Asien, Georgien

Mzcheta – das religiöse Zentrum des Landes

Auf den Weg nach Tiflis besuchen wir Mzcheta, diesem unaussprechlichen Ort, dessen Namen ich mir beim besten Willen nicht merken konnte. Mzcheta ist die Hauptstadt der Region Mzcheta-Mtianeti im Osten des Landes. Nur wenige Kilometer teilen uns noch von Tiflis, wo wir anschließend die nächsten beiden Tage verbringen werden; nicht mehr lange, dann ist die alte Hauptstadt Georgiens heute fe facto mit der neuen, stetig wachsenden Hauptstadt verschmolzen.

Mzcheta existiert laut archäologischen Ausgrabungen bereits seit 3000 Jahren und war ehemals eine bedeutende Handelsstadt und die Hauptstadt des Iberischen Reiches. Heute freilich hat sich längst die Gewichtung zugunsten von Tiflis verlagert. Was die (nach heutigen Maßstäben) Kleinstadt Mzcheta allerdings zu bieten hat, sind zahlreiche zu UNESCO gehörende Kulturerbestätte.

Eine Kirchentour verspricht es zu werden. Wir parken den Wagen und bei dieser Gelegenheit leihe ich Gosia mein Kopftuch – wohlweislich und in prophetischer Sicherheit, dass sie keines dabei haben würde, trage ich seit Beginn der Reise zwei Exemplare bei mir. Ja, wir Deutschen sind halt immer top vorbereitet; das hat sich auch schon im Ausland herumgesprochen.

Eine in schwarz gekleidete, alte Frau läuft auf dem Parkplatz umher und verkauft religiösen Nippes. Ihr bekehrendes, inniges Gemurmel hat etwas beängstigendes und sie ist hartnäckig; ich bin froh, als sie weiter geht und sich andere „Opfer“ sucht. An solch einem touristischen Ort wie diesem ist es klar, dass uns die eine oder andere „Erleuchtung“ heimsuchen würde.

Das Samtawaro-Nonnenkloster besuchen wir eigentlich nur, weil wir sowieso das Auto draußen abstellen. Drinnen sind wir die einzigen, bis auf zwei Frauen in langen Nonnengewändern, die gerade den Altarbereich auf Vordermann bringen. Ein überaus weltlicher Staubsauger kommt zum Einsatz. Dann wandern wir durch die ruhigen, sonnigen Straßen Mzchetas in Richtung Kathedrale. Vorbei an ruhigen Gassen, schönen, versteckten Gärten, in denen brüchige Tongefäße in den Schattenspielen der Bäume für ein mediterranes Flair sorgen; vorbei an Menschen, die in einem kleinen Park an plätschernden Fontänen ihre alten, kalten Knochen wärmen. Bis auf die vielen UNESCO-Erbestätten und dem damit verbundenen Besucherstrom ist Mzcheta unspektakulär. Unspektakulär friedlich.

 

Die Swetizchoweli-Kathedrale

Es handelt sich um die zweitgrößte georgische Kirche, die auf einem Hügel erbaute Swetizchoweli-Kathedrale. Der Name bedeutet soviel wie: Kathedrale der lebensspendenden Säule. Dies geht auf die Legende eines heiligen Zedernbaumes zurück, aus dessen Stamm eine Säule für den Kathedralenbau gefertigt wurde. Doch die Säule ließ sich nicht aufrichten und so drohte der Bauplan, nicht vollendet werden zu können. Nach langen Gebeten erschien ein Engel, hob die Arme und die Säule richtete sich auf. Die Kirche wurde fertiggestellt. Später produzierte die Säule aus ihrem Stamm eine Flüssigkeit, die alle Krankheiten heilte.

Die Kathedrale wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach zerstört, unter anderem durch Erdbeben und persische Angriffe, jedoch baute man sie ein ums andere Mal wieder auf. In ihrem Innern fand man bei einer Restaurierung 1970 die Fundamente einer Basilika aus dem 5 Jahrhundert.

Die Kathedrale wartet auf mit einem mittelalterlich anmutendem Tor samt Stadtmauer und Befestigungen. Nicht nur ein Zentrum der Religion, ein ehemaliges, gut bewachtes Zentrum der Macht wird sichtbar. Was notwendig war im Angesicht der häufigen Überfälle. Als wir näher kommen, sehen wir Gerüste. Ein Teil des Bauwerks wird gerade restauriert.

Drinnen empfängt uns angenehme Kühle und die Jahrhunderte alte georgische Malerei, die sich vom Stil her von der byzantinischen stark unterscheidet. Auffällig sind die großen, ernsten Augen der Ikonen. Und noch etwas ist anders in einem Land wie Georgien. Hierher kommen die Menschen nicht nur, um sich die Kirchen anzusehen, sie kommen her, um zu beten. Knien nieder, in sich gekehrt, berühren den Stein. Es ist, ungeachtet seiner touristischen Popularität und dem UNESCO-Status, kein Museum aus totem Stein. Es ist und bleibt ein lebendiger Ort.

 

Fressalien

Doch das wirklich interessante sind zunächst einmal die Souvenirstände und Fressbuden, wo der willige Tourist lauter georgische (und nicht nur) Leckereien probieren kann. Mit wachsender Begeisterung bewundere ich die bunten, gestapelten Tschurtschchela, eine georgische Nuss-Spezialität, die gerne auch als „natürliche Snickers“ bezeichnet werden. Tschurtschchela sehen aus wie bunte, aufgehängte Würste, doch nichts dergleichen. Es sind Nüsse – Haselnüsse, Wallnüsse, auch andere Sorten sind möglich – die in eine Mischung aus Stärke und Traubensaft getaucht wurden. Die so präparierten Nüsse werden aufgehängt und härten aus; daraus ergibt sich eine haltbare Köstlichkeit. „Vitamine für Kinder für den Winter.“ Bemerkt Tomek. Und ein guter Energielieferant.

Natürlich dürfen wir probieren. Kleingeschnitten liegen die Tschurtschchela bereits auf einem Teller aus. Die Verkostung endet damit, dass wir uns mit je zwei großen Tüten der Snacks eindecken – für den Rest unserer Reise sind wir versorgt. Es ist schwierig zu verhungern, hier in Georgien. Es ist leicht, ein paar Kilos anzusetzen. Aber das ist es wert.

Was man auch an jeder Ecke trifft, ist Traubeneis. Eine ungewöhnliche Geschmacksrichtung, ja, und natürlich muss auch diese probiert werden. Ohne einen Becher spaziere ich hier nicht mehr weg. So, das Traubensafteis ist meines. Zufrieden spaziere ich weiter. Indessen bewundern die Kids die vielen Souvenirs: plüschige, haarige Schafsfellmützen, Schwerter, silberne und goldene, mit Verzierungen besetzte Trinkhörner. Nach einer Phase des Überlegens ziehen die Kids mit ihrer Beute von dannen. Indessen habe ich mir von einer netten Dame einen Mocca auf Sand aufbrühen lassen.

Und obligatorisch sind natürlich die vielen Grapefruit-Stände, die die Früchte gestapelt verkaufen. Die Tiefebenen Georgiens sind äußerst fruchtbar, das Obst und Gemüse kommt zum Großteil von hier und muss nicht importiert werden. Mehr noch: vieles, was man am Straßenrand oder auf dem Markt kaufen kann, oder was es zum Essen in Gasthäusern gibt, stammt sogar aus dem eigenen Garten.

Honig. Habe ich den Honig erwähnt? Georgien ist nicht nur das Land des Weines, sondern auch das Land des Honigs. Die ältesten archäologischen Funde der Menschheit von Honig wurden hier gemacht, die Tradition der Imkerei ist Jahrtausende alt. Die Kaukasische Biene ist dafür bekannt, dass sie mit ihrem langen Rüssel Nektar auch unter schwierigen Bedingungen sammeln kann.

Der Chacha, unser bereits bekannter Traubentrester, sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Natürlich gibt es auch hier kleine und große Stände mit dem starken Gesöff, und es gibt ihn in verschiedenen Geschmacksrichtungen und Sorten. Mit eingelegtem Obst. Schnell gehe ich weiter, denn hier wird es bedenklich. Klar würde ich alles mögliche zum Probieren kaufen, doch das Ausführen der Alkoholika ist so eine Sache. Da in den meisten Fällen der Alkoholgehalt auf dem Etikett (oder manchmal gar ein Etikett…) nicht angegeben ist, wird bei einer möglichen Kontrolle von einem 100 Prozentigem Gehalt ausgegangen. Was natürlich Quatsch ist, denn wer sich ein bisschen auskennt, weiß, dass reiner Ethanol höchstens 96% sein kann… wie dem auch sei, die erlaubte Ausfuhrmenge ist sehr begrenzt, schade.

„Ein paar Kumpels von mir sind aktuell auch in Georgien unterwegs.“ Sagt Marek. Wenn wir also zu viele Souvenirs einkaufen und etwas mitgeben möchten, könnten die Jungs das mitnehmen, kein Problem. „Außer natürlich alkoholisches.“ Fügt er schnell hinzu und lässt meine aufkeimende Hoffnung schwinden. „Es sind ja Männer. Die werden selbst was haben wollen…“

Relativ verschämt und etwas weiter hinten finde ich Stände mit Fellen aller Art. Füchse, sonstiges Getier, ich werfe nur von weitem einen Blick rüber. Für die daraus hergestellten Mützen und sonstigen Kleidungsstücke bestünde kein großer Bedarf, möchte man meinen, doch da die Herren mit ihren Pelzen noch nicht bankrott gegangen sind, kann nur bedeuten, dass das Angebot durchaus Abnehmer findet.

Was mir dann begegnet, ist Rassismus per excellence.

Natürlich zieht die berühmte Kathedrale Touristen aus aller Welt an. Als ein farbiges Paar näher kommt, stürzen sich gleich zwei oder drei Leute auf sie und wollen sie fotografieren. Das Paar reagiert souverän, lächelt und winkt ab. Nein, danke, heute keine Fotos. Und ich bin leicht aus der Fassung gebracht; ich hätte es nie für möglich gehalten, eine solche Szene zu sehen. Wissen es die Leute echt nicht besser?

Und nein, hier hatte es sich nicht um Prominente gehandelt, und die Fotowütigen waren keine Horde kreischende Teenager. Es waren ganz normale US-Touristen und die „Fans“ – ähm… georgische Taxifahrer…

 

Das Dshwari-Kloster

Das Kloster ist unsere nächste Station. Es liegt weit oben über der Stadt. Von hier aus hat man einen schönen Blick über die Ebene und die umliegenden Berge, wie auch über die sich pittoresk vereinigenden Flüsse Aragwi und Mtkwari. Das Kloster Dchwari ist die älteste Kreuzkuppelkirche in Georgien und seit 1996 UNESCO-Welterbe. Viele georgische Kirchen sind dieser Bauweise nachempfunden.

Die Errichtung des Klosters, Ursprünge im Jahr 545, geht auf eine Erzählung von der heiligen Nino zurück. Sie soll der Überlieferung nach das Christentum nach Georgien gebracht haben. An dieser Stelle soll einmal ein heidnischer Tempel gestanden haben; die heilige Nino stellte hier ein Holzkreuz auf. Dieses Kreuz soll wundersame heilende Kräfte gehabt haben und wurde schon bald zum beliebten Ziel für Pilger.

Der Ort wird heute von vielen Touristen besucht und ist ein beliebtes Fotomotiv. Vor allem der Ausblick auf die Berge und die beiden Flüsse, zu deren Ufern sich Mzcheta erstreckt, ist auf vielen Georgien-Reisebildern zu sehen. Wir werfen einen Blick in das Innere des Klosters.

Danach genießen wir draußen den Ausblick und den Sonnenschein. Mein Onkel albert mit seiner Tochter herum und, wie sie ihn so knufft und in die Seiten piekst, sieht er wie ein misshandelter, sehr glücklicher Vater aus. Gerührt beobachte ich die beiden. Das sind Momente fürs Leben, die kurze Zeitspanne, bevor die Kinder vollends erwachsen werden.

Wenn ihr neugierig geworden seid: einen sehr schönen Beitrag über Mzcheta habe ich bei Ingrids Welt gefunden.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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9 Kommentare

  1. Das war ja ein sehr sakraler Tag 😁! Die Nusswürste hätte ich wohl auch probiert. Beim Traubensafteis bin ich mir da noch nicht so sicher. Obwohl: vermutlich dann doch!

    Menschen mit anderer Hautfarbe scheinen bisher noch nicht in allzu großer Zahl dort aufgetaucht zu sein, wenn sie solch ein Aufsehen erregen. Ich kann gut verstehen, dass dich das abgestoßen bzw. irritiert hat. Die Betroffenen selbst nahmen es offenbar halbwegs gelassen. Das ist ihnen vermutlich schon öfter passiert und sie Interpretieren es als das, was es vermutlich auch ist: reine Neugier auf das scheinbar „Fremde“. Ich selbst bin in Indien unzählige Male um ein Foto mit mir gebeten gebeten worden. Ich nahm es auch mit Fassung.

    1. Liebe Elke, vielleicht versuchen wir (Menschen aus dem Westen) zu sehr, für andere mitzudenken und mitzufühlen. Ich hatte mal eine indische Reisegruppe getroffen, nach anfänglichem Zögern wollte jeder ein Foto und ich stand geschlagene Viertelstunde da und habe posiert (weil hell und blond und so), das war auch okay 😉

      Kirchen und Klöster gehören für mich einfach dazu, vor allem in einem Land wie Georgien mit seiner ausgeprägten orthodoxen Kultur. Die Nusswürste sind lecker, der Traubensaft auch 😉

  2. Georgien, Land des Weines? Erstaunlich, dass man ihn trotzdem offenbar kaum trinkt…

    1. Ja, ein Mysterium…

  3. Ich dachte immer, Iberien liegt im heutigen Spanien. Aber nein, Iberien war tatsächlich im Kaukasus. Wieder was gelernt.

    1. Ja, da kann man durcheinander kommen. Als Iberien wurden im Altertum einst Spanien und Portugal bezeichnet. Nicht zu verwechseln mit dem Iberischen Königreich, einem antiken georgischen Staat. Wenn du mich fragst, haben sie den Namen jeweils voneinander geklaut… 😉

    2. Und nein, vor meiner Recherche für den Blogbeitrag habe ich das auch nicht gewusst… 🙂

  4. Wunderschöne Bilder und vielen Dank für die Informationen. So lerne ich noch etwas über Georgien 🙂

    1. Das freut mich, danke 🙂

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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