Enthält unbeauftragte Werbung (aber sowas von…)
Meine Zeit in Polen neigt sich langsam dem Ende zu, und so starten meine Mutter und ich eines Tages etwas, das wir allgemein „die Große Versorgungstour“ nennen. Hierbei werden Lebensmittelläden abgeklappert und all das eingekauft, was ich mit in die schöne, neue Wahlheimat nehmen will – und was es dort so in der Form eventuell nicht gibt.
Und dabei ist Zurückhaltung meine Sache nicht, was man bereits an meiner Shoppingtour in Chemia, dem Drogerieladen der Stadt, gesehen hatte, als ich mit einer schweren Tasche und einer ratlosen Mutter nebendran das Geschäft verließ.
Die „Große Versorgungstour“ dient nur äußerlich dem Befriedigen niederer Grundbedürfnisse wie Hunger oder dem Wunsch nach Pflege. In Wirklichkeit ist es eine Methode, das Heimweh zu stillen und durch Geschmäcker, Gerüche und Bilder, durch all das, was es hier gibt, ein Bisschen von dem Gefühl mit nach Hause zu nehmen. Und auch, neue Dinge auszuprobieren, denn die einfachsten Grundnahrungsmittel unterscheiden sich hier und dort zum Teil enorm. Ich vertrat seit jeher die Maxime: will man ein anderes Land richtig gut kennenlernen, so sollte man nicht an seinen Sehenswürdigkeiten, sondern in seinen Supermärkten anfangen. Hier fließen gelebte Kultur, Gewohnheiten und Sitten zusammen, hier erkennt man Vorlieben der Leute, Traditionen und Trends. Hier sieht man, wie sie ticken, worauf sie stehen. Und es ist ein Rausch für die Sinne, in erster Linie für den Geschmack.
So stehe ich fast zwanzig Minuten am bestens ausgebauten Wodkaregal, wo es die unterschiedlichste Quengelware gibt (Wodka als Quengelware? Das kann nur mir einfallen…). So etwa Kirschwodka, Kaffeewodka, Kirsch-Schokolade-Wodka, Wilde Waldbeere-Wodka. Karamellwodka, Rauchwodka (mit Holzkohle gefilterter Wodka, rauchig im Geschmack). Und natürlich unser traditioneller Zubröwka, der Wodka mit dem Bison-Grashalm. Auch hier gibt es verschiedene Nuancen, von klar bis golden.
Auch die Fleisch- und Wursttheke stellt mich vor die Herausforderung, nicht alles kaufen zu können. So viel wie möglich, so wenig wie nötig. Oder war das umgekehrt? Wie dem auch sei, bei Gänse-Pflaumen-Pastete und Kirschschinken schlage ich zu. Und habe im Hinterkopf die Tatsache, dass mir mein Onkel Krakauerwurst mitzubringen versprochen hat.
An der Kühltheke geht das Dilemma weiter. Ich entdecke Kondensmilch. Nein, nicht was ihr denkt. Sie ist in Tuben abgefüllt, dickflüssig und sehr süß und es gibt sie in verschiedenen Geschmacksrichtungen wie Schokolade, Erdbeere, Vanille. Gedacht war sie eigentlich für den Kaffee, doch sie wird gerne einfach so als Snack vertilgt; die praktische, biegsame Kunststofftube erleichtert fleckenfreien Genuss, zum Beispiel am Strand.
„Haben wir alles?“ Fragt meine Mutter. Ich denke schon, denn beim Bäcker waren wir bereits auch. Von den leckeren, süßen Stückchen in den örtlichen Konditoreien habe ich euch bereits berichtet, so hin und wieder und zwischendurch. Unser Küchentisch zu Hause biegt sich schon vor diversen schmackhaften Teigerzeugnissen. Noch mehr will ich nicht kaufen, denn „wer soll das essen?“, zudem besteht Gefahr, dass mir das Zeug auf der Heimreise schmilzt und pappig wird (ihr wisst schon, die Glasur, hmm…).
Doch meine Mutter treibt indessen eine andere Sorge um. „Wie nehmen wir das alles mit?“ Fragt sie mich besorgt mit Blick auf meine Wodka-Eskapaden, denn diverse bunte Flaschen sind bereits in unserem Einkaufswagen gelandet. Das Zeug sieht aus wie bunte Limonade, macht sich sicher schön in der Minibar im heimischen, deutschen Wohnzimmer. „Das geht schon.“ Antworte ich und beuge mich kurz vor, denn ich habe schon wieder eine neue Sorte entdeckt.
Vielmehr drängt sich mir die Frage auf, wie ich das alles im Kofferraum über die Grenze transportieren kann, ohne als Alkoholschmuggler auffällig zu werden. Es sind nämlich nur bestimmte Mengen erlaubt, doch welche das sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Unbequeme Informationen erfolgreich verdrängen, ja, das kann ich. Zunächst einmal will das Zeug nach Hause geschafft werden, neben all dem Fleisch und Lebensmitteln, die den Korb bis zum Rand befüllen. Wir sind nämlich nicht mit dem Auto da. Es war geplant, „nur ein paar Kleinigkeiten“ zu erstehen, doch wie das so ist…
„Das schaffen wir nicht!“ Meine Mutter ist verzweifelt, während ich draußen vor dem Supermarkt tapfer anfange, die vielen, bunten Flaschen in meinen Rucksack und eine weitere, geräumige Einkaufstasche zu verstauen. Das geht schon, sage ich beschwichtigend. Die schweren Sachen nach unten, mit den leichten die Lücken auffüllen und die zerbrechlichen wie etwa Eier ganz nach oben. Am Ende ächzen die Nähte unter dem Gewicht. Ich ziehe den Rucksack an. Manometer!
„Komm, lass mich die Tasche nehmen.“ Sagt meine Mutter. Wo denkst du hin, ich kann doch meine Mutter nicht schleppen lassen. Wer saufen will, muss auch tragen können (oder hieß es: arbeiten?). So sprinte ich los und durch die Stadt, beladen wie ein Packkamel, während meine Mutter langsamen Schrittes hinter mir her läuft. Unterwegs begegnen mir wieder diese verständnislosen „Hat sie ihr Auto verkauft?“-Blicke. Zu Fuß gehen ist hier nicht so in. Noch immer.
Als wir zu Hause alles auspacken, freut sich mein Herz. Ich weiß, dass ich ein kleines Stück aus der Heimat mitnehmen kann. Zumindest solange, bis es schließlich irgendwann aufgegessen ist…
Hier ein paar weitere Eindrücke unserer Shoppingtour:
Liebe Kasia,
hahaha, mit dir möchte ich bei Euch mal auf Einkaufstour gehen. Kaffee- oder Schokoadenvodka, wusste nicht, dass es das gibt. Klingt gut. Und all die anderen Leckereien, au weia.
Ich glaube, man könnte mich rollen, wenn ich da länger bliebe.
Liebe Grüße
Renate
Liebe Renate,
ja, es gibt bei uns ein paar tolle, ausgefallene Sachen. Aber ich denke, jedes Land hat so seine Spezialitäten. Die vielen Wodka-Sorten, da bin ich auch jedes Mal begeistert. Und mach dir keine Sorgen, nach eine- bis zwei Wochen Polen-Diät könnte man jeden rollen… 😉
Liebe Grüße
Kasia
Liebe Kasia,
danke für den Heißhunger den ich jetzt bekommen habe! Wie machst Du das mit den Kalorien, also diesen kleinen Biestern die Nachts die Hosen enger nähen 😉 ? Ich rede mir immer ein das ich von den thailändischen Essen immer abnehmen will. Haha, funktioniert nicht! Wie würde es mir wohl bei Euch ergehen?
LG Reiner
Lieber Reiner,
also, bei uns nimmst du garantiert nicht ab. Dafür ist die typisch polnische Küche einfach zu reichhaltig. Und für „Neulinge“ hat sie auch viel zu viele leckere Sachen zum Probieren parat. Nachdem ich wieder in Deutschland war, gab es Diät. Ganz eisern. Ich habe die kleinen Biester gezwungen, die Hosen wieder weiter zu nähen 😉
Liebe Grüße
Kasia
Na, da habt ihr ja wirklich ordentlich zugeschlagen 😂! Aber ich verstehe dich: letztendlich nimmst du nicht irgendein Lebensmittel oder Gesöff mit, sondern ein Stück Heimat. Enjoy!
Objektiv gesehen habe ich feststellen müssen, dass die Tuben mit der Kondensmilch extrem süß schmecken… aber was soll’s, das Stück Heimat wird nicht infrage gestellt 🙂
Das war eine Shoppingtour 🙂 Ihr Koffer ist wahrscheinlich voller Leckereien, die Sie nach Ihrem Besuch in Polen genießen können. Wenn ich die Bäckerei sehe, werde ich ganz schwach….. 😉 Ai ai ai diese Kalorien 🙂
In meinem Koffer und in meinem Kofferraum waren lauter leckere Sachen drin 🙂 und die Kalorien, wem sagen Sie das… ich habe mindestens zwei Kilo zugenommen…
Na vielen Dank, jetzt habe ich Hunger!
Faszinierend, was es in Polen alles gibt, das man hier gar nicht kennt. Und umso trauriger, dass durch die internationalen Großketten immer mehr Einheitsbrei verkauft wird und lokale Spezialitäten immer mehr aussterben
Trotz der Großketten, die zugegeben immer präsenter sind, unterschieden sich die lokalen Spezialitäten von Land zu Land doch noch sehr. Vieles wird speziell nur für den jeweiligen Markt produziert, wie zum Beispiel „Großmütterchens Hausgemachtes Sauerkraut polnische Art“, gekauft in „Biedronka“, einer Großhandelskette. Nichtsdestotrotz ist es spannend, die vielen unterschiedlichen Produktwelten zu erkunden, da man damit zwangsläufig auch ein wenig die lokale Küche kennenlernt.
Dann geh einkaufen 😉 gibt es internationale Supermärkte bei dir in der Nähe? Wir hätten da in Mannheim: einen italienischen Supermarkt, einen oder mehrere türkische Supermärkte, einen polnischen Spezialitätenmarkt, einen russisch-georgisch-bulgarisch-polnischen Großmarkt, ein paar Asia-Läden, und, und, und… Is gut, ich hör ja schon auf 😉
Kann ich nachvollziehen – als ich in Italien war, hab ich mir leckere Kaktusfrüchte mitgebracht – also das was übrig war….da konnte ich nicht widerstehen. Aber Mangels Verpackung haben die im Flugzeug ganz schön gelitten – trotzdem noch lecker.
Es gibt Dinge, die möchte man am liebsten konservieren, zusammen mit dem Urlaub selbst 😉
Ach ja….es schmeckt meistens auch nie so gut wie im Urlaub.
Das ist wahr, das ist mir auch schon aufgefallen. Irgendwie schmeckt es zu Hause genauso, aber ohne den Urlaubsflair ist Wein bloß Wein, Schinken bloß Schinken… vielleicht sollte ich beim nächsten Mal wirklich nicht so viel einkaufen 😉
Hahaha – nein, nein. Das kannst du eh nicht steuern. Da ist ein Schalter im Hirn, der da die Logik ausschaltet.
Und dich nach dem nächsten greifen lässt… ich weiß. Es ist wie Weihnachten und Ostern zusammen 🙂
Oh ja…..blinkende Häschen und wir folgen
Blinkende Häschen habe ich noch nicht gesehen, aber ich folge trotzdem meinem Kaufrausch 😉
Wenn ich im Ausland bin – total. Aber auch wenn ich mal in einem Laden bin, in dem wir nicht so oft kommen….da kann ich tief eintauchen..
Ich kann mich noch an das sagenhafte Sushi erinnern, frisch zubereitet und überaus schmackhaft, gegessen in einem Supermarkt in… Namibia 🙂 Tja, so kanns gehen…
Hahaha – wie genial.
Menno, jetzt hab ich Hunger und Durst. Obwohl ich die Dinge alle nicht kenne, sehen sie doch überaus köstlich aus. Vielleicht sollte ich mal Urlaub in Polen machen.
Und dann unbedingt den nächsten Supermarkt ansteuern 😉 Es war auch alles überaus köstlich, mein Urlaub bestand wirklich fast nur aus essen. Nach der Rückkehr gab es Diät, Diät, Diät… Ansonsten ist Polen ein wunderschönes Land, ich kann es sehr empfehlen.
Ich habe schon Berichte über Polen gesehen und glaube dir sofort, dass es dort viel zu entdecken gibt.
…und es ist nicht weit weg, man kann theoretisch sofort den Koffer packen 😉
Ich bin ja nicht so der Alkohol-Fan, aber für solch einen Windbeutel mit Sahne gefüllt, würde ich schon einiges stehen lassen 😊
Liebe Grüße
Roland
Ja, der Beitrag ist, für mich wenig überraschend, etwas alkohollastig geworden 😉 Aber lass dir sagen, die Windbeutel, die Eclairs und die Kuchenstückchen sind eine Wucht 😉
Liebe Grüße
Kasia
Kaffeewodka klingt spannend… ich liebe ausländische Supermärkte! Und ich liebe es mir dort etwas „Urlaub für daheim“ zu kaufen. Damit meine ich nicht nur Kaffee – ich habe in Deinen Einkaufskorb natürlich den Anatol Mocna entdeckt, auch wenn das Getreidekaffee ist – sondern auch lokale Spirituosen, Gewürze, Tütensuppen oder Oliven, was man halt so braucht, um Urlaubsgefühle zu wecken. Unsere Einkaufskörbe dürften dabei durchaus ähnlich bestückt sein, wobei das, was ich Urlaub nenne, bei Dir Heimat heißt.
Ach, Heimat, Urlaub… bei mir vermischt sich irgendwie beides und das, was „Heimat“ ist, ist aufgrund der recht seltenen Besuche fremd und aufregend genug, um als Urlaub zu gelten. Der Kaffeewodka (ist mehr eine Art Likör…) hat sich zu Stefans Lieblings-Gutenachttrunk entwickelt 🙂 Ich bleibe bei Wein, die ganzen bunten Flaschen stehen da für den Fall, dass Freunde kommen. Und ich muss gestehen, den Getreidekaffee habe ich auch noch nicht geöffnet, Schande über mein Haupt. Irgendwie ist die Begeisterung für derlei Produkte vor Ort größer als anschließend daheim. Ich weiß nicht, warum das so ist…
Ich glaube, ich komme mal nach Mannheim und probiere ein paar von den bunten Flaschen. .D
Die gibt’s in Mannheim leider nicht zu kaufen 😉
Ist schon irre was es inzwischen alles in Polen gibt, ein Schlaraffenland gegen früher, als ich dieses schöne Land, vor über 30 Jahren zum ersten Mal besuchte.😊
Tolle und sehr interessante Eindrücke, Dankeschön dafür!
Liebe Grüße von Hanne
Liebe Hanne, sehr sehr gerne 😉 Es sind immer wieder die Unterschiede, die ich so faszinierend finde. An das Polen vor über dreißig Jahren habe ich leider nur wenig Erinnerung, wenn es um die Lebensmittel geht; vor allem auch, weil wir vieles selber hergestellt und nur das Notwendige eingekauft haben. Die Einmachgläser meiner Oma stehen noch immer im Keller…