Asien, Jordanien

Jordanien, Tag 5 – Petra by night

Schnell fliegen meine Finger über die Tastatur. Erst sehr spät komme ich dazu, das Geschehene nieder zu schreiben. Längst bin ich wieder zu Hause im gemütlichen Sessel und krame in meinen Erinnerungen. Bin noch einmal in der Wüste. Bin noch einmal in Petra. Erlebe alles wieder neu.

Djamal* hatte uns ein Hotel organisiert, in einer kleinen Ortschaft rund zwanzig Kilometer außerhalb von Wadi Musa, wo wir uns nach der Besichtigung von der Felsenstadt Petra kurz erholen können. Intuitiv scheint er meine Gedanken erraten zu haben, die mir sagten: jetzt einmal hinlegen, nur mal für ein Stündchen. Und auch Fran ist müde.

Das Hotel gehört Djamals* gutem Freund und niemand stellt hier Fragen, als ein älterer Jordanier mit zwei blutjungen Touristinnen mal für zwei Stunden eincheckt. Doch das Zimmer ist nur für uns gedacht, für meine Freundin und mich, damit wir für das Event Petra by night ein bisschen ausruhen – Djamal* bleibt mit seinem Freund unten im Aufenthaltsraum.

Doch ich bin hier oben im Zimmer alleine, denn Fran ist unten geblieben, sie hatte anscheinend beschlossen, mir den so dringend benötigten Freiraum zu geben. Ich nutze die Gelegenheit, um mir Notizen zu machen und das inzwischen ungewohnt gewordene Gefühl des Alleinseins zu genießen.

Doch bereits nach einer Stunde, die Notizen sind geschrieben und an Schlaf ist irgendwie auch nicht mehr zu denken, gehe ich wieder nach unten. Fran versucht gerade, unsere Bilder von Djamals* Handy auf den Laptop zu übertragen – Djamal* hatte uns freundlicherweise sein I-Phone zum Fotografieren überlassen.

„Es war übrigens gut, dass wir nicht mit den Männern mitgegangen sind.“ Sagt Fran und spricht damit den Vorfall in Petra mit den Beduinenführern an. Während wir nach der Besichtigung der Felsenstadt zum Ausgang gingen, sprach uns einer der Guides an, die mit Touristen kleine Führungen innerhalb von Petra machen. Der Mann bot uns an, uns, ehe die Felsenstadt schließt, zu einem Aussichtspunkt zu begeben, von wo wir anschließend das Event Petra by night hätten sehen können, ohne dafür ein Ticket zu kaufen.

Das Problem an der Sache, erklärt uns Djamal*, ist folgendes: in der Zeit, in der Zeit, in der das Gelände offiziell geschlossen hat, weiß niemand, dass wir dort sind. Niemand außer den Guides natürlich, die einen großen Familienclan bilden und dort alles kontrollieren, informell, versteht sich. „Es sind bereits junge Frauen dort verschwunden und erst nach ein paar Tagen woanders wieder aufgetaucht. Wenn sich zwischen achtzehn und zwanzig Uhr niemand mehr dort aufhält, können sie tun, was sie wollen – die Frauen schreien dann umsonst in die Nacht.“

Die wenigen Worte reichen aus, um mich erschaudern zu lassen. Wie hätten wir das nicht sehen können! Sowohl Fran als auch ich haben diesen einen kurzen Augenblick vor Augen, diesen einen Moment, in dem wir gezögert hatten, obwohl etwas in uns sagte: geht weiter. Diese Männer sind nicht gut, das sagte auch Muntja, die junge Beduinin, die wir anschließend trafen. Weder Fran noch ich sind scharf darauf, Tarek und seinen Bruder je wiederzusehen.

Wir haben noch etwas Zeit und während sich Fran, Djamal* und der Hotelbesitzer mit der Technik herumschlagen, sitze ich auf einem der Polstersitze und schaue mich um. Das Hotel hat neben dem Eingang eine Terrasse; Männer sitzen draußen, reden und rauchen und ab und zu wird einer dieser seltsamen Blicke nach drinnen geworfen. Und obwohl uns niemand wirklich anstarrt, kann ich die vereinzelten Blicke nicht einordnen, es wirkt so, als sei es ungewöhnlich, zwei Frauen alleine hier im Hotel zu sehen. Später auf dem Weg zum Auto kommt ein Junge auf mich zugelaufen. Er ist vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt. Im Vorbeigehen zischt er etwas in meine Richtung – ich verstehe nur ein Wort: Dinar – und verschwindet wieder. Mit einem seltsamen Gefühl steige ich ins Auto ein.

Unterwegs kommen wir zu meinem Glück an meiner Apotheke vorbei, denn der unterschwellige Kopfschmerz hatte soeben beschlossen, nicht mehr unterschwellig zu werden. Der Apotheker verkauft mir ein Blister Ibu für einen Preis von zwei Dinar fünfzig – das seltsame ist nur, dass er das Blister einzeln aus einer größeren Packung entnimmt. Doch die Ibu wirken und als wir wieder vor den Toren Petras stehen, ist der Kopfschmerz so gut wie verschwunden.

„Lass uns da drinnen zusammen bleiben.“ Sagt Fran zu mir, ehe wir das Gelände betreten, und ich gebe ihr tunlichst Recht. Wir wollen vermeiden, Tarek oder einen der anderen noch einmal zu begegnen, doch schon am Eingang sehen wir ihn in der wartenden Menge. Fran versucht, sich zu ducken und hinter den Wartenden zu verstecken, um seinen Blicken zu entkommen – unklug, denn erspäht hatte er sie sowieso schon längst.

Als Tarek uns erreicht, entbrennt eine heiße Diskussion. Warum sie vor ihm weglaufe, beschwert sich Tarek bei Fran; ob er uns denn etwas schlechtes getan hätte? Habe er uns denn nicht heute Mittag respektvoll behandelt? „Alle Leute gehen so mit uns um.“ Meint Tarek. „Wir tun alles für sie, damit sie hier eine schöne Zeit haben, doch danach ignorieren sie uns, als wären wir Hunde.“ Fran hätte ihn außerdem angelogen, sagt er weiter – sie habe ihm erzählt, sie sei heute Abend nicht mehr in Petra unterwegs. Und tatsächlich wollte sich meine Freundin die neue Bekanntschaft sicherheitshalber ein wenig auf Abstand zu halten.

Fran fühlt sich schuldig, versucht, sich bei Tarek zu entschuldigen. „Leute“, erzählt sie ihm, hätten gesagt, er und seine Freunde seien gefährlich. Fran redet sich um Kopf und Kragen. Ich stehe daneben und fühle mich wie in einer schlechten Soap. Warum nur, warum lässt sie sich darauf ein? Warum läuft sie nicht einfach weiter?

Für das große Finale seines Dramas holt Tarek sein Handy aus der Tasche. „Ich werde dich jetzt auf Whats App blockieren.“ Sagt er. „Denn du bist für mich nicht mehr existent.“ Ich verdrehe die Augen; es ist wie ein kitschig inszeniertes Liebesdrama, wie das Ende einer Beziehung, die nie eine solche war, denn eine glückliche Partnerschaft wartet auf Fran zu Hause in Dublin. Es ist ein bühnenreifes Stück. Der Mann zieht alle Register, um Schuldgefühle in ihr auszulösen und er hat damit auch noch Erfolg.

Endlich lässt er von ihr ab und wir gehen weiter. Doch in Frans Kopf rattert es. Vielleicht haben wir ihm wirklich Unrecht getan, überlegt  sie, vielleicht hatte er tatsächlich keine schlechten Absichten? „Du schuldest ihm gar nichts.“ Sage ich mitten in ihre Bedenken hinein. „Du schuldest ihm weder die Wahrheit, wo du dich heute Abend aufhalten wirst noch schuldest du ihm irgend eine Form von Beachtung.“

Ich frage sie, ob sie mit den Jungs heute Abend hoch zum Aussichtspunkt gegangen wäre? Nein, natürlich nicht, antwortet sie, das hätte sie niemals gemacht. Und warum nicht? Weil unser Bauchgefühl uns gewarnt hatte. Und genau das ist das Wichtigste: unsere Sicherheit. Wenn es um unsere Sicherheit geht, ist es zweitrangig, ob wir jemanden eventuell Unrecht tun, indem wir seine Absichten hinterfragen. Wichtig ist nur, hinterher nichts bereuen zu müssen. Gut, ich hätte dem Mann jetzt nicht auf die Nase gebunden, dass wir ihn für gefährlich halten, das ist nun mal etwas ungeschickt gelaufen, was solls. Doch nun sage ich ihr, dass sie loslassen soll. Sich nicht mehr schlecht zu fühlen braucht.

„Wir sind hier bei Petra by night, genieße es!“

Bereits auf dem Weg in den Sik sind hunderte Kerzen aufgestellt worden, links und rechts ist der sandige Pfad gesäumt durch unzählige, flackernde Lichter. Wir versuchen, uns nach Möglichkeit an die Menschen vor uns zu halten; einerseits gefällt mir die Idee, hier langsam entlang zu schlendern, doch andererseits wollen wir uns nicht zurück fallen lassen. Die Menschengruppe verteilte sich entlang des Weges und bildet nun kleine Grüppchen. „Wir wollen uns nicht von den anderen entfernen.“

Die Lichter der Stadt verschwinden langsam hinter uns. Felsen, so silbrig, dass sie beinahe weiß erscheinen, heben sich ab vom dunklen, nächtlichen Himmel. Wie anders ist es jetzt, in der Nacht, wie anders fühlt sich die Luft an. Wie verzaubert erscheinen die Klänge, als wir den Sik mit seinen hohen Felswänden betreten. Die vielen Kerzen beleuchten die steilen Wände, oben hängt der schwarze Spalt des Himmels über unseren Köpfen. Ich würde diesen Moment am liebsten in die Länge dehnen, doch ich bin auch neugierig, was uns in der Felsenstadt erwartet. Petra, erleuchtet mit tausend Kerzen – wie schön muss das sein!

Vor dem Schatzhaus angekommen bleiben wir erstmal beeindruckt stehen – nur um dann zügig weiter getrieben zu werden. Der gesamte Platz ist mit Papierlaternen erleuchtet, deren Schein auf die mächtigen, in den Fels gehauenen Säulen fällt.

„Nicht stehenbleiben, weiter gehen! Yallah, yallah!“ Ruft ein großgewachsener Beduine und dirigiert die Menschen mit barschen Rufen weiter, sich doch endlich mal einen Sitzplatz zu suchen. Das erinnert mich sehr an das Treiben einer Kamelherde und mir kommt der leise, gehässiger Gedanke, dass die Organisatoren wohl eher den Umgang mit Herdentieren denn mit Gästen gewohnt sind. Wir setzen uns in den Sand und warten, denn es strömen noch weitere Gäste auf den kleinen Platz. Die kühle Luft der Nacht mischt sich mit einem leichten Geruch von Kameldung und ich muss daran denken, wie viele Tiere hier tagsüber ihre Haufen verteilt haben… doch nun ist alles sauber, der Platz scheint gekehrt worden zu sein.

Als dann alle sitzen, wird frisch aufgebrühter Tee durch die Reihen gereicht. Der große Beduine, der soeben die Menschen auf ihre Plätze trieb, richtet sich nun zu seiner vollen Größe auf und versprüht mit einem Male einen gastgeberischen Charme, während er die Besucher willkommen heißt.

Ein großer Hund läuft die Reihen ab und schnüffelt an einigen Taschen herum. Er scheint sich für das Essen darin zu interessieren. Wir machen ihm unmissverständlich klar, dass unser Fladenbrot nur uns gehört.

Nach einer Ansprache und einer kurzen Geschichte folgt ein Flötenspiel, das in der Nacht ertönt wie ein wahr gewordener Traum von einem Djinn. Gut, die vielen Menschen unterbrechen immer mal wieder die Magie auf die eine oder andere Weise und auch das Geraschel der Alufolie mit dem eingepackten Essen bricht ein wenig den Zauber. Aber das haben Massenveranstaltungen so an sich: es ist voll und immer ist irgend einer am reden oder am essen. Doch nach und nach beruhigt sich der Platz und jeder lauscht der Musik. Am Ende des Spiels wird das Schatzhaus in bunten Farben angestrahlt – dies ist das große Finale.

Zwischendurch sehen wir Tarek nochmal. Zweimal läuft er an unserer Reihe vorbei und da wir gleich am Mittelgang sitzen, entdeckt er uns natürlich sofort. She is here, sagt jemand zu ihm und er schaut zu uns rüber. Zu Fran. Und wenn Augen imstande sind, Hass zu versprühen, so fiele mir in diesem Augenblick wirklich kein besserer Vergleich ein, um seinen Blick zu beschreiben. Da hat sie sich etwas eingebrockt mit dem verschmähten Liebhaber, der nie einer war – außer vielleicht in seiner Fantasie.

Die Vorstellung ist beendet. Jetzt dürfen die Besucher aufstehen und nach Belieben herumlaufen und fotografieren. Das ganze Arrangement erscheint mir zeitlich insgesamt etwas zu kurz geraten, ich habe mit einer längeren Show gerechnet. Die Beleuchtung des Schatzhauses empfinde ich als übertrieben: grelle Farben wechseln einander ab, rot, blau, pink und lila sollen wohl für den besonderen Flair sorgen.

Wir versuchen, uns nicht von Tareks Blicken stören zu lassen, doch irgendwann sehen wir ihn wieder vor uns. Es entbrennt eine Diskussion, und wieder versucht Fran vergeblich, Tarek zu beschwichtigen. Doch dieser hat scheinbar schnell begriffen, dass Frans Schuldgefühle das einzige sind, was ihm weiterhin einen festen Platz in ihrem Kopf sichert, und so denkt er nicht einmal daran, die Entschuldigung anzunehmen. Wieder muss ich die Augen verdrehen – ich hätte diesem Menschen gar nicht erst all die Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt, so wie die geduldige Fran das jetzt tut.

„Weißt du, was dein Problem ist?“ Ruft er ihr beim Weggehen hinterher: „Dein Problem ist, dass du niemandem vertraust! Geh mit ihr“ – hier zeigt er auf mich – „mit ihr ist es sicher. Mit mir ist es gefährlich.“ Dann verschwindet er mit einem wütend-verletzten Blick und übersieht dabei vollends, wie sehr er sich zum Affen macht. Zumindest in meinen Augen.

„Lass uns nicht daran denken.“ Sagt Fran schließlich. Sie will das Event in Erinnerung behalten, nicht die kleine, unschöne Zwischenszene mit Tarek. Doch für mich wird beides prägend sein, denn durch nichts lerne ich besser als durch solche zwischenmenschlichen Begegnungen. Sind sie nun schön oder nicht, jede diese Begegnung ist eine Lektion für sich, jede davon gehört zu einer Reise dazu. Jede solche Begegnung sagt mir ein bisschen mehr aus über die Menschen, über das Land: die guten Menschen, die weniger guten und der immerwährende Konflikt, ob das Misstrauen, das wir manchmal spüren, berechtigt ist oder nicht.

Doch – und daran habe ich mich immer gehalten – es ist besser, zu misstrauen als bereut zu haben. Denn was im besten Falle bleibt, ist ein schlechtes Gewissen und die Ungewissheit ob des eigenen Handelns. Und damit wir uns richtig verstehen: wenn ich vom Misstrauen spreche, spreche ich nicht von einem pauschalen Generalverdacht, der gegen alle Menschen gerichtet ist, die einem begegnen. Nein, ich spreche von diesem deutlichen, jedoch undefinierbarem Bauchgefühl, das einem just in dem Moment überkommt, wenn eigentlich alles in Ordnung zu sein scheint. Ich spreche von dieser irrationalen Angst, die ohne Vorwarnung auftaucht und sich nicht erklären lässt. Darf ich vorstellen: es ist deine Intuition, die zu dir spricht. Etwas in dir sagt nein. Hör darauf.

Als wir den mit Papierlaternen erleuchteten Weg entlang durch die Felsenkluft zurück gehen, beschleunigt Fran immer wieder ihren Schritt. Wir haben Angst, Tarek und seine Freunde könnten auf die Idee kommen, uns zu folgen und wir wollen so dicht wie möglich bei den anderen bleiben. Doch unsere Sorge bleibt unbegründet, uns folgt niemand.

Langsam tauchen die Lichter der Stadt wieder auf. Am Feld entlang des Weges höre ich Musik, höre Pferde und Reiter, doch obwohl ich meine Augen anstrenge, zu sehen ist nur tiefe Dunkelheit. Einer der Reiter hat anscheinend ein Radio dabei.

Ein Stückchen weiter merken wir, dass wir uns zu früh in Sicherheit meinten. Wieso sollten die Männer uns auch folgen, wo es hier doch nur einen Ausgang gibt. Und an diesem Ausgang sind sie plötzlich wieder da und laufen dann wie zufällig neben uns. Fünf sind es nun, wenn ich richtig zähle.

Draußen auf der Straße steht ein Fahrzeug der jordanischen Polizei und instinktiv will ich darauf zulaufen, doch Fran entdeckt Djamal* und beschleunigt ihren Schritt in die andere Richtung. Also folge ich ihr. Djamal* steht am Auto zweihundert Meter weiter. Die Männer sind immer noch dicht neben uns.

„Ist das euer Fahrer? Ist das der Mann, der euch gesagt hat, dass wir gefährlich sind?“ Fragt Tarek und zeigt auf Djamal. Nein, sagt Fran; nein, sage ich. „Seid ihr euch da sicher?“ Die Frage ist obligatorisch, natürlich wissen die Männer genau, dass Djamal* uns vor ihnen gewarnt hat. Die Frage ist nun, ob es sich für sie lohnt, vor den Augen der Polizei einen Kampf anzuzetteln. Sie wägen ab. Als wir in den Wagen steigen, sagt Tarek laut mit Blick auf Djamal*: „Er kann nur froh sein, dass ich Respekt vor älteren Menschen habe.“

Ja, denke ich mir, und gefährlich bist du wohl auch nicht, wie?

„Das sind für mich nur Schwuchteln.“ Wir sind inzwischen losgefahren und haben die Gruppe Männer hinter uns gelassen, dunkle Straßen ziehen nun an uns vorbei. Djamal* ist die ganze Zeit über ruhig geblieben, doch nicht aus Angst, wie er uns jetzt erklärt. „Wir haben noch einen weiten Weg vor uns und es ist spät. Ich hätte mich mit ihnen anlegen können, doch das hätte mit der Polizei geendet. Und ich wollte nicht Stunden eurer Zeit verschwenden.“

Diese Jungs, sagt er, sind stark in der Gruppe. Sie seien keine Beduinen; es seien Zigeunerfamilien, die früher bei Aquaba gelebt hatten. Man hatte sie nach Petra umgesiedelt, damit sie sich um die Touristen kümmern und ein Einkommen haben, und seitdem haben die Familienclans dort mehr oder weniger Narrenfreiheit. Sie tun, was sie wollen und die Behörden greifen nicht durch. „Vieles läuft hier nicht so wie es sollte.“

Völlig übermüdet höre ich ihm zu. Das, was eben passiert ist, hat Spuren hinterlassen, ein negatives Gefühl, welches dabei ist, sich in einer Mischung aus Widerwillen und Angst hineinzufressen. Diese Männer, so erzählt er, verdingen sich als Guides und überlassen es ihren Frauen, den Souvenirhandel zu betreiben; auf diese Weise haben sie selbst genügend Zeit, um Touristen herumzuführen und hübschen Mädchen hinterher zu rennen, während ihre Mütter, Frauen und Schwestern an Souvenirständen stehen. Auch der schwarze Kajal, mit dem sie ihre Augen betonen, habe nichts mit der Beduinentradition zu tun: sie wollen damit einzig nur den Girls gefallen. „Wie gesagt, es sind keine richtigen Männer für mich.“ Ereifert sich Djamal*. „Richtige Männer lassen ihre Frauen nicht arbeiten, damit sie selbst auf Mädchenfang gehen können und richtige Männer schminken nicht ihre Augen, um den Mädchen zu gefallen. Für mich sind es Schwuchtel.“

Mir fällt auf, bei dieser und auch bei anderen Gelegenheiten, dass das Wort „Schwuchtel“, der abfällige Begriff für einen homosexuellen Mann, sehr oft in Jordanien verwendet wird; in erster Linie, um jemanden zu bezeichnen, der in den Augen der Jordanier kein „ganzer Mann“ ist. Wie wichtig es ist, ein „ganzer Kerl“ zu sein, ein Ehrgefühl zu haben und für seine Familie zu sorgen, das höre ich hier immer wieder heraus. Und noch etwas merkt man ganz deutlich: Homosexualität steht hier nicht sehr hoch im Kurs.

„Außerdem“, sagt Djamal*, „wenn sie versucht hätten, uns etwas zu tun, hätte ich mir zu helfen gewusst. Ich habe hinten eine Waffe im Auto…“

*Name geändert

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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2 Kommentare

  1. Wolfgang Langer sagt:

    Guten Tag . Der Bericht über Petra ist sehr gut geschrieben . Ist seit längerer Zeit ein Traum von mir , 71 Jahre , dort hin zu Reisen
    Lieben Gruß Wolfgang Langer

    1. Guten Abend, Wolfgang!

      Die Felsenstadt ist sehr beeindruckend und Jordanien ein stabiles, sicheres Reiseland. Da sich das aber auch schnell ändern kann, hatte ich mich entscheiden, die Reise zeitnah anzugehen. Die Massen an Touristen, die Petra früher besuchten, sind geschrumpft und der Tourismus ist aufgrund der instabilen Situation der umgebenden Länder im Vergleich zu früher um 70-80 Prozent zurück gegangen. Wenn du das Land gerne sehen willst, ist jetzt ein ziemlich guter Zeitpunkt dafür. ?

      Lg Kasia

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