Er ist ein Klassiker. Ein uraltes Rezept, das von Generation zu Generation im Geheimen und unter vorgehaltener Hand im Flüsterton weitergegeben wird. Ihm werden magische Kräfte zugeschrieben; so mache er Blinde wieder sehend und Lahme wieder gehend, und in jedem Falle sorgt er auf den seltenen, familiären Treffen stets für gute Laune. Die Rede ist vom Krawczuk’czen Honigwodka.
Und wie jeder Klassiker, so begann auch dieser seinen Werdegang mit einer guten Geschichte.
Diese, jene Geschichte erzählte mein Opa uns immer wieder, mit wohlklingender Stimme und wissendem Blick. Wir erfuhren immer wieder aufs Neue von Opas langjährigen Magenkatarrh.
„Habe ich euch bereits erzählt, wie ich meinen Magen mit dem Honigwodka kurierte?“ Pflegte Großvater zu beginnen. Und sponn dann seine Geschichte weiter: „Ich habe damals vieles kalt gegessen. Das machte mir nichts aus. Doch irgendwann schadete mir das kalte Essen und ich verdarb mir den Magen.“ So nahm das Drama seinen Lauf. Lange Zeit habe er gelitten, alle möglichen Kräuter und Mittelchen habe er ausprobiert, doch nichts half. Bis eines Tages…
„Eines Tages sagte ein Mann zu mir: hier, nimm davon und trink jeden Abend ein Gläschen voll.“ Gesagt, getan: Opa versuchte es mit dem geheimnisvollem Trunk. Bereits nach kurzer Zeit ging es ihm besser und schon bald war er genesen. Seitdem pflegte Großvater Abend für Abend ein kleines Gläschen von seinem Zaubermittel zu genießen. Die Legende des Honigwodka mit heilenden Kräften war geboren.
Und im übrigen war er auch eine schöne Willkommenstradition jedes Mal, wenn ich nach Hause nach Polen kam. Schon bald machte mein Opa ein verschmitztes Gesicht und fragte: „Trinken wir ein Gläschen? Ich habe uns eine Flasche aufgegossen…“
Mit „aufgegossen“ ist die Herstellung des Gebräus gemeint, denn diesen Zaubertrunk gibt es nirgendwo zu kaufen. Wie einen Schatz hütete Opa jahrelang das Geheimnis seiner Herstellung, nicht einmal seine eigenen Kinder kannten das Rezept. Schließlich, als es um seine motorischen Fähigkeiten immer schlechter bestellt war und er die praktischen Tätigkeiten nicht mehr übernehmen konnte, entschied er sich schweren Herzens, das Geheimnis an meine Mutter und meinen Onkel weiterzugeben. Nicht ohne Zögern und ohne einen gewissen Widerstand. „Aber Vater.“ Sprach meine Mutter mit geduldiger Stimme auf ihn ein.“ Du siehst doch, dass es nicht anders geht.“
Nun sind wir drei die Hüter des geheimen Gebräus: meine Mutter, mein Onkel und ich. Ein paar Tage vor meiner Abfahrt durfte ich zusehen, wie Onkel für mich und Stefan den kostbaren Wodka anmischte. „Oh, das haben wir auch bei uns, das nennt sich Honigmet.“ Schrieb meine Schwiegermutter, als ein Bild vom Honigwodka in den Untiefen des www. auftauchte (Kasia musste natürlich ein Foto auf Insta posten…). Doch glaubt mir, liebe Leut‘; dieser starker Trunk hat mit Met, wie ihr ihn kennt, nur wenig gemeinsam.
Die Grundzutaten des Honigwodkas sind simpel: hochprozentiger, nicht vergällter Spiritus und Honig. Mein Onkel erklärt mir die einzelnen Schritte der Herstellung, während ich zusehe, wie die Bestandteile zueinander finden. Ein wenig wirkt das Ganze wie Alchemie. Fehlt nur noch, dass das Licht abgedunkelt und Beschwörungsformeln gemurmelt werden. Trotz des Widerstandes von Seiten meiner Mutter haben wir das Rezept dieses Mal, ganz untraditionell, mit einer frischen Zitrone ergänzt. Ein Ansatz ergibt zwei Flaschen des fertigen Produktes. Sind die Zutaten erst einmal in den Flaschen, wird so kräftig geschüttelt, dass meinem Onkel fast die Ohren fliegen.
„Den muss man anschließend probieren, ob er gut ist.“ Sagt meine Mutter zögernd.
„Nein,“ sagt mein Onkel, „du wirst ihn nicht probieren.“
„Und wer, du?“
„Nein, ich werde ihn auch nicht probieren.“ Spricht er und macht ein gewichtiges Gesicht. „Er muss von jetzt an zwei Wochen ruhen. Je länger, desto besser. Der Geschmack muss sich ‚durchbeißen‘.“
Die zwei Flaschen Wodka kommen mit nach Deutschland. Und bin ich erst einmal wieder hier, dauert es nochmal eine ganze Woche. Dann, ja dann darf das Schätzchen zum ersten Mal verkostet werden.
Vergib mir an dieser Stelle, lieber Leser, dass ich dir keine ausführliche Anleitung für dieses geheime Familienrezept geben kann, doch täte ich es, so würde sich mein Opa vermutlich in seinem Krankenbett umdrehen. Nur so viel; der Wodka braucht Honig, ganz viel Honig. Dann braucht er noch Liebe… lach, nein, die Liebe kann man sich sparen, aber was er braucht, ist Zeit. Viel Zeit. Am besten zwei Wochen, wenn nicht länger. Für die ungeduldigen eine Woche. Und für die ganz ungeduldigen… nein, so eine Option gibt es nicht.
Prost!
[…] 13. Welches Rezept wurde in deiner Familie von Generation zu Generation weitergereicht? Das Rezept für den berühmten, Krawczuk’schen Honigwodka […]
Haha, macht Blinde wieder sehend.. ja nee.. iss klar. 96%iger Alkohol hat wohl eher den umgekehrten Effekt.. 🙂
Honigmet habe ich mal auf einem Ritter-Festival getrunken. Schmeckte echt nicht so dolle. Habs mir aber reingezwängt. Die Mädels die mit waren haben bei dem Wort auch andere Vorstellungen gehabt und verzogen angewidert das Gesicht. Am Ende durfte ich die ganzen Metgläser der Mädels süpseln weil die das Zeug nicht mochten. Der Vorteil war dass ich nur ein Getränk bezahlen musste aber nach 5 Gläsern ziemlich angetüddelt war.
Bei dem Begriff „Wodka“ komm ich aber etwas ins stocken. Wird er nur so genannt, oder ist das tatsächlich hochprozentiger Vodka aus Kartoffeln, denn so hochprozentiger Ethylalkohol kann natürlich auch aus anderen Grundstoffen wie Getreide und Obst gebrannt werden?
Woraus der gebrannt wurde, ach da fragst du mich jetzt Sachen. Da müsste ich mich schlau machen… 😉
Nein, das Zeugs schmeckt nicht wie Honigmet, nicht einmal entfernt. Ich weiß, dass man sich das bei der Kombination aus Alkohol und Honig so vorstellt, aber nein. Ob er Blinde wirklich wieder sehend macht, habe ich nicht anhand Anwendungsstudien erprobt, aber eines kann ich dir versichern: bei entsprechender Menge und Prädisposition des Konsumenten kann er dazu führen, dass selbiger Dinge sogar doppelt sieht 😉
Wann geht es eigentlich mit deinem Blog weiter? Mir fehlt ein wenig bissiger Lesestoff… 🙂
Na schau doch mal bei mir vorbei.. Ich habe mich gestern mit einem Beitrag aus dem Sommerloch zurück gemeldet.. 😉
Soeben gesehen. Der kommt wie gerufen 🙂
Aaalso, nach umfangreicher Recherche kann ich dir folgende Information zuteil werden lassen: der polnische Trinkspiritus wird sowohl aus Getreide, als aus Kartoffeln und/oder Zuckerrübenresten, die bei der Zuckerproduktion anfallen, hergestellt. Anscheinend gibt es da keine einheitlich vorgeschriebene Zusammensetzung bzw. ist sie von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich…
Danke für die Info! Dann wäre es also Vodka, wenn es aus Kartoffeln gebrannt wäre und Branntwein (Korn) , wenn der Grundstoff Weizen wäre? Ist ja kompliziert.. 😉
P. S. Dein Onkel ist der geborene Barkeeper. Oder wie Austin Powers sagen würde: „SHAKE IT BABY!!“ 😂
Die chemischen Details waren mir bisher auch nur am Rande geläufig. Wie dem auch sei, vor allem auf die richtige Schüttel-Technik kommt es an 😉
Also, der Barkeeper macht schon mal einen sehr professionellen Eindruck 👍. Und machen wir uns mal nichts vor: ohne ein wenig Hokuspokus keine Heilkräfte! Da können die Zutaten noch so gut und geheim sein 😀.
Da hast du Recht, das Geheimnis liegt im Schütteln 😉 und dem Barkeeper unterstelle ich fast schon eine Vorgeschichte…
Hmmm – das klingt nach einem super Heilmittel.
Das beste bringt doch eh die Natur.
Und kombiniert mit Alkohol garantiert es einen guten Fluss durch den ganzen Körper bis ins Gehirn…🍸🍸
Vor allem wärm es den Magen (Originalwortlaut von meinem Opa…), zudem fördert es die sozialen Bande innerhalb der Familie (Originalwortlaut von mir…) 😉
Hahaha….Ja, beides passt. 😊
Jetzt bin ich einigermaßen überrascht. Bisher habe ich gedacht, dass man Spitirus nicht trinken kann, weil er zu Gesundheitsschäden führen kann. Das habe ich auch im Internet so nachgelesen.
Auf den Flaschen steht 85 %. Zunächst dachte ich, dass das ein ganz schön starkes Schnäpschen ist. Jetzt habe ich kapiert, dass sich die Prozentzahl auf den Spiritus bezieht. Strohrum hat ja 80 % und den habe ich schon getrunken.
Übrigens: Schön, dass du den Mischeinsatz deines Onkels im Video festgehalten hast. Lustig.
Na ja, zunächst gibt es da den Unterschied zwischen vergälltem und nicht vergälltem Ethanol. Den nicht vergällten kannst du trinken, der vergällte ist nur zu Desinfektionszwecken gedacht und wird auch anders versteuert. Davon abgesehen, einen dauerhaften Schaden habe ich sowieso 😉 Und das Rezept würde ohne den Ganzkörpereinsatz von meinem Onkel eh nicht funktionieren 🙂
In Polen wird ein spezieller Trinkspiritus hergestellt, der zur Herstellung von Wodka, Likören und Schnäpsen verwendet wird. Diesen haben meine Großeltern benutzt (zumindest gehe ich stark davon aus…)
Die Zutaten sind zweifellos sehr wichtig, aber wenn Sie mich fragen, liegt das wahre Geheimnis in der Art und Weise, wie die Flaschen geschüttelt werden 🙂
Prost,
Rudi
Das haben Sie etwas Wahres gesagt, lieber Rudi. Es ist die Leidenschaft und der Ganzkörpereinsatz, mit der mein Onkel sich ins Zeug legt. Das wird der Grund für den exzellenten Geschmack sein 🙂
Liebe Grüße
Kasia
Ich kenne das von meinen Ostpreußischen Vorfahren als Bärenfang und nicht weniger hochprozentig. Sehr gesund, sehr süffig, macht aber Kopfweh am nächsten Morgen,…
Kopfweh, na ja, es geht. Man muss nur wissen, wann man aufhören muss, aber der Honig macht es einem schwer 😉 Haben deine Vorfahren den auch selber gemacht?
Früher ja. Ich glaube, dass jede Familie da ihr eigenes Rezept hatte!
Irgendwie schon schade, dass sich solche Dinge nach und nach verlieren…
Einkochen von Früchten, Rumtopf, echte rote Grütze, alles Dinge, die die Großmutter noch selbst gemacht hat…
Als meine Großmutter irgendwann einmal mit Kuchen aus der örtlichen Konditorei aufkreuzte, war das fast schon wie ein Sakrileg. „Schmeckt genauso wie meiner.“ Ja, netter Versuch, Oma… tut er eben nicht… 🙂
Das ist eine schöne Geschichte von deinem Opa und bestimmt eine große Ehre für dich das Geheimnis des Rezeptes von ihm zu bekommen
LG Andrea
Liebe Andrea,
ja, das stimmt. Der Krawczuk’czer Honigwodka wird weitergegeben, auf dass seine magischen Kräfte weiterhin wirken und den Menschen Schwips und Freude bringen mögen 😉
Liebe Grüße
Kasia
Hört sich gut an und ist bestimmt sehr lecker, könnte mir aber vorstellen, dass er, bedingt durch den Honig gut „reinhaut“ 😀 Na dann mal Prost!!!
Liebe Grüße
Roland
Lieber Roland, da wir gestern erst welchen hatten, kann ich das (für mich) bestätigen. Einer ist genau richtig, zwei sind schon viel… Und eigentlich weiß keiner so genau, wieviel Alkohol sich da wirklich befindet. Aufgrund des Herstellungsprozesses ist dies genauso geheimnisumwoben wie der Ursprung der Rezeptur… 😉
Hat der tatsächlich 95/96%? Schon ganz schön heftig, wenn man bedenkt, dass Strohrum 80% hat und pur kaum zu trinken ist. Außer verdünnt im Tee oder in heißem Wasser.
Nein, so heftig sind wir auch wieder nicht. Der Ansatz wird verdünnt, so dass aus einer Flasche Spiritus zwei Flaschen Wodka entstehen. Ich schätze, er hat so an die 50 Prozent, wobei der Gehalt eventuell durch die Lagerung etwas steigen könnte.
Mit Zitrone hat der Wodka noch einen schönen Kick
Ja, die Zitrone reißt es raus 🙂
Klingt lecker, aber sehr hochprozentig.
Ich würde dran riechen und hätte einen Schwips, vermute ich 😂
Da vermutest du richtig 🙂 der Wodka hat es in sich. Deswegen ist es gut, immer etwas zu Essen dazu zu servieren. Den Alkohol merkt man nicht beim trinken, durch die Süße vom Honig wird er vollkommen überdeckt. Der Schwips kommt einen Augenblick später 🙂