Meine Lieben, ich habe das Gefühl, ich muss etwas dazu schreiben. Und ich weiß nicht, was. Was da gerade geschieht, ist eine himmelsschreiende Ungerechtigkeit. Menschen, die einfach nur ihr Leben leben wollten. Menschen wie wir. In einer Welt, wie die unsere. Die nicht mehr ist. Es fehlen Worte, und es würgt mir die Kehle zu. Ja, es fühlt sich falsch an, euch angesichts dieser Geschehnisse mit meinen Belanglosigkeiten zu füttern. Doch ich spüre selbst, wie ich seit Tagen wie auf Kohlen sitze. Den Nachrichten-Thread verfolge.
Vielleicht kommt bei mir meine ursprüngliche Herkunft erschwerend hinzu. Ich komme aus Polen, und in der Ukraine sehe ich irgendwie auch uns. Was für ein Glück, dass Polen in der Nato ist. Was für ein Glück, dass Polen nicht die Grenze mit Russland teilt. Was für ein Glück… und was für ein ZUFALL.
Ich glaube, viele Polen sehen in dem kleinen Land sich selbst. Ja, das hätten auch wir sein können.
Ich gestehe, dass ich nicht mehr an Kriege geglaubt habe. Ein Krieg war für mich etwas, das nicht mehr in unserer zivilisierten, westlichen Welt passiert. Kriege sind irgendwo weit weg, irgendwo außerhalb unserer Einfluss Zone, zwischen Ländern, die (Achtung, Ignoranz) noch nicht hoch entwickelt sind, um ihre Konflikte anders zu lösen. Wir sind doch durch so vieles verbunden, durch Wirtschaft, durch Politik, durch Allianzen, durch Handel…
Surprise. Es gibt Staatsmänner, denen das egal ist.
„Er wird nicht einmarschieren.“ So mein Onkel noch vor einem halben Jahr. „Er hat da überhaupt kein Interesse dran.“
Surprise.
Meine erste Ukraine-Demo. Da bin ich mehr oder weniger zufällig hinein geraten, denn eigentlich wollte ich mir Frankfurt a.M. anschauen. Die Ukrainer demonstrierten in der Altstadt gegen die Besetzung der Krim. Und ich marschierte mit – mit meinem Gesicht könnte ich als eine von ihnen durchgehen, zudem hielt ich es für eine gute Sache.
Damals verpufften die Proteste im Wind und wurden nicht gehört. Und irgendwie hoffte jeder, dass es mit der Krim gut sein würde.
Aber ich will euch nicht Dinge schreiben, die ihr sicher schon wisst oder bereits gelesen habt.
Wusstet ihr? Nach der Sache mit der Krim gab es in der Westukraine ein skurriles Souvenir zu kaufen: Toilettenpapier mit Putins aufgedrucktem Gesicht. Kein Witz, ihr könnt es googeln, das habe ich mir nicht ausgedacht… Angeblich soll auch der britische Verteidigungsminister dieses spezielle… UTENSIL verwendet haben. Und wenn der beißende Sarkasmus in mir Oberhand nimmt und ich an den Krieg denke, dann denke ich auch… verdammt. Das ist jetzt bestimmt die Rache für dieses Klopapier…
Meine zweite Ukraine-Demo war letzte Woche Freitag. Es war ein Bedürfnis. Wenn sich Leute in Russland und Weißrussland verhaften lassen, um ihren Protest kundzutun, was soll ich da zu Hause bleiben?
Ja, das sollte nie ein politischer Blog sein. Ich wollte nie verurteilen, urteilen, mich „einmischen“. Aber hier nichts zu sagen… das geht nicht. Das geht einfach nicht.
Ja, ich reise auch in umstrittene Staaten. Aber hier ist meine persönliche Grenze überschritten. Hier kann ich nicht mehr „unpolitisch“ sein.
Ob das ein guter Zeitpunkt ist, um „zurück zu kehren“? Nun ihr müsst es so sehen… ich biete… Ablenkung! Ja, Ablenkung ist heutzutage ungeheuer wichtig. Ich weiß, wie schei*e die Zeiten sind. Doch es tut gut, auch mal für fünf Minuten, für zehn Minuten, für eine Stunde nicht daran zu denken. Stefan und ich sahen uns Samstag alte Folgen Stand up Comedy, und zwar die von 2019, und warfen uns weg vor Lachen. Wenn ich bedenke, was man damals noch für „Probleme“ hielt… ach ich vermisse diese Zeit. Bitte, katapultiert mich zurück nach 2019…
Heute gilt mehr denn je: lacht. Tanzt. Liebt euch. Tut all die Dinge, die ihr gerne tut. Ja, trotz allem. Es kann so schnell vorbei sein.
Mich hat das voll betroffen, vor allem weil ich 2019 und 2020 noch in der Ukraine war. Ehrlich, die ersten zwei tage Krieg waren schon psychisch niederschmetternder als zwei Jahre Pandemie.
Ich schreibe gerade an ausführlichen Stadtporträts von Kiew und Odessa, aber in der Zwischenzeit habe ich hier ein bisschen zur Ukraine geschrieben – wie immer nur aus eigener Erfahrung:
https://mosereien.wordpress.com/category/ukraine
Es ist sehr viel näher, wenn man das Land selbst kennt, dort Menschen kennen gelernt hat. Es trifft einen stärker. Ich kann dich verstehen.
Das mit der Comedy von vor der Pandemie ist eine gute Idee!
Theoretisch. Denn ich bin dann bei Harald Schmidt und seinen Polen-Witzen gelandet. :/
Ich höre mir Polen-Witze sehr gerne an. Ich kenne auch einige. Wenn du als Pole hier aufwächst und damit konfrontiert wirst, lernst du mit der Zeit, mit zu lachen. Und es ist nie verkehrt, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen 😉
Schön geschrieben Kasia. Wir dachten, es würde nie wieder passieren, aber siehe da… ein weiterer Krieg in Europa. Wir alle unterstützen die Ukraine in diesen schwierigen Zeiten und können nur hoffen, dass bald wieder Frieden einkehrt.
Ich danke dir. Die Welt steht so geschlossen hinter der Ukraine, ich hätte das nie für möglich gehalten.
Liebe Grüße
welcome back! Wir brauchen jetzt alle dringend optimistische und schöne Beiträge…
Dankeschön. Ja, das alles brauchen wir. Und Zusammenhalt. Die schrecklichsten Ereignisse bringen manchmal das beste im Menschen zum Vorschein…
So ist es 👍
Ich habe auf die Nachricht vom Angriff auf die Ukraine erst einmal mit einer Schreibpause reagiert – morgen dazu mehr. Natürlich tritt alles hinter diesen ungeheuren Vorkommnissen zurück. Trotzdem geht unser Leben weiter. Und deshalb schreiben wir weiter.
Das ist richtig. Der erste Impuls ist – auch bei mir – gewesen, das Leben auf Eis zu legen. Wie kann ich leben und sogar sowas wie Freude empfinden, wenn drüben Menschen sterben? Wie kann ich mich über schönes Wetter freuen, über die tolle Wanderung mit einer Freundin?
Aber genau das sollten wir tun. Uns gerade jetzt über kleine Dinge freuen, Nicht aus Ignoranz oder aus Gefühlskälte, nein… einfach deshalb, weil… weil es keinem etwas bringt, wenn wir es nicht tun. Und weil sich so schnell alles ändern kann. Es braucht nur einen Irren mit einem „roten Knopf“…