Asien, Georgien

Tri polaka z gruzin i sobaka

September 2021

„Czterej pancerni i pies“, oder, wenn man will: „Die vier Panzersoldaten und der Hund“, ist in Polen absoluter Kult. Die Serie entstand zwischen 1966-1970 nach einem gleichnamigen Buch des Autors Janusz Przymanowski. Sie behandelt die Abenteuer der Besatzung des Panzers 102 (Der Rote) auf ihrem Weg nach Berlin. Mit dabei sind der jugendliche Janek, den die Wirren des Krieges nach Sibirien führten; der Schlesier Gustlik, aus der deutschen Wehrmacht geflüchtet; der Russe Olgier, Anführer der Truppe, sowie der Georgier Grigorij. Vervollständigt wird die Gruppe von Szarik, Janeks Hund, der die Gefährten ein ums andere Mal aus brenzlichen Situationen rettet.

Was weniger bekannt ist: auch in Russland gab es ein Pendant zu dieser Serie mit Kultstatus. Dort lief sie unter dem – für mein Ohr sehr schön klingelnden – Namen „Tri Polaka z gruzin i sobaka“. Woran sich nun mein Onkel zu erinnern vermag, als er uns so in harmonischen Einklang durch die Straßen Goris gehen sieht. Wie so oft in Georgien, hat sich auch diesmal ein herrenloser Hund zu uns gesellt und leistet uns Gesellschaft, und wie ich meine vier Reisegefährten so anschaue, geht es mir durch den Kopf. „Tri polaka z gruzin i sobaka.“ Die anderen grinsen. Und ich frage mich, wo denn bitte der Georgier im Seriennamen mit einem Mal herkommt, denn ich kenne die Handlung zu diesem Zeitpunkt nicht und gehe automatisch davon aus, dass die Besatzung der polnischen Kultserie, die mir nur so vom Hörensagen geläufig ist, zwangsläufig auch polnisch ist.

Doch ja, wir sehen nun genauso aus, jetzt, da uns der gelbe Hund auf Schritt und Tritt folgt. Ge-nau-so. Und der ominöse Georgier wird sich schon noch finden…

Nachdem wir mit Stalin-Museum durch sind, die Sonne scheint und der Tag noch jung ist, sehen wir uns an, was Gori sonst noch so zu bieten hat. Nicht viel, hatte ich ja eingangs erwähnt, doch wir nehmen alles mit, was geht. Wir sind jung (gut, ein paar von uns sind jung…), wir haben Zeit. Wir inhalieren die Eindrücke.

 

Brot aus der Tone

Und dabei findet sich allerhand Interessantes auf unserem Weg. Die Bäckerei, die noch im tiefen, in den Boden eingelassenem, runden Steinofen ihre leckeren, knusprigen Brote backt, die wir jeden Morgen genießen. Dieser Ofen in der Form eines Kruges wird als Tone bezeichnet. Diese wird aus Ziegeln und Keramik hergestellt. Zum Erhitzen verwendet man Brennholz; dies ist der Grund für das einmalig holzige Aroma der Brote.

Der Teig wird einfach an die Wände des Ofens geklebt (besser: geschleudert, wie ich in einem Fachartikel zum Thema nachlese: geokulinarium.de) und backt schön knusprig an; daraus ergibt sich dann die rundliche Form der langen Fladen. Die fertigen Fladen bezeichnet man als Tonis Puri.

Vier Köpfe strecken sich neugierig in den Raum und nachdem Tomek ein paar Worte mit der Bäckerin gewechselt hat, dürfen wir rein und einen Blick in den Ofen werfen. Die beiläufig hingeworfene Bemerkung, dass wir Polen sind, hilft – wie so oft. Ja wirklich, wenn ihr in Georgien seid, gebt euch für Polen aus, und euch werden Türen und Herzen geöffnet. (Kleiner Scherz am Rande, bitte keine bösen Kommentare im Nachgang 😉 )

Hier, die Bäckerei:

 

Plattenbauten

Gori hat durchaus auch eine hübsche Seite, doch ebenso auch Straßenzüge, an denen man achtlos vorbeizugehen geneigt ist. Hässliche, quadratische Blöcke, bröckelnder Putz, Müll und Trostlosigkeit, die Überbleibsel der sozialistischen Plattenbauten. Außen an den verrosteten Balkongeländern hängen surrende Klimaanlagen, im Schatten einer Wand döst ein Hund in der Mittagshitze. Wäsche und Satellitenschüsseln vervollständigen das Bild. Ich muss daran denken, wie meine Mutter einst auf meine Frage hin, warum man solch unschönen Bauten stehen ließe, pragmatisch antwortete: „Wieso nicht? Sie bieten günstigen Wohnraum. Ist doch egal, wie sie aussehen.“ So stelle ich es mir auch hier vor, vermutlich sehen die Wohnungen drinnen gemütlicher aus als das die Fassade vermuten lässt.

Zudem ist der desolate Zustand nicht einfach nur dem Zahn der Zeit geschuldet: viele Wohnhäuser, insbesondere in Gori, wurden während des Kaukasus-Krieg 2008 zerstört, ausgebrannt, geplündert. Die Schäden sind heute noch zu sehen, geflickt und übertüncht. Spuren einer fremden Aggression. „Das Hässliche hier kommt von den Menschen.“ Sagte unsere Gosia zur Beginn der Reise unüberlegt. Ja, und damit hatte sie sogar Recht, das hässliche kommt von den Menschen. Nur hier in diesem Falle nicht von den Georgiern.

Einen interessanten Beitrag gibt es dazu vom Deutschlandfunk: Zwischen Angst und Hoffnung

 

Kirchen

Was in Georgien auffällt, sind die Kirchen und ihre Bauweise. Ihr kennt sie doch sicher von Reiseführern, die berühmteste Kirche Georgiens, die Gergetier Dreifaltigkeitskirche in Kazbegi? Nun, viele sehen so aus. Sie bilden eine sogenannte Saalkirche, bestehend aus einem einzigen Raum, einer halbrunden Altarnische und rechteckigem Grundriss. Sie sind so typisch für dieses Land, dass sie sich mir aus Bildern und Dokumentationen als „Georgien“ schlechthin ins Hirn gebrannt haben. Und wie immer freue ich mich auch jetzt, hier auf einige meiner Klischees zu treffen.

Wie hier, in Form der orthodoxen Heiligen Erzengel-Kirche nahe der Festung:

 

Die russischen Autos

„Jede Menge Altschrott“ sammelt sich an den Parkplätzen und am Straßenrand. Die Fahrer reden oder dösen im Innern. Dieser Altschrott ist noch aus der Sowjetzeit da und er scheint unverwüstlich. Tomek ist sofort in seinem Element. Die alten Fahrzeuge haben es ihn angetan. Schwer und wuchtig sehen sie aus und wie aus der Zeit genommen. Ein Stück sowjetischer Vergangenheit, jede Menge zu gucken. Selbst für mich, den interessierten, ahnungslosen Laien.

 

Der Wein im Zehnliter-Kanister

Auf der Suche nach Kaffee und Wasser tragen uns unsere Füße zum nächsten Supermarkt; demselben Supermarkt, den wir gestern am späten Abend für Zagryzka geplündert haben. So ein Laden in einem fremden Land ist immer spannend, verrät er doch mehr, als jeder Guide es vermag, über die Gewohnheiten und Vorlieben seiner Einwohner. Wie zum Beispiel hier in Gori, wo ich mit wachsendem Interesse die Weinabteilung inspiziere. Nicht nur Weine in Stalin-Karaffen habe ich bereits gesehen, nein, hier wird der Wein direkt in Plastikflaschen verkauft; Einliter-, Zweiliter-, Fünf- und Zehnliterkanister kann ich ausmachen und bereue es jetzt schon, mit dem Flieger und nicht mit einem Laster in dieses Land gekommen zu sein.

 

Die Festung

Die Festung von Gori stammt bereits aus dem 1 Jhd. v. Chr., wie die archäologischen Funde belegen. Bereits in der Antike war der Berg befestigt, da er ein strategisch wichtiger Punkt militärischer- und Handelsrouten darstellte. Später bewachte die Burg mit Gori zweitgrößte Stadt nach Tiflis. Erste Aufzeichnungen dazu gibt es aus dem 13 Jhd. Im 17 und 18 Jahrhundert wurden Renovierungsarbeiten vorgenommen, doch 1920 fiel sie einem Erdbeben zum Opfer. Sie wurde nicht wieder aufgebaut.

Ihr größtes Attribut jedoch soll laut den Beschreibungen anderer Reisender der sagenhafte Ausblick über die Umgebung sein. Nun, in diesem Punkt haben sie Recht. Beeindruckend sieht sie von unten aus gesehen aus, und wir sind neugierig. Also machen wir uns auf dem Weg hinauf, in hoher Erwartungshaltung wohlgemerkt. Denn die Rabati Burganlage in Achalziche hat uns bereits ganz schön verwöhnt werden lassen.

Die Hitze brennt uns auf die Köpfe und immer mal wieder nuckelt einer an seiner Wasserflasche. Bis auf Tomek natürlich, der unerschütterlich und überhaupt nicht müde vorneweg geht. Wir, die Normalsterblichen, schleppen uns Stufe für Stufe hinterher. Und ja, sooft ich mich umdrehe, wird mit jedem Mal der Blick über die umliegenden Hügel schöner und größer. Ein junger Sportler hat es sich zur Herausforderung gemacht, die steile Treppe in der sengenden Hitze rauf und runter zu joggen, Musik in den Ohren. Ich kann nur innerlich den Kopf schütteln bei dem Anblick. Sport ist Mord, das schien mir nie zuvor solch eine Gültigkeit zu haben wie jetzt. Zumal ich mich ein wenig tot fühlte. Ja, die Treppen rauf ohne zu murren, das krieg ich schon hin, kein Ding. Aber ich jogge sie nicht hoch. Dann wieder runter. Dann wieder hoch.

Der Sobaka, welchen wir uns unten an der Kirche angelacht haben und der uns nun treu wie ein gelber Schatten folgt, kapituliert ebenfalls. Bis zur Burg läuft der arme Hund noch mit, dann lässt er sich am Eingang im Schatten nieder, während wir in der prallen Sonne auf einer weiten Rasenfläche stehen. Sollen sich doch die verrückten Menschen abmühen.

Tja, eine weite Rasenfläche. Das ist es, was uns oben, innerhalb der Festungsmauern, erwartet. So beeindruckend die Burganlage von unterhalb des Hügels ausgesehen hat, umso weniger hat sie oben zu bieten, nämlich nichts. Na ja, nicht ganz – ein kleiner Anbau bietet einem Wächter Schutz vor Sonne. Was er hier bewacht – das weiß wohl nur er allein.

Vielleicht hatten wir, wie eingangs erwähnt, zu hohe Erwartungen nach dem Besuch der Rabati-Burg in Achalziche. Gut, dafür ist hier der Eintritt umsonst. Und der Blick, der Blick auf die Umgebung ist atemberaubend von hier oben (wobei Gori mit seinen Plattenbauten auch aus der Vogelperspektive nicht wirklich viel hermacht…). Also so oder so, es lohnt sich auf jeden Fall, hier hoch zu kommen.

Als wir uns wieder nach unten begeben, dreht der Treppenjogger noch immer seine Runden.

 

Noch ein paar Eindrücke aus Gori:

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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5 Kommentare

  1. Den Ofen und die Art, das Brot zu backen, finde ich klasse. Schade, dass die Burganlage oben nicht hielt, was sie unten versprach!

    1. Das Brot war mit das Beste am Frühstück, ich habe mich jeden Morgen darauf gefreut. Das mit der Burg war schon okay, Achalziche hatte uns bereits im Vorfeld entschädigt 🙂

  2. Wein im Zehnliterkanister? Dafür gibt es in Georgien doch gar keine Kundschaft?

    1. Na sicher doch – MICH 😉 Nein, aber im Ernst, die sahen nicht wie Ladenhüter aus…

    2. Ach ja, endlich wieder Wein in einem Beitrag… das hatten wir doch lange nicht mehr…? 🙂 Ich denke mit Wehmut an Georgien, an die Menschen dort, und ich hoffe, hoffe wirklich, dass es ihnen gut ergehen wird. Dass die ehemaligen Sowjetstaaten ein wenig Frieden finden, für länger als nur ein paar Jahre. Dass sie von Generation zu Generation zufrieden vor sich hin leben, arbeiten, nach Hause kommen, und sich über Nichtigkeiten aufregen, so wie wir noch vor kurzem. Ein normales, ruhiges Leben halt. Das wünsche ich mir für die Menschen gerade mehr als alles andere.

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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