Rzeszów, Polen nach Skopje Скопје – Google Maps
In Skopje scheint uns das Wetter hold. Wo uns im Kosovo die Wolkenfront erreichte und die kalte Luftfront warme Kleidung erforderte, sind in Nordmazedonien die Temperaturen unerwartet gestiegen. Wir übernachten am Rande von Skopje in einem kleinen, blumengesäumten Haus. Es ist ein idyllischer Vorort, wo Eicheln von den Bäumen auf die Terrasse fallen und sich an jeder Ecke kleine wie große Katzen tummeln. Die Katzen beherrschen das Bild an diesem frühen Morgen. Sie trollen sich zusammen, miauend um Fresseinheiten bittend, oder gehen weiter entlang ihrer Katzenwege. Manch eine kommt neugierig auf die Neuankömmlinge zu. Gosia ist in ihrem Element. „Kitku!“ Ruft sie beim Anblick der Fellknäuel begeistert aus.
Mit Vorliebe halten sich die kuscheligen Pelzträger jedoch unter parkenden Autos auf, weshalb Gosia und ich dazu übergegangen sind, vor jedem Start das Auto auf Katzen zu überprüfen.
„Was schleppst du den schweren Rucksack mit dir herum!“ Wie immer, wenn wir unterwegs sind, versucht mein Onkel auch in Mazedoniens Hauptstadt, sich an meinem Rucksack zu vergreifen. Ungehört bleiben meine Einwände, dass meine Siebensachen wie Wasser, Jacke oder Geld am besten da rein passen. „Dann mach doch alles bei mir rein.“ Wirft Tomek ein. „Du hast uns doch alle als Packesel da.“ Der Vorschlag ist durchaus ernst gemeint und so verteile ich mein Hab und Gut auf die Rucksäcke der Männer auf. Weil erstens: die Dame in Polen nichts schweres trägt, sind Herren anwesend und zweitens, wenn, dann höchstens ihre Handtasche. Die liegt in Deutschland und dort liegt sie gut. Es ist jedoch einfacher, den Vorschlag anzunehmen als zu diskutieren. Gefühlte fünf Kilo leichter marschiere ich mit den anderen los und schon fühle ich das fehlende Gewicht auf den Schultern.
Skopje. Eine überaus helle, freundliche Stadt, voll von dem, was meine Familie mag: repräsentativer Bauten und Sehenswürdigkeiten. Bereits in der Fußgängerzone werden die Bronzestatuen in Beschlag genommen. Geduldig mache ich Aufnahmen von meinem Onkel mit einem Stier, den er bei den Hörnern packt.
Es findet, wie ich nachlese, so etwas wie ein Honig Festival statt. Marktstände mit abgefüllten Honiggläsern sind entlang der Fußgängerpassage aufgebaut. „Honeyland“, Land des Honigs heißt die nordmazedonische Doku, die eine in den Bergen lebende Imkerin bei ihrer Arbeit begleitet. Diese Dokumentation wurde für zwei Oskars nominiert. Nordmazedonien ist für seinen Honig bekannt; es sind nicht die ersten Verkaufsstände, die wir auf unserem Weg sehen.
Einmal mehr begegnen wir Mutter Theresa. Eine große Bronzestatue erinnert daran, dass Skopje die Heimat der verstorbenen Ordensschwester ist. Ihr Geburtshaus wurde 1963 bei einem Erdbeben zerstört, doch ein Gedenkhaus erinnern heute an sie, eine Mischung aus klassisch und modern, mit einem Kreuz auf einer Glasfassade. Die Nordmazedonier sind inzwischen stolz auf ihre Nobelpreisträgerin, doch es war nicht immer so. In Zeiten des Sozialismus war alles Religiöse ein Störfaktor, der entfernt werden musste.
Wir wandern weiter. Der Andrang an Touristen hält sich in Grenzen, nicht jedoch die Anzahl an Souvenirläden und Magneten, was unser Fortkommen erheblich verzögert. Zudem es auch viel zu schauen gibt. Die Architektur. In diversen Berichten überschlagen sich die Autoren damit, von „historischem Kitsch“ (der Spiegel) oder einem „Beschwören der Antike“ (jetztzeit blog) zu berichten. Die Regierung investiert hohe Summen in eine Neugestaltung der Stadt. Und nun, da ich unvoreingenommen und ohne jegliche Vorstellung durch dieselbe spaziere, verstehe ich die Aufregung nicht. Das End(?)ergebnis kann sich sehen lassen, in Nordmazedoniens Hauptstadt jagt ein sehenswertes Gebäude das andere. Weiße Bauten strahlen am dunklen Himmel, an dem sich düstere Gewitterwolken auftürmen. Wasserbrunnen, aus denen Löwenköpfe rangen, eine Statue Alexander des Großen. NDR schreibt von „Neuem Barock“. Bei dem Erdbeben 1963, das so schrecklich war, dass sogar Vergleiche mit Kriegsgebieten herangezogen werden, wurden rund 80 Prozent der Stadt zerstört. Trotz des damaligen Eisernen Vorhangs arbeiteten zum ersten Mal Amerikaner und die Sowjets gemeinsam, Rettungsmissionen wurden entsandt.
Jetzt erhält Skopje ein neues Gesicht. Nach einem Architekturwettbewerb wurde ein japanischer Architekt, Kenzo Tange, mit der Neugestaltung beauftragt. Die damalige Stilrichtung wird als eine Mischung aus Modernismus und Brutalismus bezeichnet, und auch seitdem entwickelt sich die Stadt weiter, ist ein Zeichen der Hoffnung für die Menschen, der Solidarität und Hilfe. Einige Überreste des „alten“ Skopje wurden erhalten, wie die Bahnhofsuhr, die im Augenblick der Erschütterungen, um fünf Uhr siebzehn, stehen blieb.
Skopje erfindet sich neu und greift die Erinnerung an antike Paläste und Tempel in seinem Stadtbild wieder auf. Soweit völlig legitim. Es sollte vielleicht erwähnt werden, dass die Verschönerungsmaßnahmen von 2014 rund 500 Mio. verschlungen hatten statt der vorausgeplanten 80. Bis jetzt. Und auch, dass die Annäherung an die Geschichte der Antike durchaus etwas mit dem Namensstreit mit Griechenland zu tun haben könnte. Gleichzeitig versucht man, mit dem Projekt etwas Schönes zu erschaffen und in der ethnisch bunt durchmischten Bevölkerung so etwas wie eine nationale Identität und Zugehörigkeit zu wecken. Aufgrund der unüberschaubaren Kosten wurde das Projekt „Skopje 2014“ in der aktuellen Regierungsdekade jedoch gestoppt.
Mein Onkel hat große Augen und wir genießen unseren Spaziergang, der uns in langsamen Tempo (die Magnete!) hinaus aus dem Stadtzentrum und hinauf zur Festung führt.
Festung Kale
Unser Tempo wird nicht schneller, da Jacob einen vernichtenden Magen Darm Infekt entwickelt hat. Wie ein Schatten seiner Selbst schleicht er hinter uns her und sucht ständig Erholung an Bänken und Mauervorsprüngen. Auf die über der Stadt aufragende Festung schaffen wir es dennoch, Schritt für Schritt. Der Name der Festung lautet eigentlich „Skopsko Kale“, wobei „Kale“ für „Festung“ steht. Wenn wir also von der Festung Kale sprechen, bedeutet das in kundigen Ohren nicht mehr als „Festung Festung“. Irgendwie charmant, nicht wahr? Dann doch lieber „Festung von Skopje“ sagen, wie es ein Unkundiger tun würde – und dabei läge er mit „Skopsko Kale“ vollkommen richtig.
Die Festung markiert, wie zu erwarten, den höchsten Punkt der Stadt. Seine Geschichte beginnt irgendwo in den Tiefen des 6 Jahrhunderts n.Chr., doch die ersten Besiedlungsspuren stammen bereits aus der Bronzezeit. Es waren Bulgaren unter dem Zaren Samuel, die sich hier niederließen. Im Osmanischen Krieg wurde sie zerstört und diente fortan als Kaserne. Eine umfangreiche Renovierung gab es um 1700, von da stammt auch das heutige Antlitz des Bauwerks.
Die Festung ist für jedermann zugänglich, so bewegen wir uns entlang der Festungsmauern und erhaschen hier und dort einen Blick auf die unter uns liegende Stadt. Viel gibt es nicht zu sehen, das Areal wirkt verlassen; nur wenige andere Touristen verirren sich mit uns hierher. Manche Wege sind gesperrt, so kann man nicht einmal um die mächtige Mauer herum gehen. Als wir nach diesem Pflichtprogrammpunkt wieder herunter zum Stadtzentrum kommen, klart das Wetter auf und der Himmel schenkt uns ein paar aufreißende Wölkchen und ein Bisschen Sonne. Was die weitläufige, helle Bebauung, die Wasserspiele und die vielen Statuen erst richtig zur Geltung bringt. Wir verbleiben noch ein wenig, ruhen uns aus. „Skopje gefällt mir gut.“ Sagt mein Onkel und auch ich bin begeistert. Und blende die nicht wohlmeinenden Artikel über architektonischen Kitsch aus. Skopje ist schön in meinen, des Betrachters, Augen.
Hätte gar nicht gedacht, dass Skopje so nett ist. War bisher nicht auf meiner Liste, aber nun schon. Danke!
Gerne. Das meiste, was man dort sieht, ist relativ neu und die Anlehnung an Alexander den Großen und die ganze Ahnenmythologie wird in der Presse zwar zerrissen, aber ich mags 🙂
Wenn du schon in Nordmazedonien sein solltest, würde ich Ohrid besuchen. Ein schöner Ort, dort kann man gleich zwei bis drei Tage bleiben.
Mal wieder ein toller Bericht von Dir.
Vielen Dank 🙂
Ha! Erste! Habe eben deinen Beitrag gelesen und gleich spontan mal nach Direktflügen von Berlin nach Skopje geschaut 😁. Gibt’s tatsächlich! Nicht selbstverständlich, denn wir sind ja nicht in Frankfurt oder München …
Ja, die Stadt wäre wohl auch nach meinem Geschmack. Sollen Der Spiegel und Co. doch schreiben, was sie wollen. So „erleichtert“ durch die Stadt zu laufen, hatte bestimmt auch was, auch wenn es auf durchaus altmodischen Moralvorstellungen der männlichen Begleiter beruhte 🤣.
Liebe Elke, Skopje ist eine schöne, entspannte Stadt. Es ist immer besser, sich selbst ein Bild zu machen. Direktflüge, tatsächlich? Das hätte ich nicht gedacht 😉
Erleichtert, na ja… ich habe meine Sachen schon gerne bei mir. Aber was Gutes hat der männliche Beschützerinstinkt ja, vor allem wenn es um schwere Wasserkästen geht… oder Einkäufe… Koffer… oder wenn die liebe Kasia wieder einmal den „Treibstoffvorrat“ im örtlichen Supermarkt plündert *ähm*
Ja, für irgendwas sind sie schon gut, die Jungs 🤣.
Na, na, na, ein bisschen mehr Wertschätzung wäre schon angebracht …
Ja. Du hast Recht. Tschuldige. Also. Mit großer Wertschätzung gebe ich bekannt, dass die Jungs zu irgend etwas schon noch gut sind.
So besser? 😉
Huh, ich stelle gerade fest, das hat ja die Elke geschrieben, nicht ich… puh, nochmal Glück gehabt. Also, Elke, wie kannst du nur 😉
Ein weiterer sehr schöner und interessanter Blog Kasia. Ich wusste nicht, dass dein Partner so ein mutiger Stierkämpfer ist, LOL
Vielen Dank, Rudi. Ich werde dein Kompliment an meinen Onkel weiter geben. Mein Partner war bei dieser Reise nicht dabei 😉