aber noch nicht auf diesem. Sollte ich mal tun!
By the way: nächste Woche werde ich mir mit Stefan die Fassaden (und sicher einiges darüber hinaus) von Warschau ansehen. Soll ich deine alte Heimat von dir grüßen?
Oh, ihr beide in Warschau? Wie aufregend! Was wollt ihr unternehmen, soll ich euch Tipps geben? 😉
Ich würde auf jeden Fall auf den Kulturpalast rauffahren. Wenn geöffnet ist, habt ihr einen wunderbaren Blick rund um den hässlichen Moloch. Dann ein Spaziergang an der Weichselpromenade. Dort haben sie sogar Trampolins für Kinder aufgestellt, und wir sind ja alle Kinder, nicht? Dann in den „Goldenen Terrassen“ shoppen. Dann gibt es noch den Lufttunnel bei Warschau, wo ihr in Schwerelosigkeit schweben könnt. Im Lazienki-Park gibt es an den Wochenenden immer Freiluftkonzerte von Chopin, und auch so würde ich den Park unbedingt besuchen. Dann natürlich die Altstadt, die wohl jüngste „Altstadt“ in Europa. Das Königsschloss. Dann schön polnisch essen gehen. Ich habe noch weitere Tipps, für wie lange seid ihr da? 😉
Danke für die Tipps 😃! Wir fahren Montag hin und Freitag zurück, haben also drei volle Tage und den Rest des Montagnachmittags. Der Hauptfokus liegt auf der modernen Architektur, und den wohl sehr schicken U-Bahnhöfen. Was dann noch an Zeit übrig bleibt, geht für die Altstadt und die Promenade drauf. Was das Essen angeht, wird es schwierig mit dem klassisch Polnischen: ich reise mit einem Veganer 😂. Doch die einschlägigen Apps verraten, dass Warschau auch für diese Klientel einiges zu bieten hat. Ich bin schon so gespannt auf Polens Hauptstadt!
Warschau hat einiges an veganen Restaurants aufzubieten 🙂 Die U-Bahnhöfe sollen schick sein? Da habe ich was verpasst, muss ich dringend nachholen… Ich wünsche euch mega viel Spaß…
Danke! Plac Wilsona, Nowy Świat-Uniwersytet und Swietokrzyska sollen sehenswert sein. Ich werde berichten!
Und was wir in den dreieinhalb Tagen nicht schaffen, wird dann ein anderes Mal nachgeholt. Von Berlin aus sind wir ja mit dem Zug in etwas mehr als fünf Stunden da 😎.
Ich bin gespannt auf deine Eindrücke 🙂
Heute antworte ich irgendwie häppchenweise 😂. Habe gerade mal Stefans Liste durchgeschaut. Er hat 21 (in Worten: einundzwanzig!) Gebäude im Visier, die er bei wechselnden Lichtverhältnissen und am liebsten auch noch abends in der Dämmerung ablichten möchte. Und ich sage dir: das ist nicht im Vorbeilaufen getan 😃!
Da werdet ihr erst einmal gut beschäftigt sein 🙂 Viel Spaß und gute Bilder
Danke!
Ach ja, und denkt daran, dass wir drüben keinen Euro haben. Geld wechselt ihr am besten in Polen vor Ort in Wechselstuben. Da steht groß KANTOR drauf. Sie sehen zwar etwas abgewrackt aus, sind aber in Ordnung. Es gibt dort besseren Kurs als hier auf der Bank. Wechselt nicht zu viel, der Zloty ist in freiem Fall. Ansonsten könnt ihr das meiste mit der Kreditkarte bezahlen. Dabei immer die Landeswährung wählen 😉
So, das war das Wort zum Sonntag 🙂 Jetzt bin ich aber ruhig…
Danke für den Hinweis! Das ist mir erst gestern siedend heiß eingefallen😅. Blöderweise habe ich dann spontan gestern direkt hier schon ein paar Euros umgetauscht. Pech, dass es vor Ort günstiger ist … Gut zu wissen, dass Kartenzahlung dort offenbar üblicher ist als hier im technisch doch oft etwas, hüstel, zurückgebliebenen Deutschland.
Mir ist da im Job übrigens in dem Zusammenhang mal ein peinliches Desaster passiert. Ich mache ja die Finanzen und Buchhaltung eines kleinen Touristikunternehmens. Und da ist mir im Eifer des Gefechts beim Zahlungsverkehr doch tatsächlich passiert, dass ich eine in Zloty ausgestellte Rechnung in Euro überwiesen habe 🙈. Ist ja auch nur etwa das Vierfache … Ich hatte da nur im Kopf: is ja EU! Zu meiner Ehrenrettung: wir kaufen und verkaufen selten Leistungen in Polen. Ansonsten hätte ich das sicher auf dem Schirm gehabt.
Das hat sich doch hoffentlich regeln lassen 😉
Wenn ihr vor Ort seid, haltet ein bisschen die Augen offen nach dem Wechselkurs in Kantors.
Was ich meinte mit „Zloty anklicken“ ist folgendes: bei jeder Kartenzahlung werdet ihr gefragt, ob ihr den gewünschten Betrag in der Landeswährung oder in Euro abgebucht haben wollt. Eigentlich macht es nicht viel Unterschied, aber die Landeswährung des jeweiligen Landes anzuwählen (in dem Fall Zloty) ist günstiger wegen Wechselkurs, und so weiter… ich habe das an verschiedenen Stellen schon gelesen und mache das immer so.
Es gibt auch bei uns noch Orte, wo man nicht mit Karte zahlen kann, manche älteren Bäckereien zum Beispiel, aber generell kommt ihr mit der Karte auch bei kleinsten Beträgen gut durch. Die meisten, vor allem in Warschau, sprechen auch gutes englisch. Viel Freude vor Ort!
Danke!
Und ja: das Hotel hat in dem besagten Fall die Überzahlung zurücküberwiesen 👍.
Liebe Kasia,
ich liebe es bunt und skurril. Camden ist genau meins! Auch wenn es da am Wochenende auch ganz schon voll war.
Bei uns wäre ich manchmal froh, wenn man so restriktive Bauvorschriftgen wie in Dublin hätte. So viele richtig schöne Häuser wurden abgerissen, um langweilige Betonglaspaläste zu bauen. Eine Stadt verliert damit ihre Persönlichkeit.
Immer spannend bei dir zu stöbern.
Viele Grüße
Renate
Liebe Renate,
vielen Dank! Freut mich, dass dir mein Sammelsurium gefällt 🙂 Camden ist total abgefahren und wirkt wie nicht aus dieser Welt. Ich war gerne dort und wäre noch länger geblieben, wenn die Zeit nur nicht gedrängt hätte. Und Dublin, tja, ich denke, Dublin wird für immer ein bisschen provinziell bleiben, es wirkt mehr wie ein gemütlicher Vorort denn eine Hauptstadt.
Schade bei euch um die alten Häuser. Standen die denn nicht unter Denkmalschutz? Normalerweise sollten solche Bauten geschützt sein…
Liebe Grüße
Kasia
Liebe Kasia,
leider nein und selbst der Denkmalschutz hilft nicht immer. Unser Kloster Marienberg verfällt auch so vor sich hin.
Liebe Grüße
Renate
Stimmt, darüber hatten wir es schon einmal. Wirklich schade um das Kloster.
Vielen Dank für diese schöne Bilder und die Links zu den andere Blogs. Es war mir ein Vergnügen das alles zu sehen und zu lesen.
Vielen Dank. Ich freue mich, dass der Beitrag gefällt 🙂
Das sind mal wieder tolle Bilder und Eindrücke! Gerne mehr davon!
Vielen Dank! 😉 Alles klar, mach ich…
Tolle Auswahl an Fassaden! Das suizidale Zimmer ist ja gruselig. Ich staune, was du alles weißt…
Das war das erste, was in den englischsprachigen Suchergebnissen kam, als ich den Wohnort meiner Freundin eingab. Ich kann nix dazu, das Zimmer ist mir quasi von selbst in die Hände gesprungen 😉