Asien, Saudi-Arabien

Dschidda – Das Tor zur Mekka, die Pforte zur Welt

Die Millionenstadt Dschidda ist Dreh- und Angelpunkt für muslimische Pilger aus aller Welt. Sie ist die wichtigste Hafenstadt Arabiens; gleichzeitig verfügt sie über gleich drei Flughäfen – nicht kleckern, sondern klotzen – einen lokalen, einen internationalen und einen, der ausschließlich Pilgern dazu dient, während der Hadsch nach Mekka zu gelangen. Allein die Ausmaße des lokalen Flughafens, in dessen Empfangshalle wir gerade stehen, ist beeindruckend. Als ich hinzukomme, sind unsere Reisenden gerade dabei, ein säulenartiges, über zwei oder mehr Stockwerke verlaufendes Aquarium zu bestaunen.

Unser Flug nach Dschidda geht frühmorgens um sieben. Längst hatte ich aufgehört, auf den frühen Vogel, der mich mal kann, zu schimpfen. Aufstehen, Sachen zusammenpacken, Kaffee in den Schlund kippen und weiter geht’s. Doch ob der frühen Uhrzeit muss das Frühstück vorerst ausfallen, es gibt (noch) keinen Kaffee.

Das Aufstehen zu dieser Stunde fällt meinem Stefan etwas schwerer als mir; ich tröste uns beide mit dem Gedanken, dass wir im Flieger wohl noch etwas werden schlafen können.

Doch bis es soweit ist, geht es ein letztes Mal auf einen kleinen, lokalen Flughafen in Tabuk, von welchem aus unsere Verbindung nach Dschidda geht. Für die lustige Anekdote ist diesmal Regina, unsere Feuerwehrfrau in Ruhestand, zuständig.

Regina ist ein resoluter, direkter Mensch. Sie zaudert nicht, sie agiert. So auch jetzt, an der Damenschlange zur Sicherheitskontrolle im konservativen Tabuk. Ohne groß nachzudenken beginnt sie, ihre Taschen zu leeren. Wie wir das von unseren europäischen Kontrollen so kennen, entledigt sie sich zügig ihrer Jacke und will sich gerade ihres Gürtels entledigen. Der immer panischer werdende (männliche) Beamte bremst sie gerade noch rechtzeitig aus. „Nicht, nicht!“ Bitte lassen Sie das an! Dort an der Seite sind die Frauenräume…“

Auch ich habe das Vergnügen, zu den „Frauenräumen“ geschickt zu werden. Hier hat frau Gelegenheit, sich für die persönliche Kontrolle in aller Ruhe, ohne neugierigen Blicken ausgesetzt zu werden, ihrer Kleidung wie Schuhe und Jacke zu entledigen. Leider taten mir die ver-nikab-ten Damen nicht den Gefallen, ihren Schleier zu lüften…

Während also der Flieger in die Lüfte steigt und die Passagiere wahlweise vor sich hin dösen, werde ich euch in dieser Zeit erzählen, was es über Dschidda zu wissen gibt. Denn – unsere Guides werden nicht müde, das zu betonen – Dschidda ist anders.

Dschidda (oder auch Dschiddah, Jeddah, Jiddah, Jedda, Jidda) liegt in der Provinz Mekka am Roten Meer und ist eine der größten Städte Saudi Arabiens. Die Stadt hatte bei ihrer letzten Volkszählung 2017 rund 4,2 Millionen Einwohner; unter Berücksichtigung des aktuellen Wachstums dürften es inzwischen an die fünf bis sechs Millionen sein. Da das stetige Wachstum eine Vielzahl an Gastarbeitern benötigt, sind Arbeitskräfte aus vielen Ländern und vielerlei Religionen zugehörig hier. Das trug zur Entstehung einer multikulturellen, für saudische Verhältnisse offenen Gesellschaft bei.

Die Altstadt von Dschidda ist UNESCO-Welterbe. Sie wurde vor rund 2500 Jahren vermutlich von einem jemenitischen Stamm gegründet. Die Häuser der Altstadt wurden aus Korallengestein gebaut. Diese ausnehmend schöne Altstadt werden wir uns später ausgiebig anschauen. Aktuell steht ein Teil unserer Reisegruppe in der großen Ankunftshalle und starrt auf den beeindruckenden Mittelbereich, wo in einer tiefblauen Wassersäule Riffhaie und anderes tropisches Getier seine Bahnen zieht. Nicht nur wir Touris, auch die Saudis zücken ihre Handys. Das scheinbar halbherzig verfolgte Fotografierverbot auf saudischen Flughäfen wird hier völlig außer Acht gelassen. Wie soll man sich auch daran halten, wenn einem die Saudis eine Sensation nach der anderen vor die Nase stellen?

Nicht bei allem, was uns interessant erscheint, können wir jedoch die Kamera zücken. Wie zum Beispiel bei den Menschen, die sich, Ameisen gleich, durch die Halle schieben. Nicht einmal starren gehört sich, und dabei sehen und erfahren wir Spannendes und Neues.

Dschidda ist das Tor zur Mekka. Muslime, die sich auf Pilgerfahrt befinden, sammeln sich erstmal an den Knotenpunkten der Stadt, schwappen über Flughäfen, um später auf eigene Faust oder mit einem der hunderten Shuttlebusse weiter zur heiligen Stätte befördert zu werden. Mekka ist ein Pilgerort, und Mekka ist ein Paradebeispiel für die Effizienz der umsatzträchtigen Religionstouristik. Jeder Muslim sollte in seinem Leben die Hadsch, die heilige Pilgerreise, unternommen haben. Entsprechend haben sich die Betreiber darauf eingestellt, es gibt ganze ausgearbeitete Strukturen, um ein reibungsloses Funktionieren des Ablaufs zu gewährleisten. Als wir uns tags später im Auto auf dem Weg nach Taif befinden, zeigt uns einer der Guides mit einem Wink nach rechts einen der Busparkplätze. Kilometerweit zieht sich das Gelände, klein wie Legospielzeug reihen sich hunderte der Busse aneinander. Nur kurz können wir den Blick auf dieses scheinbar riesige Areal erhaschen, ehe es wieder hinter Bäumen und Gebäuden verschwindet.

Wir sehen muslimische Männer, die sich auf Pilgerfahrt befinden. Sie kommen, wie Gott sie schuf, nur mit einem baumwollenen „Frotteehandtuch“ um die Schultern und um die Hüfte bekleidet. Bescheidenheit und Demut ist das einzige, was sie nach Mekka mitnehmen dürfen. Die Tücher sind ziemlich knapp geschnitten, daher sieht man die Männer oft dabei, an ihrer ungewohnten neuen Kleidung zu ziehen und zu zupfen. Es ist dennoch für jeden Muslim ein erhabenes Gefühl, hier sein zu dürfen und für viele ein Traum, es einmal im Leben nach Mekka zu schaffen.

Wir verlassen den Flughafen, nicht ohne ihn ausgiebig von außen bestaunt zu haben, und packen uns und unsere Siebensachen in einen Kleinbus. Während der Fahrt zum Hotel erfahren wir weitere interessante Details zu dieser Stadt.

Zum Beispiel, dass sich Dschidda mit Riad den Status der saudischen Hauptstadt teilt; sie ist sozusagen die „zweite“ Hauptstadt von Saudi Arabien. Das Königshaus und die Regierenden verbringen hier rund 3 Monate des Jahres, in Riad hingegen sieben Monate. Und die restliche Zeit? Nun, ich weiß es auch nicht…

So sehr Dschidda das Tor zur Pilgerstätte Mekka ist, ist sie auch gleichermaßen so etwas wie die Amüsierstadt der Saudis. Viele kommen hierher, um sich zu entspannen und das Leben zu genießen, auszugehen und zu feiern. Wie das möglich ist, werdet ihr euch fragen? Nun, wie wir erfahren sollen: was für andere Städte gilt, gilt nicht für Dschidda. Sie ist sozusagen das Dubai von Saudi Arabien. Die konservativen Teile der Regierung hätten schön öfters versucht, dem Treiben ein Ende zu bereiten, doch durchgreifende Maßnahmen hatten in Dschiddas liberalen Gesellschaft nicht wirklich Chancen, Fuß zu fassen. Insofern gilt: Dschidda ist anders.

Ja, Dschidda ist anders. In Dschidda gehen (ja, auch saudische) Paare händchenhaltend die Strandpromenade entlang. Nicht inflationär, aber es kommt vor. Frauen nehmen öfter ihren Nikab ab oder lassen ihn gleich ganz weg.

Wir nennen ein großes, modernes Hotel unser eigen. Die Mitarbeiter, fast ausschließlich Expats aus Asien, betreuen uns freundlich und effizient. Vom Schlafmangel gezeichnet genehmigen wir uns ein großes, üppiges Frühstück. „Wo steckst du das nur alles hin?“ Fragt mich Regina, während ich bereits mit dem dritten Teller Hummus angeschwebt komme. Ich kann nicht aufhören, das Essen zu loben und die mir noch recht wenig bekannte Küche hält immer mal wieder etwas leckeres und neues für mich bereit. Doch ich weiß genau, wo ich das alles „hinstecke“. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich es bereits – dass ich diese Reise mit zwei bis drei Kilo mehr an den Hüften abschließen werde…

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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15 Kommentare

  1. Ja, die Pracht der Bauten in arabischen Kulturen macht selbst vor Profanbauten wie Flughäfen nicht halt. Das ist mir im Oman und in den VAE auch schon aufgefallen. So ein tolles Aquarium habe ich bisher allerdings nicht dort zu Gesicht bekommen. Und bei uns in Berlin platzen die ja nach 20 Jahren, wie sich kürzlich herausgestellt hat 😱.

    Bei der Schilderung des Striptease, den deine Mitreisende da Forsch hinlegen wollte, habe ich schallend gelacht! Die Gesichter der Mitarbeiter dort hätte ich zu gerne gesehen 😁.

    Und auf Dschidda bin ich nun richtig gespannt. Ich glaube, ich lese gleich die beiden nächsten Berichte auch noch.

    1. Ja das große Aquarium wird wohl von nun an mit anderen Augen betrachtet werden. Falls sich die Geschichte mit dem Berliner Aquarium bis dorthin herumgesprochen hat 😉 Bei den Bauten denke ich mir manchmal an einen Ego-Vergleich der Golfstaaten, und vermutlich ist das nicht zu weit hergeholt…
      Also, die Mitreisende ist halt eine resolute Macher-Frau, die nicht lange Fackelt; kurzes Haar, Hosen, Hemd – zuerst wollten sie die Saudis sogar in die Männerschlange stellen 😉 kannste dir nicht ausdenken…

  2. Ich hoffe, es gibt neben den drei Flughäfen auch noch den richtigen Hafen.
    Daher und aus den Fährverbindungen übers Rote Meer kenne ich Dschidda aus älteren Reiseberichten.

    Da ich es nicht so mit dem Lufttransport habe, bleiben solche Informationen immer im Hinterkopf gespeichert. (Und dann bin ich manchmal vor Ort enttäuscht, dass die Fähren schon alle gesunken sind oder verschrottet wurden, und dass die Informationen aus dem Buch von 1927 gar nicht mehr praktisch sind.)

    1. Hm, das mit dem Hafen müsste ich wirklich mal nachrecherchieren. Ich weiß, es gab mal einen großen Fährhafen dort, aber ob das angesichts der gut ausgebauten Flugverbindungen aktuell ist…?

      1. Ich hoffe doch, dass es den noch gibt!
        Ist schließlich schon schlimm genug, dass man nicht mehr mit der Eisenbahn nach Saudi-Arabien kommt. 😔

        1. Ja, das mit der Eisenbahn hatte sich leider aus verschiedensten Gründen, ähm, erledigt 🥲 schade

          1. Ich glaube, das war die Schuld von diesem blöden Lawrence von Arabien, der mit arabischen Rebellen die Bahnlinien sprengte, um während des Ersten Weltkriegs gegen das Osmanische Reich zu protestieren.

            Wobei ich durchaus verstehe, dass man im Krieg ein paar Dinge kaputt macht, mich aber oft wundere, warum man sie danach nicht mehr aufbaut.
            Genauso bei den ganzen Oder-Brücken, die 1945 gesprengt wurden, aber 80 Jahre später noch als Ruinen in der Landschaft stehen.
            So wie hier in Guben/Gubin: https://mosereien.files.wordpress.com/2021/10/grenzbrucke-gesprengt.jpg

          2. Ich glaube, die Saudis finden Flugverkehr einfach moderner… hm…

          3. Wobei die Saudis ja auch dieser Lawrence von Arabien erfunden hat.

        2. Innerhalb Saudi Arabiens gibt es aber, soweit ich gelesen habe, Verbindungen.

          1. Oh ja, innerhalb von Saudi-Arabien fahren Züge:
            https://www.seat61.com/Saudi-Arabia.htm

  3. Mich wundert es tatsächlich, dass in Mekka beides möglich ist. Zum einen die strengen religiösen Riten und zum andere auch eine leichte Öffnung der strengen Sitten.

    Das Aquarium sieht schön aus. Wie wir zwischenzeitlcih erfahren haben kann es aber auch platzen.

    Liebe Grüße
    Harald

    1. Das stimmt, seit neusten gehe ich skeptisch an solche Attraktionen heran😅
      Die Öffnung der strengen Sitten in Dschidda hat mich ebenfalls überrascht, ich hatte mir eher Riad offener vorgestellt.

  4. Danke für den Reisebericht Kasia. Das Aquarium am Flughafen ist wirklich beeindruckend. Ein Besuch in Mekka muss etwas ganz Besonderes sein … Essen Sie nicht mehr zu viel von all diesen Leckereien, oder Sie müssen vor Ihren Flügen extra für Übergewicht bezahlen. LOL

    1. Der Hüftspeck von dieser Reise ist schon wieder runter 😉 und man lebt nur einmal. Gut, wir waren nicht direkt in Mekka, sondern sind um die Stadt herum gefahren. Beeindruckend war das trotzdem😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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