Übernachtung am Bodensee
Bodensee, irgendwann um 2014 herum
Das war eine wilde Fahrt. Nicht die Fahrt an sich, den diese war nicht außergewöhnlich; wohl eher das Drumherum, meine ganze Urlaubs-„Planung“ sozusagen. Und schuld war Raphael Fellmer.
Ja, ich weiß, es ist leicht, anderen die Verantwortung für seine Vergehen in die Schuhe zu spachteln. Doch in diesem Fall handelt es sich für die (sicherlich unbeabsichtigte) Verantwortung für einen der besten (und wohl seltsamsten) Trips meines Lebens. Und das kam so…
Raphael Fellmer ist einigen sicher schon bekannt. Für diejenigen, die ihn nicht kennen: er ist der Gründer von Foodsharing und ein heißglühender Verfechter der Maxime, dass Ressourcen nicht unendlich sind und wir es uns schlicht nicht leisten können, sie zu verschwenden. Lebensmittel gehören hiermit dazu. Sein Buch „Glücklich ohne Geld“ hat seinerzeit mein Leben nachhaltig beeinflusst.
So nachhaltig, dass sich die Idee der Nachhaltigkeit auf alle Bereiche meines Lebens übertragen hatte. Und eine Zeit lang habe ich diese „wer braucht schon Geld“- Idee sehr radikal verfolgt. So radikal, dass ich sogar meine Dreitagesreisen an den Bodensee auf diese Weise plante. Es ging los mit nichts als dem Auto als fahrbaren Untersatz dabei. Ja ja, ich weiß… hätte ich die Nachhaltigkeit wirklich konsequent zelebrieren wollen, wären die vier Räder längst gegen ein Bahnticket getauscht; aber der Gedanke kam mir damals nicht.
So war das Auto Mittelpunkt meiner Bemühungen. Ich schlief im Auto, denn ein Hotelzimmer zu buchen wäre unter meiner Würde. Und hätte Geld gekostet, und um das zu vermeiden, darum ging es ja. Ich ernährte mich von mitgebrachten Broten und Kaffee, und als die ausgingen, vom Fallobst und Nüssen – denn davon gab es am Bodensee reichlich. Und als ob das nicht reichte, ging ich sammeln, überall dort, wo es möglich und erlaubt war.
Daraus ergaben sich allerlei skurrile Situationen. Zum Beispiel wie ich jeden Abend nach ausgedehnten Zu-Fuß-Touren ein lauschiges Plätzchen für meine Autoübernachtung suchte. Dies war mal legal mal halblegal, beispielsweise dort, wo ich auf einer Wiese hinter einem Bauernhof stand und mir den Wecker stellte, damit ich ja vor den Bauern zusah, dass ich da wegkomme… Normale Rast- oder Parkplätze waren mir zu unsicher. Einmal schlief ich an einer Aral mit dem Vorteil, am Morgen die Waschgelegenheit nutzen zu dürfen.
Überhaupt war das das wohl größte Problem auf meinem freien Vagabundenleben: die Duschgelegenheiten. Diese sind nämlich da draußen quasi nicht vorhanden. Und will man nicht vollends mit Moos und Flechten zuwachsen, müssen irgendwann doch ein Hotelzimmer oder die eigene Wohnung her. Insofern war ich sehr froh, als Stefan zwei Tage später nachkam und für uns ein Hotel buchte.
Im Nachhinein jedoch muss ich sagen; es war einer der spannendsten Trips, die ich bisher hatte. Das Gefühl von Freiheit und auf sich alleine gestellt zu sein war unbeschreiblich. Es war ein Experiment – ich muss da an einen Satz denken, den ich neulich von Peter (Nerd-o-Mania) in meinen Kommentaren las: dass das Extreme der Feind des Moderaten ist. Wir können nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wir können nicht komplett ohne Geld leben, ohne soziale und kulturelle Einbußen in Kauf zu nehmen (siehe das schlichte Kaffee trinken mit der Freundin…). Aber wir können unseren Konsum steuern. Wir können uns fragen, wieviel von dem, was wir gerade kaufen, wir wirklich brauchen oder tun wir das nur für das gute Gefühl, für den Endorphin-Kick? Wir können steuern, wo wir konsumieren und was. Welche Wege hat das Produkt hinter sich, ehe es uns erreicht hat? Wo kommt es her? Wie wurde es hergestellt/angebaut? Raphaels Buch hat einen extremen Ansatz, doch sind solch extremen Ansätze für mich nicht dazu da, um ihnen blind zu folgen, sondern um wachzurütteln. Den richtigen Weg muss schließlich jeder für sich finden.
Von Piraten und Grenzsoldaten
Jordanien 2018
Fran, dear Fran. Fran ist das Mädchen, welches ich auf meiner Reise durch Jordanien kennen gelernt habe. Und unerwartete Weise verbrachten wir im Anschluss einen großen Teil der Reise zusammen. Erlebten dabei mit unserem Guide eine Menge skurriler Dinge. Unerwartete Begegnungen und Abenteuer, in die ich mich sehenden Auges wohl nicht gestürzt hätte.
Wie der Trip an die Jordanisch-israelisch-syrische Grenze an den Golanhöhen im Dreiländerdreieck, einem aus gegebenem Anlass sehr prekärem Gebiet. Doch soweit politisch informiert waren wir beide zu dem Zeitpunkt nicht, die Info unseres Guides war indessen, dass wir „nur mal kurz“ in die Nähe der Grenze fahren, uns umsehen und dann wieder zurück. Dieses „nun mal kurz“ entwickelte sich zu einem nicht ganz legalem Aufenthalt im militärischen Sperrgebiet, in welches uns ein Soldat hinein gelassen hatte. Wie unser Guide erklärte, läuft in Jordanien vieles über Beziehungen. Wenn du irgendwo am hohen Posten einen guten Freund hast, bist du ein glücklicher Mann. Der „gute Freund“ war in diesem Fall ein ranghoher Offizier, der uns das Tor öffnete und beide Augen zudrückte, als ein alter Jordanier mit zwei blonden Mädels hindurchfuhr.
Zuerst schauten wir „nur mal“ von einer Anhöhe aus zu der israelischen Seite hin. Machten ein paar Bilder („Macht schnell, das ist hier nicht erlaubt…“). Unser Guide meinte zufrieden: Gefällt es euch? Es wird noch besser…
Dann wagten wir uns weiter vor. Niemand stellte Fragen und wir blieben relativ unbehelligt. Bis wir an den Jarmuk-Fluss gelangten, der die Grenze zu den Golanhöhen bildete. Auf der anderen Seite hörten wir Schüsse, Geräusche der Gefechte (?), Übungen (?). Whatever, ich wurde zunehmend nervös. Fran und der Guide hingegen hatten die Ruhe weg, sie stiegen die Uferböschung hinunter bis zum Fluss und schossen ein Bild ums andere. Bis wir schließlich hinter uns ein lautes Rufen hörten. Wir drehten uns um. Hinter uns standen jordanische Soldaten und schauten grimmig herunter…
Du willst wissen, wie es weiter geht? Hier ist der Link: Jordanien, Tag 3 – An der syrischen Grenze
Aber ich habe euch ja noch Piraten versprochen. Das mit den Piraten war eine lustige (und später beängstigende) Geschichte.
Als die „Piraten von Petra“ werden junge Beduinen bezeichnet, die Touristen ansprechen und sie zu abgelegenen Orten führen. Zum Beispiel an Plätze oberhalb der Felsbauten, von wo sich dann wunderbare Aufnahmen machen lassen. Gegen ein vorher ausgehandeltes Entgelt natürlich. Auf diese Weise lässt sich einiges verdienen und die beduinischen Familien haben sich darauf spezialisiert, ihre Dienste an der Sehenswürdigkeit anzubieten. Oben angekommen kann man dann mit Blick auf die Felsstadt im Schatten des Beduinenzeltes chillen, mit einem heißem Minztee oder einem kalten Drink in der Hand (kostet beides extra. Der Ausblick ist gigantisch.)
Und warum „Piraten“? Nun, es ist ihr Look. Vielleicht war jemand von euch bereits dort oder hat Aufnahmen gesehen. Die Jungs sehen allesamt aus wie Jack Sperrow aus „Fluch der Karibik“; schwarz umrandete Augen, rotes Tuch auf dem Kopf, Rastazöpfe oder sonstige Zöpfchen und eine lässige Zigarette im Mundwinkel. Die Wirkung ist unwiderstehlich auf junge, unerfahrene Touristinnen und hat zudem den Effekt, dass sich die Brüder/Cousins/männlichen Familienmitglieder zum Verwechseln ähneln.
Auch wir erlagen dem charmanten Werben eines jungen Mannes. Nun gut, es war Fran, die ganz gerne Petra von oben sehen wollte. Sie war es auch, die einen Preis aushandelte; anschließend führte uns der Beduine an steilen Felsen empor hin zu einem Aussichtspunkt.
Es lohnte sich. Wir hatten eine grandiose Aussicht und eine entspannte Zeit. Außer uns waren noch einige andere Besucher da.
Wieder unten und ein paar Stunden später, als wir gerade von der Besichtigung Petras zum Ausgangspunkt zurück kamen, wurden wir nochmals angesprochen. Man wolle uns zu einem Abendessen einladen, hoch oben über dem Schatzhaus von Petra. Wenn bereits alles geschlossen hatte, wären wir hier ganz alleine und könnten den Ausblick auf die Veranstaltung Petra by Night genießen, ohne zusätzlich Eintritt zu bezahlen.
Doch irgendwas stimmte diesmal nicht an der Situation. Die Jungs wollten unbedingt, dass wir mitgingen, vielleicht wollten wir es zu sehr. Fran und ich verzogen uns. Zudem wurden wir von ein paar Mädels gewarnt…
Ich will nicht zu viel vorweg nehmen. Nur so viel: die Sache hatte ein Nachspiel. Es gab ein Drama, es gab Emotionen, es wurde bedrohlich. Es gab eine imaginäre Schrottflinte in unserem Wagen. Und am Ende waren wir froh, dass wir da wegkamen…
Jetzt bist du aber neugierig, oder? Hier sind die drei Links, bitte auch in dieser Reihenfolge lesen, damit sich die Geschichte erschließt:
1. Jordanien, Tag 5 – Die Felsenstadt Petra
2. Jordanien, Tag 5 – Petra und der Betrug der alten Beduinin
3. Jordanien, Tag 5 – Petra by night
Abgeschleppt in Alkmaar
Alkmaar, Holland 2019
Mein Aufenthalt in niederländischem Alkmaar lief unter dem Motto: Kasia sucht ihr Auto. Gut, Kasia sucht so ziemlich oft ihr Auto, man könnte das inzwischen zu einer Art Tradition erklären. Doch dieses Mal sucht Kasia ganz verzweifelt ihr Auto. Und das kam so…
Alkmaar. An einem Freitag Abend, als ich nach Feierabend und in völliger Dunkelheit die kleine, niederländische Hafenstadt ansteuere. Ich bin vollkommen erledigt, denn lange Autofahrten sind nicht ohne. Doch jetzt am Abend, in dieser neuen Stadt, in einem fremden Land, muss ich wach sein, wach und wachsam. Vor allem, um keinen der vielen irren Radfahrer umzubringen, die wie die Hasen völlig unerwartet aus allen Ecken und Gebüschen vor meine Räder schießen. Ja ja, Fahrrad ist gut für die Umwelt. Aber nicht für meine Nerven…
Mein Hostel befindet sich in einer Seitengasse. An dieser fahre ich vorbei, bis ich an einem schönen, großen Platz auf ganz, ganz viele Parkmöglichkeiten treffe. Wunderbar, wie für mich gemacht. Nur kurz versuche ich, die niederländischen Schilder zu entziffern, um festzustellen, ob ich womöglich Gebühren zu bezahlen habe. Danach sieht es nicht aus. Entspannt stelle ich den Wagen ab und laufe zum Hostel.
Am nächsten Morgen. Siehe da, so viele Tulpen! – geht mir durch den Kopf, als ich die Gasse entlang schlendere. Ach und dieser schöne Markt! Ja, der schöne Markt mit dem vielen Käse… doch irgendwas stört mich daran. Ich laufe weiter, laufe… bis zu der Stelle, wo mein Auto hätte stehen sollen. Und nicht steht. Die Leute werfen verstohlene Blicke, wie ich auf der Stelle trete und anschließend so tue, als sei alles in bester Ordnung. Aber nichts ist in Ordnung, der Wagen ist weg.
Was dann folgt, ist eine irre Odyssee bis zum Abschleppdienst, der sich rund vier Kilometer außerhalb der Stadt befindet… doch lasst euch sagen, mit rund zweihundert-eppes Euro kam ich noch glimpflich aus der Sache. Bei uns in Mannheim biste gleich dreihundert fünfzig los…
Du möchtest noch mehr skurrile Geschichten? Dann schau dir Kathleens Round up an. Unter „Verrückte Reisen“ erzählen andere Blogger, was ihnen so verrücktes auf ihren Reisen passiert ist.
Du willst mehr skurriler Reisen von Kasia? Hier ist, passend zum Teil III, Teil I und Teil II. Viel Spaß beim Lesen!
Da hast du dich ja „fellmermäßig“ auf ein spannendes und erkenntnisreiches Experiment eingelassen. Und deine Stories aus Jordanien und Holland sind wieder Spannung pur. Erzählen kannste! Da macht dir so schnell keiner was vor 😎.
Dankeschön für die Blumen, liebe Elke. Ja, wenn sich Kasia für etwas begeistert (Land, Hobby, Lebensart…), dann kann das schon eine Zeit lang extreme bis skurrile Ausmaße annehmen. Nichtsdestotrotz hat mich die „Fellmer-Zeit“ einiges gelehrt. Zum Beispiel dass ich nicht alles brauche, was ich im Laden sehe. Und dass man nach einer Woche Schlafen im Auto Krämpfe in den Waden bekommt. Was wäre das Leben ohne abgefahrene Geschichten 😉
Hallo Kasia, schön dass Du wieder da bist, ich habe Diene Posts vermisst. Liebe Grüße Annemarie
Liebe Annemarie, vielen Dank! Schön zu hören 😉