Afrika, Senegal

Blumenmarkt von Dakar

27 Dezember 2022

In der Wüste soll es laut unserem Guide nachts „kalt“ werden, er erzählt uns etwas über 17 Grad. Plus, versteht sich. Die Menschen hier sind ausnahmslos verfroren; beim Bierchen trinken gestern Abend am Strand hatte unser Kellner bereits gefröstelt. Bei nachweislich 23 Grad. Plus. Bei solchen Temperaturen taut die deutsche Seele erst auf, doch alle Versuche, ihm das zu vermitteln, haben einen erstaunten Blick und Unverständnis zufolge.

Morgenstimmung

Morgens um 5:30 ist die Nacht vorüber. Es ist dunkel, alles ist noch still. Auf leisen Sohlen packen wir um. Es geht mit leichtem Gepäck ins Wüstencamp, die Wüste Lompoul wartet auf uns. Unser Frühstück fällt opulent aus; Milch und diverse Säfte werden von der Hausdame auf einem Tablett hereingetragen. Großzügig übersehe ich das kleine Schäbchen, dass sich verlaufen hatte und verstohlen hinter einer der Flaschen verschwindet – Stefan hatte es nicht bemerkt. Es gibt frischen Kaffee, frisch gebackenes Brot, eine Auswahl diverser Marmeladen – und für die deutschesten unter uns sogar Nutella. Wir fühlen uns fürstlich bewirtet.

Als Stefan draußen rauchen ist, stelle ich mich dazu. Stille Augenblicke vor der schweren, stets verschlossenen grünen Holztür. Ein leerer Weg, Katzen spielen auf den Mülltonnen herum. Noch sind sie ungestört, ihre Nacht ist kaum vorüber. Ein von einem Esel gezogener Wagen fährt vorbei. Ein alter Mann in langem, weißen Kaftan zieht seine morgendlichen Runden zur Fuß um die Häuser. Noch sind die Touristen fern, die Welt erwacht. Milane ziehen unaufhörlich ihre Kreise am fahlen Himmel, halten Ausschau nach Beute.

Umständlich ziehe ich beide Koffer hinter mir her. Stefans Bandscheiben, ihr wisst schon. Währenddessen hat mein Liebster Zeit, die herumtrollenden Katzen zu betrachten. Schritt für Schritt erreichen wir den Fähranleger, es sind dreihundert Meter, wir haben noch viel Zeit. Ein Müllwagen sammelt am Strand die Überreste gestriger touristischer Aktivitäten auf. Es ist ein einfacher Holzwagen, von einem Esel gezogen, wie sie zu Tausenden durch Senegal fahren. Zwei Räder und eine Tragefläche, mehr braucht es nicht. Die Angestellten des örtlichen Reinigungsdienstes sind an ihrer grünen Kleidung erkennbar. Aufgestellte Mülltonnen werden geleert, lange, graue Müllsäcke stapeln sich.

Am Fähranleger sind wir alleine; lediglich eine alte Senegalesin findet sich mit uns zusammen ein. Sie platziert sich mit ihren bunten Röcken auf einem Hocker ganz vorne am Steg und schaut mal auf uns, mal auf das Meer hinaus.

Die Pirogen sind längst alle draußen, die Fischer hantieren mit ihren Netzen in der Nähe des Ufers, die Boote schaukeln am Horizont auf und ab. Hinter ihnen, in der nebulösen Ferne, sind größere Kutter zu sehen. Eine Katze schläft zusammengerollt in diesen frühen Morgenstunden. Der Reinigungsdienst hat seine Arbeit getan, verlassen liegt der Strand nun da. Hinter den Häusern der Insel geht milchig und dunstig die Sonne auf.

Milane kreisen über unseren Köpfen. Trauen sich tief hinab in der morgentlichen Einsamkeit. Vielleicht gibt es zu dieser Stunde besonders viel Fisch zu erbeuten. Ganz nahe fliegen sie an unseren Köpfen vorbei, ziehen lange Kreise. Unter ihren langgezogenen Rufen vollführen sie Akrobatik in der Luft.

 

Mit der Fähre aufs Festland

Nach und nach treffen die Fahrgäste. Ein elegant gekleideter Mann mit einem schwarzen Koffer, vermutlich Angestellter oder Geschäftsmann in der Stadt. Wo wir uns auf eine von Tau nasse Fläche gesetzt haben, zieht er wissend sein Stofftaschentuch heraus und trocknet seinen Sitz ab. Er nutzt diese Verbindung zu dieser Stunde nicht zum ersten Mal.

Fähre Gorée-Dakar

Verkäuferinnen, die Waren dabei haben. Ein paar Touristen, ansonsten sind nur Bewohner von Gorée zu sehen. Diese erste Fähre ist halb leer, wir haben viel Platz und freie Platzwahl. Sonnenerleuchtet taucht die Skyline von Dakar links vor uns auf, ihre wenigen Hochhäuser strahlen im Licht. Ein Gastanker steht unbeweglich vor dem Hafen der Hauptstadt und über den Häusern zieht sich eine schmutzig gelbe Glocke aus Staub und Smog am Himmel entlang. Man nimmt sie wahr, wenn man von draußen kommt; in der Stadt selbst wundert man sich nur über den Hustenreiz. Die Erklärung haben wir direkt vor der Nase. Aus einem der Schornsteine am Hafen schießt eine pechschwarze Wolke geschossen und löst sich nur langsam in der Luft auf. Diese schwarzen Ausdünstungen sind auch im Straßenverkehr zu sehen, wenn ein altes Auto, dem jegliche Filtervorrichtungen fehlen, laut tuckernd an uns vorbei fährt. Schwarzer, giftiger Qualm, und er ist allgegenwärtig.

Doch das macht nichts, denn arbeitet man bei einer der globalen Unternehmen, schließt man damit automatisch eine Krankenversicherung mit ab. Diejenigen, die nicht das Glück haben, einen der Jobs zu ergattern – und das sind viele – zahlen für ihre Behandlung aus der nicht vorhandenen, privaten Kasse. Doch die meisten der einfachen Leute gehen zum Kräuterheiler oder in eine Kräuterapotheke, erzählt uns unser Guide tags zuvor. Solcher Kräuterapotheken sind fast an jeder Ecke zu sehen.

Die Wolke aus Smog macht mir kurz Sorgen. Dann fahren wir hinein und alles ist wie immer. Draußen am Fährhäuschen wartet Mamadou auf uns. Fast wäre ich an ihm vorbei gelaufen und fast hätte ich ihn nicht erkannt, denn er hat seinen Kaftan gegen legere Kleidung und seine Sandalen gegen festes, geschlossenes Schuhwerk getauscht.

 

Der Blumenmarkt von Dakar

Der Blumenmarkt mit seiner verschnörkelten, kolonialen Halle wurde zu Zeiten der holländischen Besatzung errichtet, damit die Holländer ihre geliebten Tulpen aus der Heimat handeln konnten. Wir stellen uns zunächst auf eine erhöhte Stelle, von wo wir die Halle mit ihrer Architektur gut überblicken können und Mamadou erzählt uns von einem großen Brand, als die Halle im Innern nur noch Schutt und Asche war und die Händler ihre Waren lange Zeit unter freiem Himmel verkauften. Erst viel später wurde der Markt wieder aufgebaut und wird bis heute genutzt. Doch glücklicherweise beschränkte sich die Zerstörung nur auf das Innenleben des Gebäudes; die äußere Hülle blieb bis zum heutigen Tage in originalem Kolonialstil erhalten.

Heute jedoch bietet die Halle Waren des täglichen Bedarfs für die Bevölkerung; Blumen gibt es hier nur dem Namen nach. So wundere ich mich zur Beginn, dass ich vor allem große Mengen an Obst und Gemüse und Gewürze sehe, zudem trockenen Fisch und Fleisch, auf dem Fliegen wandern. Es ist früh, viele der Händler sind noch dabei, ihre Waren herzurichten. Es stapeln sich säckeweise Bohnen, Zwiebeln und Knoblauch, zum Verkauf bereit. Die Halle ist kühl und schattig, eine willkommene Abwechslung zu der bereits jetzt, zur frühen Uhrzeit aufsteigenden Hitze des Tages.

Wir zwängen uns zwischen Ständen, Verkäufern und Käufern hindurch; es ist eine Herausforderung, alles in uns aufzunehmen und zugleich vor die Füße zu schauen. Doch das ist bitter nötig, um nicht über Schläuche, irgendwelche Kabel oder Unrat zu stolpern oder in einer der nassen Rinnsale unbekannter Herkunft zu treten. Stefan hingegen ist in seinem Element, als er die Gewürzstände inspiziert. Hier wird nicht hart gehandelt – zumindest nicht spürbar für unseren Geldbeutel. So wandert ein zufriedener Koch mit einer Tüte voll exotischer Zutaten von dannen. Und ich spekuliere insgeheim auf frisch zubereitete, senegalesische Gerichte nach unserer Rückkehr.

Ich versuche, jeden, der es eiliger hat als wir, vorbei zu lassen und komme mir in den engen Gängen wie ein touristisches Verkehrshindernis vor. So bin ich auch erleichtert, als wir den Blumenmarkt verlassen und wieder nach draußen ins Freie treten.

Und da: unter einem der Freiluftstände in der hintersten Ecke an die Wände der Halle geschmiegt entdecke ich sogar zum Verkauf stehende, bunte Blumengebinde. Die Händlerinnen schauen mürrisch, als ich ein Foto machen will.

Fünf Minuten später. Wir warten. Mamadou ist an einem Kiosk verschwunden und ich schlendere die Straße entlang, immer penibel darauf achtend, mich nicht zu sehr von Stefan und unserem Guide zu entfernen. Vielleicht sind die Bedenken übertrieben (ganz sicher sogar), doch dies sind unsere ersten Tage in diesem Land und weder Stefan noch ich können Senegal wirklich einschätzen. Eine ganze Wand samt Garagentor, voll behängt mit geschnitzten, hölzernen Masken zieht mich magisch an. Es gibt sie groß und klein, mit einem leicht verstaubtem Charme wie damals in Kathmandu, doch sobald sich der Verkäufer nähert, suche ich eilig das Weite.

„Der Verkaufsverhandlungen gehören dazu, man muss sich dafür Zeit nehmen.“ Die Worte Mamadous klingen mir noch im Ohr. Doch gerade jetzt fühlt es sich nicht nach Zeit für Verhandlungen an. Wir wollen weiter. Und vielleicht ist es genau das: die Tatsache, bei auch nur der geringsten Interessensbekundung auf einen Erwerb der Ware festgenagelt zu werden, das so abschreckend wirkt. Ich ziehe zugleich wertvolle Lehren aus dieser Erfahrung und beschließe, diese in meinem eigenen Berufsleben zu berücksichtigen. Der Kauf einer Ware ist ein psychologischer, unbewusster Prozess. Der Mensch kauft kein Produkt, er kauft ein Lebensgefühl. Er versucht, sich eine Erinnerung an eine gute Zeit zu bewahren und ins Wohnzimmer zu stellen. Er kauft ein Image, einen Lifestyle. Man kann niemanden zu einem Kauf beschwatzen. Der Interessent muss es spüren.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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8 Kommentare

  1. So schlechte Luft trotz der unmittelbaren Lage am Meer? Krass. Die Menschen dort nehmen das vermutlich gar nicht mehr bewusst zur Kenntnis – solange sie selbst keine gesundheitlichen Folgen spüren. Die Markthalle hingegen sieht echt klasse aus. Die hätte mir wohl auch gut gefallen, egal, was gerade darin verkauft wird. Bist du denn zwischenzeitlich in den Genuss eines senegalesischen Mahls gekommen, das von Stefan höchstpersönlich zubereitet und mit den vor Ort erstandenen Gewürzen angereichert war?

    1. Ich glaube, die Luftqualität registrieren viele gar nicht mehr bzw. es ist Alltag. Für uns gewöhnungsbedürftig, da merkt man erst, wie hoch die Luftqualität in Deutschland eigentlich ist, selbst in großen Städten.

      Nein, das Mahl ist er mir noch schuldig geblieben, aber gut, dass du mich daran erinnerst – ich werde ihm gleich mal eine Whats App schreiben… 😉

      1. Ja, fordere dein Recht ein!

        1. So ist es, Männer an den Herd! 😉

  2. 23 Grad!? Herrlich!
    Wir waren gerade an der Ostsee mit 12 Grad, gefühlt wie Minus 5.

    1. Zwölf Grad an der Ostsee, das ist wirklich bitterkalt. Bei uns in Mannheim waren es gestern 26 Grad. Windfrei 😉

  3. Sehr interessant Kasia, vielen Dank und ein schönes Wochenende.

    1. Gutn Morgen. Das freut mich. Dir auch ein schönes Wochenende.

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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