Lanzarote, Mai 2022
Lanzarote liegt nur rund 140 Kilometer westlich der marokkanischen Küste und ist circa 1000 Kilometer vom spanischen Festland entfernt. Was sagst du, Wikipedia, wo wir denn gerade sind? Ist es Spanien? Ist es Afrika? Weder noch. Die Kanarischen Inseln haben ihre eigene Identität, ihren eigenen Charakter. Das werden wir im Laufe dieser Reise herausfinden.
Doch eigentlich geht es hier um Urlaub. Um ziemlich entspannten sogar. Endlich einmal eine Urlaubszeit, die nicht von Mühen und Anstrengungen geprägt ist. Eine, in der man einfach nur sein kann. In der es trotzdem viel zu sehen gibt, wir es aber entspannt angehen werden. Alles kann, nix muss (gilt nicht nur beim Dating).
Unser Flug geht an einem Sonntag; am Flughafen erwartet uns erstaunlich gut gelauntes Personal. Auf die nicht ganz ernst gemeinte Frage nach Waffen, die von einem Grinsen begleitet wird, erwidert Stefan etwas von seiner „Bananen-Glock“. Das wiederum zieht eine längere Kontrolle nach sich, doch seine Frühstücksbanane darf er am Ende behalten.
Wir verlassen das semi-gute, deutsche Wetter, der Flieger erhebt sich über die Wolken. Wie im Kaleidoskop zieht die spanische Landschaft unter uns vorbei. Ein kariertes Muster aus grünen und beige-braunen Feldern, Flusstäler, in die Erdkruste gemeißelte Berge. Eine zweite Tui-Maschine düst mit Karacho an uns vorbei. Die Wolken sind verschwunden, auf uns wartet eine sonnige Zeit.
Der Flug ist kurz. Nach nur 4,5 Stunden erreichen wir den Flughafen in Arrecife. Bereits im Ankunftsbereich zeigt Lanzarote, was es zu bieten hat; eine Bilderwand und eingearbeitete Lavasteine inklusive. Sofort umgibt uns Wärme, die Jacken wandern in den Koffer. Ein angelegter Kakteengarten, Sonne, Papageien. Warmer Wind, wie damals auf Aruba. Ein Gefühl nach Urlaub. Wir holen unseren gemieteten Wagen, einen Suzuki Vitara, ab und fahren durch eine karge, vulkangeprägte Landschaft zu unserer Unterkunft auf Zeit. Weiße Häuser leuchten wie Farbflecke an dunklen Hügeln und Hängen.
Es ist später Nachtmittag/früher Abend und ich dränge darauf, doch mal einkaufen zu gehen, damit wir später nicht wieder raus müssen. Doch zunächst treffen wir unseren Vermieter. Unsere Finca bei La Asomada liegt etwas abseits im Inland, und diese Lage werden wir schon bald zu schätzen wissen. Stefan gibt die Adresse ins Navi ein. Wir verlassen die Hauptstraße, dann verlassen wir etwaige asphaltierte Straßen und fahren auf löchrigem Schotter weiter. Es ist windig; der heiße Luftzug bringt Staub und Sonne mit sich. Als wir aussteigen, zerrt der Wind an Haaren und Kleidung. Ich halte die Wagentüren schön fest und achte penibel darauf, dass ja kein Finger dazwischen kommt.
Dann warten wir. Und bewundern die von Blumen umrankten Fincas. Eine davon wird die unsere sein. Robin taucht auf, ein entspannter Typ, der wie hierher zu gehören schient, und nimmt uns, von der Anfahrt und vom Berufsleben gestressten Deutschen, in Empfang. Das Leben auf Lanzarote scheint entspannter, langsamer zu laufen, und das werden wir in den kommenden Tagen zu spüren bekommen. Wir werden unsere funktionsorientierte Kleidung gegen lockere tauschen, den gestressten Gesichtsausdruck gegen gesunde Bräune. Ich tausche meine gut sitzenden Haare gegen eine zerzauste Mähne. Und irgendwann, nur wenige Tage später, werde ich mich fragen: was, wenn ich einfach nicht zurück käme? Wenn die Sonne sanft die vulkanischen Hügel der schwarzen Landschaft formt, die allgegenwärtige Wärme zu einem immerwährendem Zustand der Relaxation führt, werde ich mich fragen: was, wenn ich hier bliebe? Einfach aus der Welt verschwände? Die Welt kann ohne mich – und ich kann wohl auch ohne sie.
Die Finca ist liebevoll eingerichtet und an und für sich schon eine Sehenswürdigkeit. In warmen Orange gehaltenen Wände harmonieren mit dem Rest der Einrichtung wie den ausladenden, bequemen Sesseln und den antik wirkenden, schweren Kleiderschränken. Die Wände sind schief und krumm und die Türbögen quasi-oval, doch all das wirkt, als hielte man sich in einer von einem Künstler entworfenen Höhle auf. Schlingpflanzen suchen sich ihren Weg in Richtung Sonne. Wir legen unsere Sachen ab und lassen uns von Robin auf einen Rundgang entführen.
Zu der Finca gehören drei Katzen. Eine von ihnen sitzt forsch mitten im Weg und holt sich ihre Streicheleinheiten ab. Mit dieser alten, getigerten Katze werden wir uns noch ziemlich gut anfreunden und Stefan – zu diesem Zeitpunkt weiß er das freilich noch nicht – wird sein Herz an sie verlieren.
Das Gebäude besteht aus mehreren Ebenen – es erscheint mir falsch, hier von Etagen zu sprechen. Die Finca kann mehrere Parteien beherbergen, ohne auch nur im Entferntesten den Eindruck einer Bettenburg oder Pension zu vermitteln. Über mehrere Ebenen hinweg zieht sich ein üppiger Garten; in einem Schuppen steht ein Wäscheständer mit Handtüchern herum. Wir tauchen ein und sind umgeben von Blumen. Blühende Kakteen, Glücksbäume von ungeahnter Ausmaße, überdimensionale Aloe-Pflanzen, Feigen, Pfeffersträucher. Liebe Grüße an alle, die mich dorthin wünschten, wo der Pfeffer wächst – es ist schön hier.
Der Garten erfordert Pflege und ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, erklärt uns Robin. Zudem muss jeden Tag von Hand gegossen werden. „Früher haben wir das nicht gemacht, doch während Corona hatten wir genug Zeit dafür. Und man hat den Unterschied gemerkt.“ Wir fühlen uns wie in den Garten Eden versetzt. Die Katzen folgen uns unauffällig.
Robin ist auf Lanzarote aufgewachsen. Seine Eltern kamen in den 90er Jahren aus Deutschland hierher, kauften die Finca für verhältnismäßig wenig Geld und richteten sie her. Seit dieser Zeit hat sich der Tourismus auf Lanzarote weiter entwickelt, das Objekt wäre nun einiges wert. Doch niemand hier denkt ans Verkaufen. Wie auch. Ein so schönes Zuhause würde auch ich nicht hergeben wollen.
Bei Weinchen und Zigarre
Zum Abend hin verliert die Sonne ihre Härte, Konturen werden weicher. Das Licht lockt aus der Landschaft etwas Märchenhaftes hervor. Sanftes Pastell dominiert den Himmel und lässt die Luft über der See dunstig erscheinen. Bald wird das letzte Licht hinter den Hügeln verschwunden sein. Doch bevor wir unsere gemütlichen vier Wände genießen können, gibt es noch etwas zu erledigen: das leidige Einkaufen. Um es uns so einfach zu machen wie möglich, steuern wir den nächstgelegenen Lidl an. Am Parkplatz wundere ich mich über die Mentalität der Menschen hier. Sie sind so… entspannt, haben eine Lockerheit an sich, die ich mir zu Hause öfter mal wünschen würde. Einerseits parken sie kreuz und quer den Parkplatz zu, wie es dem einzelnen gerade in den Sinn kommt. Andererseits – einer solchen Höflichkeit und Zuvorkommenheit bin ich selten begegnet. Jeder ist freundlich zu jedem, hilfsbereit, keiner drängelt oder ärgert sich. Wieso auch. Es ist warm, das Wetter ist schön, das Leben ist schön. Lanzarote macht es uns einfach, es zu lieben.
Mit Obst, Milch, Käse und einer Flasche hiesigem Weißwein bewaffnet kehren wir in unser Zuhause zurück. Die Katzen warten bereits vor den Türen und spekulieren darauf, in die Wohnräume gelassen zu werden. Leider haben sie die Rechnung ohne uns gemacht und müssen draußen übernachten. Doch die Zeit reicht noch für ein paar Streicheleinheiten, denn wir lassen den Abend auf der Terrasse ausklingen. Natürlich wird die Weinflasche geköpft. Und eine Zigarre. In der Ferne tobt eine wilde Brandung. Ein Sturm zieht auf, ein trockener Sturm, der über die Insel fegt. Wir sitzen geschützt draußen in unserer wohnlichen Bucht. Hier, zu unserem versteckten Plätzchen, dringt kaum ein Lüftchen vor. Mollig warm und entspannt ist es, während draußen der Wind tobt und Sand aufwirbelt. Perfekt, um die Augenblicke ausklingen zu lassen.
Wolken, die wie ein Wurm über die Berggipfel kriechen. Ein Himmel, der leuchtet, als wäre ein Vulkan ausgebrochen. Na ja, streng genommen hocken wir ja auf einem. Das letzte rosafarbene Licht erlischt, doch noch immer ist der Wind warm und das Rauschen des Meeres nah.
Ich muss mal was klarstellen meine Liebe :), mich hat man an der Kontrolle schon herausgezogen. Erst als der Typ mit spitzen Fingern die Banane aus dem Rucksack geholt hatte, habe ich forsch und frei das mit der Glock erwähnt.
Hallo Kasia,
dein Bericht über Saudi-Arabien hat mir sehr gut gefallen. Das waren trotz allem Strapazen. In Lanzarote wartet wohl das Gegenstück (zumindest lässt das dein Bericht erwarten). Stefan wird es auch mehr gefallen, weil die Temperaturen angenehmer sind. Was macht sein Rücken?
Liebe Grüße
Harald
Hallo Harald,
lieben Dank, dass du fragst 🙂 Der Rücken ist unverändert, aber wir haben inzwischen herausgefunden, dass Stress die Schmerzen verschlimmert. Was hilft, ist Tiefenentspannung und Wärme, insofern hast du Recht: Lanzarote war entspannter und auch Stefan ging es hier gesundheitlich viel besser. Der Urlaub war sehr gediegen 😉
Hallo Harald, um so trockener und wärmer um so besser ist es. Jetzt hier im deutschen Winter sterbe ich jeden Tag tausend Tode. Danke der Nachfrage 🙂
Ach, wie wunderbar! Nachdem ich deinen stimmungsvollen Bericht gelesen habe, ist meine Vorfreude nun noch größer. Denn in genau zwei Wochen sitze ich im Flieger nach … ja, wohin wohl 😎? Freue mich schon auf weitere Berichte von dir.
Was, ihr fliegt nach Lanzarote? Na das ist ja ein Ding… Dann lies mal fleißig mit, damit du weißt, was dich erwartet 😉
Ich fliege solo 😎. Ja, ich werde gebannt an deinen Texten und Fotos hängen! Eure Wohnung in der Finca – das hatte ich eben in meinem Kommentar irgendwie vergessen zu schreiben – sieht übrigens richtig klasse aus. Ich wohne direkt in Arrecife, weil ich von dort aus verkehrstechnisch am besten angebunden bin.
Ja, die Finca war ein Traum. So kreativ eingerichtet. Und erst der Garten.
Wie wirst du dich auf Lanzarote fortbewegen, mit Öffis?
Genau. Die Öffis müssen her. Alternativ mal ein Taxi oder Uber (falls es das dort gibt).
Hm, da kann ich leider nicht helfen. Aber du machst das schon 😉
Das denke ich auch 😁.
Schicke Friese! Bei dem Wind hat Stefan Vorteile 😄
Na ich weiß nicht, er friert schneller am Kopf 😉
Ja genau 😀
Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt auf Lanzarote, der Vulkaninsel schlechthin und einem Mekka für Segelflieger 😉 Ich selbst habe Teneriffa auch besucht, aber das war im Jahr 1980. Auch sehr schön und grüner (allerdings auf der einen Seite der Insel). Gruß Rudi
Vielen Dank. Lanzarote ist eine Top-Location für alle Sportarten, die irgendwie mit dem Wind zu tun haben, Segelfliegen, Surfen uns. Und auch für Wanderer gibt es aufregende Strecken. Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit dort verbracht.
Ein toller Ort. Da kommt man ins Träumen.
Ein ruhiger, aber nicht zu ruhiger Ort, wirklich perfekt für uns.