Deutschland, Europa

Traumschleife Oberes Baybachtal, Teil 1 – Über Felder und Wiesen

Das Obere Baybachtal stellt eine sanftere, dafür aber längere Strecke dar, die, wie das meiste, was ich so erwandere, mit „mittelschwer“ gekennzeichnet ist. Ich beginne die Traumschleife im Uhrzeigersinn, vorbei an Bickenbach und unzähligen Feldern.

Die Wanderstrecke fängt vielversprechend an, an hügeligen Feldern vorbei – und einem riesigen Ameisenhaufen, dessen Ausläufer sich fortsetzen, je weiter ich gehe. Nun, ich versuche tunlichst, keine Ameisen zu zertrampeln, doch die Ameisenwege führen kreuz und quer über mehrere hundert Meter über meinen Pfad. Ich sehe die kleinen Viecher, die mühsam ihren Ballast entlang des Weges, den ich gehe, transportieren. Ein toter Frosch wird von den Ameisen sauber filetiert. Hier wimmelt und wuselt es schwarz und eifrig. Ein längeres Stehenbleiben empfiehlt sich nicht, denn ich wurde bereits als Feind identifiziert. Wenn ich hier inmitten der aggressiven Schaar nicht überrannt werden möchte, sollte ich schleunigst weiter gehen.

Der erste, wunderbare Rastplatz. Nun, strenggenommen bin ich gerade erst losgelaufen, aber warum nicht? Unter einer schönen, wilden Kirsche, die bereits rot werdende, winzig kleine Früchte trägt, lasse ich mich nieder. Es zirpt und raschelt im Gras und ein ganzes Stück weiter ruht sich eine Kuhherde sitzend, liegend und wiederkäuend, teils in der Sonne, teils im Schatten, aus.

Das Wandern… was gibt mir das Wandern? Es ist nicht nur des Wanderns wegen. Der Kopf wird frei. Der Blick kann weit schweifen. Die Lungen atmen die Luft der Natur, die Ohren lauschen Geräuschen, die wir in so vielen Räumen, inmitten vom undurchdringlichen, turbulenten Dröhnen der Straßen, der Stadt, schon gar nicht mehr wahrnehmen. Wie der Wind über die Gräser streicht. Wie es überall zirpt und summt. Die Fliege, die vorbei schwirrt. Die Blätter, die sich sachte in einem unsichtbaren, zärtlichen Luftzirkel bewegen. All das vermissen wir. Für all das gibt es keinen Platz in den großen Städten. Und deshalb geht ganz Deutschland wandern. Es ist eine Sehnsucht, eine kaum zu greifbare Sehnsucht nach dem Ursprünglichen. Denn die Natur ist fest in unseren Genen verankert. Sie ist für uns wichtig. Essenziell. Sie hat uns hervorgebracht, und zu Unrecht versuchen wir, uns verbal von ihr zu distanzieren. Der Mensch und die Natur. Der Mensch gegen die Natur. Unser Einfluss auf die Natur. Nun, auch wenn manche Naturfreunde und Naturschützer das nicht gerne hören, der Mensch ist die Natur. Zugegeben, er ist ihr sehr hartnäckiger und unglaublich erfolgreicher Auswuchs, der sich gegen sie wendet, aber schlussendlich zieht ihn die Sehnsucht doch immer wieder hin.

Eine der Kühe ist aufgestanden und wedelt mit dem Schwanz die hartnäckigen Fliegen zur Seite. Zwei Wanderer weit oben auf der Weide. Sonst ist kaum jemand hier. Denn ich versuche immer, unter der Woche nach Feierabend loszuziehen, wenn ich noch Zeit habe, gegen Abend. Wenn es bereits still wird. Es ist die beste Zeit und die beste Gelegenheit. Denn dann habe ich all das für mich.

Ich höre Pferde. Sie stehen da, in einem Unterschlupf, und wiehern. Der Geist wird ruhig, das Innerste wird still. Der Kopf wird frei. Zwei Reiterinnen stürmen am Feld entlang in vollem Galopp. Es scheint, als würden die Pferde lachen. Das ist Lebensfreude, wie ich sie selten gesehen habe.

Die Kühe hingegen lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen.

Dann verlasse ich die Weiden und Felder und tauche ein in einen Hain aus jungen Haseln und Eichen. Am Wegesrand – Gebilde aus Gestein, die jemand, weiß der Himmel warum, hier platziert hat. Es geht steil aufwärts. Es zieht und brennt. Ein gutes Soforttraining für die Waden.

Die Landschaft macht einen fast mediterranen Eindruck. Vielleicht trägt auch die Hitze einiges dazu bei.

Und wieder ein schöner Rastplatz mit einem Ausblick in den Hunsrück. Ich stoße darauf, als ich mir mit reifen, wild wachsenden Himbeeren den Bauch vollstopfe. Ich sollte weiter gehen, aber der Ausblick… und die Himbeeren.

Schon öfters habe ich festgestellt, dass es entlang der Wanderrouten natürliche Verpflegungsstationen gibt, die im Spätsommer allerhand zu bieten haben. Wilde Johannisbeeren, Himbeeren, Brombeeren – und diese seltsamen, kleinen, roten Mini-Kirschen, die ich mich noch nicht zu kosten getraut habe.

Auch Rastplätze gibt es hier wahrlich genug. Man kommt fast nicht zum Laufen. Das haben die Traumschleifen so an sich. Kein Wunder, denn hier wird besonders auf die Qualität der Wanderwege geachtet, auf eine stimmige Beschilderung und genügend Rastplätze und Sitzflächen. In der Regel ist auch ein Wanderparkplatz vorhanden.

Die Wanderroute hat einiges an Abwechslung zu bieten, seien es Wiesen, durchzogen von Wäldern; ob steile Felsen oder Seen, oft ist für jeden was dabei. Und eins sind sie nicht – eintönig.

Die ausgedehnten, großzügig verteilten Himbeerbüsche verlangsamen mein Lauftempo enorm (das wird sich noch rächen, aber dazu später mehr…). Aber um die Energievorräte muss man sich schließlich auch kümmern…

Ich komme auf ein offenes Feld, bin ein wenig mit selbstverherrlichenden Selfies beschäftigt. Duckface! Endlich habe ich es drauf. Wo ist mein eigener Youtube-Kanal und die Weltberühmtheit?

Offenes Feld. Kornblumen auf riesigen Flächen. Blau, golden und blau. Getreide mit blühender Untersaat. Es ist ein Versuchsfeld, an dem ich mich gerade befinde; zur Anreicherung der Arten in der Agrarwirtschaft. Fünfzehn Arten verschiedener Kleearten, Spitzwegerich, Ringelblume und eben die Kornblumen. Die Vielfalt der blühenden Pflanzen wird erhöht, was wiederum Insekten wie Bienen anzieht und die Fruchtbarkeit des Bodens verbessert. So wird eine Zwischenfrucht nach der Getreideernte vermieden. Der Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmittel kann reduziert werden. Auch für bodenbrütende Vogelarten wie die Feldlerche wurden so optimale Bedingungen geschaffen. Das Vorhaben wird bundesweit in Zusammenarbeit mit rund 60 Landwirtschaftlichen Betrieben umgesetzt.

Und da soll jemand sagen, dass hier niemand etwas für die Bienen tut…

Heu. Überall. Es riecht nach frisch gemähtem Heu. Ein Jagdvogel erhebt sich schwerfällig von den Feldern auf der Suche nach neuen Opfern. Es zirpt und summt; Wind, Sonne und das frisch gemähte Heu. Irgendwo weiter hinten erhebt sich ein Bildstock aus den niedrigen Weizenflächen. Über dem abgemähten Feldern kreist der Falke, zieht langsam seine Bahnen wie ein Vorbote schlechten Omens.

Den Besuch des Bildstockes spare ich mir, auch wenn er sich nur siebzig Meter von der Route entfernt befindet. In der brütenden Mittagshitze mitten auf dem Feld überlegt man sich zweimal, ob man vom Weg abweicht. Und ich hätte mir auch zweimal überlegen sollen, aus welcher Richtung ich zu welcher Tageszeit die Wanderung beginne. Doch das hatte ich mir in Wahrheit nicht so genau angeschaut. Denn die offenen Feldflächen sind etwas für den späten Abend, wenn die Sonne nicht mehr so knallt. Oder für den frühen Morgen, wo die Einstrahlung aus dem Osten, nicht wie jetzt, aus dem Südwesten kommt. Orientiert euch auch bei Rundwegen nicht nur an der Steigung, sondern auch an der Tageszeit und Geländebeschaffenheit. Wenn es möglich ist, ist für die sommerliche Mittagszeit ein Waldstück angenehmer. Und ja, ihr dürft aus meinen Fehlern lernen. Deswegen mache ich sie ja…

Details:

Traumschleife Oberes Baybachtal
Strecke 15 km
Schwierigkeit mittel
Höchster Punkt 440 m
Tiefster Punkt 280 m

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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23 Kommentare

  1. Dieses Mal sind dir die Fotos besonders gut gelungen. Am besten gefällt mir die Baumreihe ziemlich weit oben im Artikel. Dass der Text wieder erste Sahne ist, muss ich ja nicht weiter betonen, gell 😎?

    1. Oh danke danke, das ist lieb von dir 🙂 Bei so vielen schönen Motiven auf dieser Route habe ich einfach nur draufhalten müssen 😉

  2. Jetzt habe ich erst mal schauen müssen, wo genau du gewandert bist. Danke, dass du uns mitgenommen hast. Dein Bericht war interessant. Ich bin schon auf Teil 2 gespannt. Die Wanderung hast du aber nicht abends nach einem Arbeitstag gemacht.

    1. Lieber Harald, doch, die Wanderung habe ich nach Feierabend gemacht… ich will ja nicht spoilern, aber die restlichen Meter lief ich im Dunkeln zum Auto. Nicht weil die Wanderung so lang oder so schwierig wäre, sondern weil ich alles genauer anschauen muss, was mir über den Weg läuft 🙂

      1. Was hast du denn für Arbeitszeiten??? 😉

        1. Na ja, wenn ich beispielsweise in der Moselregion oder im Hunsrück unterwegs bin, brauche ich sowieso circa zwei Stunden bis nach Hause. Also hätte ich eh zwischen drei und vier Feierabend gemacht. Nur dass ich mich dann nicht sofort in mein Auto setze, sondern noch „kurz“ wandern gehe…

          1. Daran hatte ich nicht gedacht, dass du ja beruflich in Deutschland unterwegs und dadurch nah dran bist.

          2. sagt:

            Im Außendienst rechnet sich die Anfahrt zur Arbeitszeit dazu, das ist manchmal ein Vorteil 😉

        2. Aber damit du nicht zu neidisch wirst, ich war an dem Tag letzten Endes gegen halb zwölf zu Hause… jaa, spät Abends 😉

          1. Ich bin nicht neidisch. Ich habe sowieso mit Arbeiten nichts am Hut.

  3. Schönes Wetter, schöne Umgebung und trotz der 15 km eine nicht allzu schwierige Wanderung. Das sollte für einen Sonntag nicht mehr sein 🙂
    Viele Grüße,
    Rudi

    1. Die Wanderung wird weiter gehen 🙂 An sich war sie nicht schwer, allerdings bin ich jemand, der ständig stehen bleibt und Blümchen und Landschaften fotografiert. Dann zieht sich das Ganze natürlich in die Länge… 😉

  4. Vielen Dank liebe Kasia, dass du uns wieder mitgenommen hast auf deiner Tour mit ganz herrlichen Bildern 😊 Freue mich schon auf deinen zweiten Teil.
    Liebe Grüße und komme gut in die neue Woche,
    Roland

    1. Lieber Roland, ich freue mich, dass dir die Wanderung gefallen hat. Im zweiten Teil geht es durch den Wald und am Fluss entlang 😉

      1. Schön, freue mich drauf 😊

  5. Ich seh dich schon eines Tages auf dem Jakobsweg…

    1. Ach ich weiß nicht… da will ja heutzutage jeder hin… 🙂 Mal sehen 😉

  6. Mal wieder eine schöne Tour mit tollen Bildern. Ich freue mich schon auf den nächsten Teil…

    1. Wow bist du schnell beim lesen! Ich habe deine neueren Beiträge noch in der Google-Leseliste drin 🙂 Vielen Dank, schön, dass es dir gefallen hat…

      1. Ich war gerade online und habe mich sofort über Deinen Artikel hergemacht. Das mit dem schnellen Lesen ist wohl eine Angewohnheit aus der Journalistenzeit. Ich habe da sogar einmal einen Kurs in „Speed Reading“ besucht.

        1. Find ich irgendwie cool 🙂 Ich bin nicht so schnell… 😉

          1. Nur so schaffe ich durchschnittlich an einem gewöhnlichen Taxi-Arbeitstag etwa 125 Roman-Seiten…

          2. sagt:

            Du inhalierst ja die Bücher 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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