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Sehnsucht nach woanders

„Wenn du irgendwo auf dieser Welt leben könntest – eine Zeit lang oder auch für immer –, wo wäre das?“

Früher… ja, früher wäre ich bei dieser Frage wohl ins Schwärmen gekommen. So viele schöne Orte hat diese Welt zu bieten. So viele, dass ein ganzes Leben nicht ausreicht, um sie alle zu sehen. Schon oft hatten wir Pläne, Stefan und ich. Wenn wir irgendwo neu gelandet waren und uns eine Insel oder ein einsames Fleckchen Erde in seinen Bann gezogen haben. Unsere Fantasie malte Bilder und wir sahen es bereits vor uns, die Zeit, wenn wir hier blieben und von jetzt an bis in alle Ewigkeit an diesem Ort, in dieser Zeit leben könnten. Den Moment des gerade empfundenen Glücks für immer einfrieren, ja, wäre das nicht herrlich?

Denn so fühlt sie sich an, die Sehnsucht nach „woanders“. Die Sehnsucht nach fernen Zielen, nach Orten, die Ruhe und Glück versprechen. Jagen wir nicht alle nach dem Glück? Suchen wir es nicht stets, immer und überall?

Einsam, ja, abgelegen und einsam sollte er sein, dieser Ort. Da sind wir uns einig. Ob nun die Namib-Wüste in Namibia, wo es über eine holperige Piste kilometerweit bis in die nächste Stadt geht. Wo alleine die Auffahrt von der Grundstücksgrenze bis zu den Behausungen fast einen Kilometer lang ist. Wo es nichts gibt und alles erkämpft und erarbeitet werden muss. Wo die Wüste in ihrer Stille ihre eigene Musik erklingen lässt und die Sonne zwischen den Kameldornbäumen sinkt wie ein feuriger Tropfen Blut.

Ruhig, ruhig und beschaulich sollte es sein, wie damals auf Bonaire, wo sich weite Strände und raue Küsten abwechselten, wo rosarote Flamingos in den Salzlagunen siedelten und in der Nacht der Himmel in tausend hellen Sternen erstrahlte. Wo am Abend nach Einbruch der Dunkelheit lautlose Blitze in der Ferne den Himmel durchzogen und mir Stefan ins Ohr flüsterte: „Das ist Venezuela.“ Wo der Cocktail am Nachmittag wie ein süßes Versprechen schmeckte, das Versprechen zum Nichtstun.

Auch hier gerieten wir ins Schwärmen, auch hier schmiedeten wir Pläne. Taten unsere Begeisterung kund, so laut, dass meine Arbeitskolleginnen bereits zur Hälfte damit rechneten, mich nie wieder zu sehen. Doch so kam es nicht.

Denn auch hier – es blieb beim Schwärmen.

Wo möchte ich leben, wenn ich die Wahl hätte? Wo möchte ich leben, wenn ich dort, wo ich leben möchte, leben könnte? Doch kann ich es nicht? Habe ich nicht die Wahl? Entscheide ich nicht selbst über mein Leben und habe ich mich denn nicht entschieden?

Ich begann, nachdenklicher durch die Welt zu gehen. Wacher, und mit aufmerksamen Blick. Begann, zu unterscheiden, was Schwärmerei ist und was Wirklichkeit, begann, zu begreifen, dass der Alltag überall Einzug erhält. Dass der Alltag auch die schönsten Farben der Erde und des Wassers mit der Zeit verblassen lässt. Begann, zu sehen. Das Leben der Menschen als das wahrzunehmen, was es ist. Es ist keineswegs Idylle, es ist und bleibt ein Kampf. Ob hier, oder überall anders auf der Welt. Warum sonst sollten die Menschen solch schöne Orte verlassen wollen?

Wir können das Leben nicht hinter uns lassen. Wir können uns eine schöne Umgebung aussuchen, doch können wir uns niemals aus der Verantwortung stehlen. Irgendwo wird es immer weiter gehen, überall auf der Welt und auf sehr ähnliche Weise. Das Leben ist das Leben, und Reiseromantik ist Reiseromantik. Ich stehe auf Reiseromantik, sehr sogar. Ich liebe es, mit verklärten Augen und glasigem Blick, vor Glück jauchzend, durch die Welt zu gehen. Und als bekennende Pragmatikerin weiß ich, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Ich lebe bereits dort, wo ich leben möchte. Hier in Deutschland, in Mannheim, mit allem, was es mit sich bringt. Und ich muss sagen, dass ich glücklich bin. Ich möchte nirgendwo anders leben. Und wenn ich irgendwo anders hätte leben wollen, dann wäre ich nicht mehr hier. Dann würde ich alles in Bewegung setzen, um mein Ziel zu erreichen. Wir haben die Wahl; ich habe die Wahl. Und ich habe gewählt.

Dieser Beitrag nimmt teil an der Aktion „Momentaufnahmen #14“ von Aequitas et Veritas. Alle zwei Wochen sucht sich die Autorin eine Frage aus ihrem Tagebuch heraus und lässt uns grübeln. Es hat, wie immer, viel Spaß gemacht, vielen Dank!

Und dann, ja, dann gibt es Menschen, die tatsächlich so einen Sehnsuchtsort im Kopf und im Herzen tragen und die genau wissen, wohin sie gehen würden. Wie dieser Ort aussehen, sich anhören, schmecken und riechen würde. So wie Tom in seinem wunderschönen Text: Toms Kaffee-Moment: woanders. Für Tom heißt dieser Ort Korfu…

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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27 Kommentare

  1. Es ist schön, wenn mensch seinen Traumort gefunden hat .. die anderen Ziele sind dann für das temporäre Glück 🙂

    1. Es muss ein Ort sein, der auch ohne die rosarote Brille gefällt. Die ziehe ich dann für das Reisen in die Ferne an 🙂

  2. Ach, Kasia, was für ein schöner Text! Kluge Worte gelassen ausgesprochen, hingeschrieben. Genauso sieht es wohl aus: wir haben (fast) immer die Wahl. Und wenn wir unseren (wechselnden) Schwärmereien vom Leben an anderen, vermeintlich schöneren Orten letztendlich doch nicht nachgegeben haben und es beim Reisen dorthin belassen haben, dann ist das eben auch eine Entscheidung. Eine, die Bände spricht.

    1. Richtig. Die Voraussetzungen müssen stimmen, nicht nur das Ensemble. Wie sagt man bei uns, einmal Monnem, immer Monnem 😉

  3. Danke für die erneute Erwähnung…

    1. Gerne 🙂

  4. […] Aufmerksam auf diese zweiwöchentliche „Challenge“ wurde ich durch einen Beitrag meine Blogger-Kollegin Kasia von Windrose.Rocks. Dort heißt es: „Alle zwei Wochen sucht sich […]

  5. Schöne Gedanken, die man sich merken sollte….

    1. Vielen Dank, Rudi 🙂

  6. Toller Beitrag!
    Ich finde es auch wichtig, den Unterschied zwischen Urlaub und Wohnen zu erkennen. Man unterschätzt oft das, was man hat. Ich bin am Bodensee aufgewachsen und habe die Vorzüge erst dann wirklich erkannt, als ich mal mehrere Jahre woanders gelebt hatte

    1. Vielen Dank!

      Bei dir scheint es nochmal anders gewesen zu sein. Du hast die Probe aufs Exempel gemacht und hast wirklich woanders gelebt. Oft unterschätzen wir unseren Wohnort, das stimmt. Manchmal braucht es einfach die andere Erfahrung.

  7. ich stelle fest, Mannheim ist ja gar nicht so weit von Frankfurt weg.

    1. Nö, nur eine Stunde mit dem Auto zum Flughafen… wenn ich auf die Tube drücke und Sonntagmorgen ist, dann nur vierzig Minuten *hüstel*

  8. […] muss sagen, Kasia hat es wirklich auf den Punkt gebracht: Ich lebe eigentlich schon in dem Land in dem ich leben […]

  9. Dummer Weise weiß ich recht genau, wo dieses woanders liegt… Korfu!

    1. Und wirst du diesen Wunsch irgendwann in die Realität umsetzen?

      1. Wenn ich das Geld (oder dort einen Job) hätte, jederzeit!

  10. Ja – so ähnlich wird meine Antwort auch ausfallen.
    Du hast es wieder sehr gut erfasst.

    1. Dankeschön. Es erstaunt mich immer wieder, wie viele Menschen trotz der allgemeinen Reisesehnsucht doch ganz zufrieden sind mit ihrem Wohnort und mit ihrer Heimat, mit ihren „places to be“… 🙂

      1. Ja – ich hätte es auch nicht gedacht – aber nachdem wir uns intensiv mit Auswandern, Weltenbummeln beschäftigt haben, war uns auch klar – wohl fühlen wir uns eigentlich wo wir sind…nur andere Lokation.

        1. Manchmal braucht es das Reisen, um in der Heimat anzukommen 😉

          1. sagt:

            Ja – gut ausgedrückt.

  11. Ein schöner Text 😊
    Mir geht es so ähnlich; es gibt wunderschöne Ecken in der Welt – aber ob ich dort auch leben will?
    Liebe Grüße
    Sabine

    1. Vielen Dank dir 😉 Bei all der Schönheit ist immer auch ein Bisschen Verklärung mit dabei. Und wenn wir uns mit wachem Blick umsehen, stellen wir oft fest, dass auch wir in einer schönen Gegend wohnen (spekuliere ich einfach mal…)

      Liebe Grüße
      Kasia

      1. Also ich auf jeden Fall 😊

  12. Ach, das ist ja schön, wenn du dort glücklich bist, wo du lebst!

    1. Vielen Dank! Ich mag mir all die schönen Orte zum Schwärmen aufheben, manchmal ist es nicht so gut, jeden Aspekt seiner Traumziele kennen zu lernen, das kann entzaubernd wirken 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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