Asien, Georgien

Signagi, der lokale Markt

Dass Signagi unter anderem Stadt des Weines ist, hatte ich in der vorherigen Folge bereits erwähnt. Aber dass es hier sogar ein Weinmuseum gibt, ist schon ein Ding für sich. Wir kommen daran vorbei auf unserem Spaziergang; flankiert wird es von einer alten, zerfallenden Karosse, deren Marke und Herkunft wohl nur Liebhaber kennen werden (hier sind mir wissende Kommentare durchaus willkommen…).

Wir bewegen uns in Richtung der alten Festungsmauern mit ihrem trutzigem Wehrturm, der bedeutend das Gesicht der Stadt prägt und sie älter wirken lässt, als sie in Wirklichkeit ist. Ein ums andere Mal öffnet sich ein Blick zwischen den Häusern auf die flache, fruchtbare Ebene, die sich dunstig im Morgenlicht erstreckt und auf der alles angebaut wird, was der Georgier an Obst und Gemüse so zum Leben braucht. Im Hintergrund – der Kaukasus. Der wartet schon auf uns. Und hoffentlich, hoffentlich sind die Berggötter gut gelaunt und begleiten uns auf unserem Weg, denn so richtig weiß ich nicht, was uns erwartet.

Ein kleiner Shop innerhalb der Mauern hat bereits geöffnet in der ansonsten noch leeren Stadt. Doch finden sich hier eher Dinge des täglichen Bedarfs denn der übliche Tand, und meine „Touristen“ ziehen nach ein wenig Stöbern schnell weiter. Schaffsfellmützen, geflochtene Teppiche, die ein Nomade wohl in sein Zelt legen würde, Hütte und Kopfbedeckungen aus Wolle – nichts davon findet Gnade im kritischen Blick meiner Leutchen. Ich für meinen Teil hätte den Laden wohl sofort mit zwei oder drei bunt gewebten Teppichen (ihr wisst schon, die für die Nomadenzelte) verlassen. Doch wohin damit, der Platz im Handgepäck reicht grad mal für Socken, Höschen und einen dicken Pulli. Ja, manchmal kann so ein Backpack eine wahre Rettung sein. Vor unsinnigen Käufen zum Beispiel.

 

Der lokale Markt

Als wir hinunter in die Stadt gehen, sind wir irgendwann nicht mehr alleine. Wir werden von Hunden begleitet. Gut, die Begleitung der Straßenhunde ist an und für sich nichts Neues und wir haben uns schon daran gewöhnt, doch dieses Mal bleibt es nicht bei einem „treuen Freund“. Aus einem werden zwei, dann drei, und ehe wir uns versehen, sind wir von fünf oder sechs Vierbeinern umgeben, die sich mit aggressiven Gebaren in gegenseitigen Rangeleien abzudrängen versuchen. Und ich versuche tunlichst, das wachsende Rudel nicht zu beachten. Denn würde ich es beachten, dann würde ich die Situation als bedrohlich ansehen. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass wir auf diese Weise die ungeteilte Aufmerksamkeit der Haus- und Hofhunde auf uns ziehen, sobald wir uns irgendwo zeigen, und unser Erscheinen wird von einem stetigem Gebell begleitet.

Ansonsten sehen wir hier alles. Alte Häuser. Neue Häuser. Historische, restaurierte Häuser. Zerfallene Häuser. Und überall die obligatorischen Weinranken. Doch wir laufen nicht ziellos durch die Gegend. Wir sind auf der Suche nach einem lokalen Markt, von dessen Existenz einer von uns irgendwo Wind bekommen hatte. Wobei Jacob verhalten protestiert; der Markt sei sehr touristisch und den Ausflug nicht wert. Es ist mehr so ein „wenn wir schon mal da sind“. Also suchen wir. Und werden fündig.

Der Markt befindet sich in einer überdachten Halle und bietet alles. Von bunten, gewebten Teppichen mit orientalischen Mustern (schon wieder!) über schöne, bemalte Weinkrüge bis hin zu Lebensmitteln. Plastikflaschen voll mit verschiedenfarbiger Flüssigkeit unbekannter Herkunft und Bestimmung, von der ich vermute, dass es sich wahlweise um Wein, Chacha oder Obstessig handelt. Von den Wänden blättert Putz und über den Uralt-Waagen, wie ich sie aus den Neunzigern noch kenne, prangen Einschusslöcher (?) in der Wand. Der Duft von dem, was mir als (Vorsicht, ausgelutschter Begriff) „authentisch“ in den Sinn kommt, umweht das Ensemble. Hatte sich Jacob zunächst gegen einen Besuch des Marktes gewehrt (zu kommerziell, touristisch usw.), so ist spätestens jetzt klar, dass von „touristisch“ keine Rede sein kann. Hier ersteht der Einheimischer alles, was er für Zuhause braucht. Und – ein untrügliches Zeichen der Abwesenheit von billigem Kommerz – es gibt keine Magnete.

Trotzdem (oder deshalb?) sind wir begeistert. So begeistert, dass ich eine ganze Tüte voll Tschurtschchela kaufe, der georgischen Nussspezialität, und Jacob eine schicke Mütze ersteht. Jetzt siehst du wie ein richtiger Georgier aus, witzeln wir. Dass jene runden Mützen, die einfach nur aufgesetzt werden, vor allem von den kaukasischen Schäfern getragen werden, stört gerade niemanden. Selbst der kritische Jacob ist zufrieden. Das ist doch mal was „echtes“. Unter den belustigten Blicken der Einheimischen (Touristen sehen wir hier außer uns keine) probiert er seine neueste Beute gleich an.

Neben diversen Gläsern Honig und getrockneten, auf einer Schnur aufgehängten Früchten entdecke ich eine weitere Spezialität des Landes. Es sind dünne Fladen, die ähnlich wie Tschurtschchela aus Saft und Stärke, doch ohne Nüsse bereitet werden. Ich konnte nicht herausfinden, um was es sich da handelt (hätte ich bloß gleich vor Ort gefragt…), doch ich bleibe dran, versprochen. Wie dem auch sei, diese Süßigkeit gibt es in verschiedenen Variationen und Geschmacksrichtungen, je nachdem, woraus sie hergestellt wurden. So gibt es grüne Fladen aus Kiwis, rote aus Kirschsaft, aus Orangensaft usw. Begeistert und fasziniert kaufe ich davon auch gleich eine Tüte voll. Nein, in diesem Land verhungert man nicht, definitiv nicht.

Und weil wir beim Thema Essen sind, Hunger bekommen wir schon bald alle. Zurück im Hotel erwartet uns ein üppiges Frühstück, wie wir es in Georgien schätzen und lieben gelernt haben. Der Tisch ist voll und wir bald wieder satt. Dabei können wir im Vorbeigehen einen verstohlenen Blick werfen in die Küche unserer Gastgeber und die angrenzende Wohnung. Es ist, wie uns Tomek schon mal berichtet hat. Oft haben die Menschen selbst einen niedrigeren Lebensstandard als sie es uns, ihre Gäste, spüren lassen. Denn während sie für die Gäste die schicksten Räume herrichten, mit allem Komfort, den ein westlicher Besucher gewohnt ist, sparen sie oft an sich selber und ihren eigenen Räumlichkeiten. So hatte es zumindest Tomek bei seinem letzten Besuch erlebt. Ein einziger Blick hinein lässt zwar keinen allumfassenden Eindruck zu, jedoch scheint sich sein Erlebtes im Rahmen einer kurzen Momentaufnahme zu bestätigen.

Anschließend erstehen wir noch zwei Flaschen von diesem sagenhaften Wein aus Eichenfässern, zusätzlich noch zu dem unterwegs gekauftem Wein von der netten Verkäuferin. („Wann sollen wir das alles trinken?“ Gibt mein Onkel zu bedenken. Doch ich sehe darin kein allzu großes Problem…) Und zum Abschied gibt es ein gemeinsames Erinnerungsfoto mit den Gastgebern, bevor wir unsere Siebensachen ins Auto packen und uns auf den Weg in den großen Kaukasus machen.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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7 Kommentare

  1. Ein spannender Platz. Märkte sind überall auf der Welt ein Spiegel des jeweiligen Landes.

    1. Und dieser war mit seinem Fressalienangebot ein sehr leckerer „Spiegel“…

  2. Sehr gemütliche Markt und ein glas Wein haben Sie schon verdient nach die Fahrt über der Abano-Pass.

    1. Ja, das sage ich mir auch immer. Nur gab es den Wein vor der Fahrt 😉 Aber keine Angst, für den Fahrer gab es nur Wasser…

  3. Ja, geringe Packmaße retten sehr zuverlässig vor hemmungslosen Shopping-Orgien. Ich bin sicher, dass du auch ohne die georgischen Teppiche bereits genügend Bodenbelag für deine zahlreichen Nomadenzelte besitzt 😁. Die anschwellende Hundemeute hätte mich ziemlich gestresst! Riechen die Viecher doch sofort, wenn man Angst vor ihnen hat.

    Ihr habt ja Nerven! Seid ihr echt VOR dem Frühstück durch die Markthalle gelustwandelt?!? Das wäre bei mir mit leerem Magen nicht gutgegangen. Ich hätte mich wohl an jedem Stand durchgefuttert. Aber später im Hotel seid ihr ja für eure Standhaftigkeit belohnt worden. Und nun bin ich gespannt auf den Kaukasus.

    1. Vor dem Frühstück war wohl die zeitlich vernünftigere Möglichkeit. Die Markthalle, also, es ist ja nicht so, als wenn wir dort standhaft geblieben wären… 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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