Asien, Georgien

Gori – Wo „Väterchen Stalin“ noch zu Hause ist

Es wird Zeit. Nach dem üppigen Mittagessen in Achalziche machen wir uns auf den Weg nach Gori. Nach der Hitze des Tages ist das Wetter bereits dabei, langsam umzuschwenken – bedeutungsschwanger tauchen die ersten grauen Wolken an den Berghängen auf. Der Weg nach Gori ist unspektakulär. Natürlich klebe ich weiterhin mit der Nase an der Scheibe – man könnte ja etwas spannendes verpassen – aber im Großen und Ganzen gibt es auf dieser Strecke nicht viel, wofür es sich die Kamera zu heben lohnt. Oder sind wir bereits übersättigt von Eindrücken? Ja, das kann sein. Ich erinnere mich noch, als sei es gestern gewesen, wie ich am ersten Tag nach der Ankunft jeden dreckigen Bordstein faszinierend fand (immerhin war es ja ein georgischer dreckiger Bordstein…). Inzwischen muss schon etwas ganz, ganz tolles her.

Gelangweilt knipse ich die obligatorischen Kühe am Straßenrand. Einfach nur, um sie geknipst zu haben.

 

Bordschomi

Auf dem Weg passieren wir Borjomi (oder Bordschomi), einen – oder nein; den bekanntesten Kurort des Landes. Hier kommen die Menschen hin, um sich zu erholen und hier flanieren sie in ausladenden Parks umher.

Borjomi hat einige Heilquellen und von hier kommt das teuerste Heilwasser her, das in Flaschen gefüllt in Supermärkten und Tankstellen im ganzen Land verkauft wird. Die Quellen wurden bereits 1000 n.Chr. genutzt. Das Wasser selbst schmeckt, wie die meisten Heilwässerchen, sehr metallisch. Aufgrund des hohen Fluoridgehalts ist es aber zum Zähneputzen ausgezeichnet geeignet.

„Wollen wir hier anhalten?“ Fragt uns Tomek. Wir werfen aus dem Auto heraus einen Blick in die Umgebung. Der Ort besteht in erster Linie, soweit ich es erkennen kann, aus Kurhotels. Nein, schon okay… keiner hat nach dem aufregenden und anstrengenden Tag in Varsia Lust, aus dem Auto zu steigen. Wie ein Mann schütteln wir die Köpfe. Also gut. Wir fahren weiter.

An dieser Stelle bin ich euch den Fotobeweis schuldig; wie gesagt, es gibt hier nichts, wofür es sich zu fotografieren lohnt.

Später lese ich nach, dass der Ort an Georgiens größtes Naturschutzgebiet, den  Bordschomi-Charagauli-Nationalpark, grenzt. Eine Seilbahn bringt den Besucher nach oben auf etwa 800 Meter Höhe. Umgeben ist der Kurort von Nadelwäldern, genauer gesagt Nordmanntannen, deren Samen geerntet und nach Westeuropa exportiert wurden. Es kann gut sein, dass einer eurer Weihnachtsbäume aus eben jener Gegend kam…

 

Gastfreundschaft und – Überraschung! – Wein

Der Ort Gori wirkt verwahrlost und verlassen, als wir am späten Abend kurz vor der Dämmerung ankommen. Ärmliche Häuser, eine leere Straße, Schrottlauben als Autos am Straßenrand geparkt. Ein Ort, an dem ich instinktiv mein Hab und Gut, verstaut in meiner schwarzen Bauchtasche, enger am mich ziehe. Doch unser Domizil auf Zeit ist schnell gefunden. Einmal klingeln und uns wird geöffnet.

Unser Gastgeber freut sich über Besucher. Stolz zeigt er uns den Wohnraum. Eine große Küche, ein Wohnzimmer und unsere Räume, die wir schnellstmöglich mit unseren Siebensachen belegen. Eine Waschmaschine ist vorhanden, sowie ausreichend Wäscheleinen draußen auf der Terrasse. „Wäsche? Wer hat Wäsche?“ Ja, hier! Fast alle haben Wäsche. Und da wir zwei Nächte bleiben, lohnt sich so ein Waschgang allemal. Sortiert wird unkompliziert nach Farben, wobei ich wieder der Exot bin: „Bitte nur dreißig Grad einstellen…“

Die Küche hält ein Willkommensgeschenk für uns bereit: eine tönerne Karaffe mit leckerem Weißwein. Oh, schon wieder Wein! Wer soll denn das alles trinken, gebe ich zu bedenken. Doch tja, wie soll ich sagen… die Gegenwehr währt nur kurz. Wir verteilen uns am Tisch und um die Karaffe, Gläser werden gefüllt. „Auf Georgien!“ Was sonst.

Leicht angedödelt wackeln wir zu viert in die nächtliche Stadt hinaus. Zu viert, da Gosia lieber dösend auf dem Zimmer bleiben möchte. Uns kribbelt es in den Beinen, und auch ich will nichts verpassen. Der Entdeckerdrang treibt uns nach draußen. Die verbliebenen Krieger erobert Gori bei Nacht.

 

Gori bei Nacht

Was soll ich sagen: hat man erst einmal den „Außenbezirk“ des kleinen Ortes hinter sich gelassen, wirkt die Gegend gar nicht mehr so unfreundlich. Der Park ist voller Menschen; anscheinend ist dies hier die Ausgeh-Meile für die Bewohner. Sie flanieren umher, Jugendliche sitzen in Grüppchen, bunt beleuchtete Wasserfontänen verzaubern den bei Tage so hässlichen Ort. Es gibt einen Spielplatz mit quietschbunten Fahrgelegenheiten für die Kleinen. Wasserspiele, eine malerische Brücke, blühende Rosen. Wir schlendern durch den Park, durch die dunklen Straßen, schleichen dann um das geschlossene Stalin-Mausoleum herum.

Zum Stalin-Mausoleum gibt es einiges zu sagen, vorerst sei jedoch nur so viel verraten: es ist ein selbst unter Georgiern umstrittener Ort. Die Verehrung Stalins ist vielerorts groß, vor allem bei der älteren Generation. In erster Linie sehe ich das Mausoleum jedoch pragmatisch – als eine Einnahmequelle für die Bewohner von Gori. Ich werde mich im nachfolgenden Beitrag näher darüber auslassen.

 

Es kann nicht genug Wein geben…

Hm, ja, schlimm mit uns, ich weiß. Unsere nächtliche Runde durch Gori hat vor allem einen wichtigen Zweck; Besorgungen erledigen. Ein Supermarket hat noch geöffnet, und dort decken wir uns ein mit Zagryzka. Damit sind passende Fressalien gemeint, die bei uns nach polnischer Tradition zum Alkohol serviert werden. Merket euch eines, liebe Kinder: so versoffen dem guten Trunk zugetan wir auch erscheinen mögen, nie, nie wird bei uns Alkohol ohne die passende Beilage auf den Tisch kommen. Besagte Beilage kann bestehen aus: Käse, Salami, Schinken, Brot/Baguette, Oliven, eingelegten Gurken oder Hering im Glas. Hauptsache kleine Häppchen für den Magen. Das ganze wird dann auf kleinen Tellern serviert und als Zagryzka, also etwas „zum Durchbeißen“ bezeichnet.

Wieder im Hotel bereiten wir also den weiteren Abend vor. Die Einkäufe werden auf dem Tisch platziert, die Wäsche draußen aufgehängt, kleine Beilagenteller vorbereitet. Einstimmig leeren wir die restliche Karaffe Weißwein. Okay, was nun? Hm, es ist noch so viel Essen da.

Erinnert ihr euch noch an den Fünfliter-Kanister Wein, den uns die netten Georgier im Kleinen Kaukasus schenkten?

Tja, an diesen erinnern wir uns nun auch wieder…

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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10 Kommentare

  1. Auch unspektakuläre Orte können einen Stopp lohnen. Und wenn es nur fürs Wäschewaschen und Weintrinken ist 😁. Wie ist eigentlich euer Entzug nach der Reise abgelaufen, so er denn stattgefunden hat 😇?

    1. Der Entzug vom Wein oder der Entzug von Georgien? (lach) Der Entzug vom Wein – relativ easy. Was nicht zuletzt daran lag, dass mein Onkel einen guten, georgischen Tropfen im Supermarkt in Polen entdeckte. Der Entzug von Georgien selbst war da schmerzhafter…

  2. […] unsere Füße zum nächsten Supermarkt; demselben Supermarkt, den wir gestern am späten Abend für Zagryzka geplündert haben. So ein Laden in einem fremden Land ist immer spannend, verrät er doch mehr, als […]

  3. Ich kann mich irren, aber das mit dem Wein hast Du glaube ich an anderer Stelle schon einmal angedeutet… 😉

    1. Ja echt? Kann nicht sein… Ich bin mir ziemlich sicher, bei den Georgien-Berichten noch an keiner Stelle sowas wie Wein erwähnt zu haben… *kopfkratz*

      1. Mir war irgendwie so, kann mich aber auch irren.

        1. Nein, du irrst dich. Ganz bestimmt. Wein kam gar nicht zur Sprache. Wie soll man denn auch in Georgien an Wein kommen 😉 😉

          1. Wie dumm von mir!

          2. sagt:

            Ach was, schon okay. Ich meine, Georgien und Wein, da kommste nicht drauf… 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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