Ohrid, Nordmazedonien nach Meteora, Kalampaka 422 00, Griechenland – Google Maps
Endlich Wärme. Endlich aus den dicken Sachen schälen und in ein schickes Kleid samt Ballerinas schlüpfen. Ich genieße die Sonnenstrahlen, während der Passerati uns außerhalb des Ortes Kalambaka in Thessalien bringt, zu den sagenumwitterten (na, das war jetzt sehr dick aufgetragen, nee?) Klöstern auf hohen, steilen Felsennadeln. Einen ersten Eindruck von diesen massiven Sandsteinfelsen kann ich schon in Kalambaka selbst bekommen, sie türmen sich hoch über den Häusern auf. Eine sich windende Straße führt uns zu den besten Aussichtspunkten, von wo wir einen Ausblick auf die unter uns gelegenen Klöster erhaschen können. Die Straße ist beliebt und ein abendlicher Treffpunkt. Wir parken in einer der vielen Buchten. Eine niedrige Begrenzungsmauer dient als Sitz, nur Popcorn fehlt. Doch vermutlich bekäme man eh keinen Bissen runter bei diesem Anblick. Ja, wir schauen der sinkenden Sonne entgegen, aber was wir sehen, lässt mich innerlich in Begeisterungsstürmen ausbrechen.
Die Klöster
Wir erinnern uns: der Name Meteor deutet auf eine in der Luft schwebende Himmelserscheinung hin. Und wenn sie nicht wirklich in der Luft zu schweben scheinen, so sind die Klöster auf eine fast schon unmögliche Weise auf den Spitzen der Felsen aufgehängt. So dem Himmel nahe, sind die Mönche vermutlich nur für das Nötigste herunter auf die Erde gekommen. Und wie hatte man die Baumaterialien im frühen Mittelalter dort hinauf geschafft? Eine Frage, die ich mir bei solchen Bauten nicht zum ersten Mal stelle. Viele der oben erbauten Klöster konnten ihrerzeit nur über Seilwinden und Strickleiter erreicht werden; erst zur Beginn des 20 Jahrhunderts baute man nachträglich Treppen in den Fels.
Die außergewöhnliche Lage in luftigen Höhen hatte einen ganz praktischen Grund: sie schützte die Anlagen vor Überfällen und Plünderungen, die in früheren Zeiten keine Seltenheit waren. Das Kloster Rousánou beispielsweise wurde nach ihrer Gründung im Laufe der Geschichte so oft überfallen, dass es 1940 aufgegeben wurde. Heute befindet sich dort ein Frauenkloster.
Nicht alle, aber einigen der noch erhaltenen Klöster können besichtigt werden (und wird sich meine Familie eines der vollen und meist besuchten Klöster für ihren morgigen Ausflug aussuchen? Selbstverständlich…). Die Klosteranlagen sind teilweise noch bewohnt. Die Infrastruktur war auf die Selbstversorgung ausgerichtet, und man lebte nach dem Motto: Nur Gott (oder meine Klosterbrüder) können mich richten. Richtig gelesen, es gab sogar ein Klostergefängnis, das berüchtigte Filakaé Monakón. Wer gegen die Ordensregeln verstoßen hatte – und das war wohl selbst bei erleuchteten Gemeinschaften hin und wieder der Fall – der wurde nach Filakae Monakon geschickt. Ins Kittchen sozusagen.
Einige andere Klöster sind verlassen und verfallen, manche wurden während kriegerischer Auseinandersetzungen zerstört. Von ihnen sind nur noch Ruinen erhalten. Ja, sie zu besichtigen soll wohl möglich, aber auch gefährlich sein.
Doch die Meteora Felsen waren lange vor der Ansiedelung der Mönche ob ihrer unerreichbaren Lage für Menschen interessant. Davon zeugen die Höhlen, die deutlich in einigen der Felsen zu sehen sind. Die Theopetra Höhle, drei Kilometer östlich von Kalambaka, enthält das älteste, von Menschenhand errichtete Bauwerk in ganz Griechenland. Ganze 23000 Jahre ist die Steinmauer alt, die sie verschließt.
Es wird trubelig hier zum Abend hin. Alle möglichen Besucher haben sich eingefunden, es wimmelt nur so von Motorradfahrern. Tomek schließt Freundschaften, die so lange halten, wie lange wir uns hier oben aufhalten.
Wir haben von unserer Position aus vor allem einen ausgezeichneten Blick auf das Kloster Agios Stéphanos: 1312 gegründet, ist es noch immer bewohnt und wird heute rege besucht. Der Ausblick rundum ist sagenhaft, doch ein sagenhafter Ausblick reicht der Family noch nicht. Vorsichtig suchen sie sich, dem Beispiel anderer folgend, eine Lücke in der Mauer, von wo es einen engen, sandigen Pfad auf die Ausläufer der Erhebung hinauf geht. Dort verschwinden sie auf einer kleinen Anhöhe, von wo man die Klöster besser (?) sehen kann. Ich winke ab. Ich hatte mich auf einen Sommer- und Spaziertag eingestellt, inklusive leichtem Schuhwerk – und meine Ballerinas protestieren jetzt ob der unvermuteten Kletterpartie. Am besten bleibe ich hier oben auf der Mauer und schaue mir die Gegend an und tue es der schwarzweiß gefleckten Katze gleich, die ihren Körper schön in der Sonne wärmt.
Der Sonnenuntergang
Aber natürlich bleibe ich nicht verschont. Denn nach einem vergeblichen Versuch, doch noch irgend eines der Klöster betreten zu können, geht es nochmal hoch hinaus. Diesmal mit einem Vorrat aus dem Auto Rotwein ausgestattet finden wir uns an unserem Aussichtspunkt wieder ein. Vorsichtig stakse ich Schritt für Schritt den anderen hinterher. In Anbetracht der Abenteuerlust meiner Verwandten hätte ich die Schuhe wohlweislich wechseln sollen. Habe ich aber nicht. Und so ist mir die steil abfallende, sandige Fläche suspekt. Aber was tut man nicht unter Gruppenzwang. Wir kommen über einen ausgetretenen Pfad auf eine Bergzunge und lassen uns am Hügel im verbrannten Gras nieder. Der Ausblick ist nicht besser, sondern anders, jedoch sind wir nun etwas abseits der anderen Besucher.
Irgendwo vor uns hatte sich eine andere Kleingruppe eingerichtet, doch das macht nichts, die sind weit weg. Das hier ist der (offizielle und inoffizielle) Untergangsspot schlechthin. Nicht die Welt geht unter, nur die Sonne. Es ist ein schöner Moment. Natürlich machen wir Bilder. Doch vor allem genießen wir unser aller Gesellschaft und Wein aus metallenen Campingbechern. Und die Stimmung. Und auch, dass wir in Griechenland sind, an einem der surrealsten Orte der Welt. Golden geht die Sonne unter, hinterlässt eine weiche, warme Spur im Gras und auf den Gemäuern der Bauwerke. Weit erstreckt sich die geflickte Ebene vor uns, braungelb und grün, durchbrochen von miniaturartigen Hausdächern.
Die Sonne taucht alles in Orange. Der Wein entfaltet seine fantastische Wirkung. Auf einmal ist der steile, sandige Weg gar nicht mehr so furchteinflößend und die Stimmung steigt. Der Kopf fühlt sich leicht an, der Körper schwerelos. Vorsichtshalber bleibe ich auf meinem Hintern auf dem Hügel kleben; herumzuspazieren wäre jetzt kontraproduktiv. Es ist wieder einmal einer dieser Momente. Dieser schönen Momente, die man nur auf Reisen mit lieben Menschen erlebt.
Sobald die Sonnen weg ist, wird es kühl. Sie hinterlässt am Himmel einen Streifen aus Gelb und Rosarot, ein Kontrast zu den dunstig blauen Bergen. Es wird Zeit zu gehen.
Doch wer glaubt, wir hätten bereits so viel gesehen, so viel erlebt, dass das Erlebte zu Hause bei einem schönen, improvisierten Essen verarbeitet werden muss, der irrt sich. Denn wir sind aktiv wie Nachtmäuse. Als die Frage kommt, bin ich sofort dabei: wir verlassen abermals das Hotel und schauen uns Kalambaka by night an.
Die Nachttour
Vorneweg gesagt, die Stadt ist nichts Besonderes. Das Besondere sind die Klosteranlagen, die sie umgeben. Kalambaka an sich besteht zum größten Teil, soweit ich das sehen kann, aus Gasthäusern, Gästezimmern, Souvenirläden und Restaurants. Dennoch – oder vielleicht deswegen – ist erstaunlich viel los. Oldtimer parken entlang der Hauptstraße. Menschen wuseln durch die Läden, sitzen in den Lokalen. Es gibt alles zu erstehen, was das Touriherz begehrt, von Ikonen über Postkarten, Tand und Magneten, bis hin zu luftdicht eingeschweißten Oliven. Die Vermieterin unserer Ferienwohnung besitzt hier einen kleinen Souvenirladen mit gesalzenen Preisen. Wir winken ab. Stattdessen laufen wir weiter durch die Dunkelheit, erleuchtet von den vielen Lichtern des kleinen Ortes. Schattenhaft monströs erheben sich die Felsen im Hintergrund über der Stadt – nachts ein beeindruckender Anblick.
Den restlichen Abend versacken wir in der überaus rosa gestrichenen Küche. Rosa Wände, rosa Küchenmöbel. Dazu passt der Roséwein, den meine Verwandten auf dem Weg hierher unbedingt an einem Stand am Wegesrand kaufen wollten und dessen Reste ich nun Tomek und meinem Onkel einflöße – was weg ist, ist weg. Die beiden tragen es mit Fassung; nur ein wenig malträtiert sehen sie am nächsten Morgen aus. Ich wasche meine Hände in Unschuld.
Sommer, Sonne und eine spektakuläre Landschaft, so grandios dein Beitrag!
Sommer, Sonne, Partylaune und der Rosewein bleibt unvergessen 😉 Meteora gehörte zu den spektakulären Orten unserer Reise. Dankeschön!
Das war bestimmt ein schöner Tag. Das Wetter passte und die Aussicht war herrlich. Ja, man fragt sich wie diese Gebäude hoch oben auf dem Berg errichtet worden sind. Das bleibt aber wohl ein Geheimnis der Vergangenheit. Bei anderen alten Gebäuden stellt sich diese Frage auch und bleibt unbeantwortet.
Danke fürs Mitnehmen.
Liebe Grüße, Harald
Es ist der Wahnsinn, welche Leistungen die Menschen vor Jahrhunderten, ja vor Jahrtausenden schon erbrachten, und die Zeugnisse stehen noch heute rund um den Globus verteilt. Schön, dass dir die Reise gefallen hat. Lg Kasia
Ich bin gerade ein bisschen neidisch!
Habe ich es endlich geschafft, nach Griechenland zu kommen. Aber tröste dich, es waren deine Erzählungen, die Lust auf das Land machten 🙂
Das freut mich sehr!
Endlich Sommer auf eurem Trip! Ja, die Klöster und ihre spektakuläre Lage in der bizarren Felslandschaft sind wirklich der Hammer. Deine Fotos davon fangen auch die Abendstimmung toll ein. Ich konnte seinerzeit die Klöster tatsächlich nur von außen bewundern, denn man ließ mich nicht hinein. Falsche Klamotten! Dabei hatte ich trotz der Hitze extra lange statt kurze Hosen an. Doch man forderte einen Rock, der die Knie bedeckte. Und auch die Ärmel meines T-Shirts fielen durch. Nicht lang genug! Heutzutage kann man vermutlich passende, sittliche Kleidung vor Ort leihen. Doch 1984 (ja, ich war tatsächlich im Orwell-Jahr dort) war daran nicht zu denken. Ich muss da also unbedingt wieder hin. Danke fürs Anfixen 😎. Eure rosa Bude war ja wirklich herzallerliebst. Hätte ich auch cool gefunden. Und gut, dass euer Wein farblich auch damit harmonierte 😁.
Farblich harmonierte er, aber geschmacklich… tss tss tsss… glücklicher Weise konnte ich alles in die Männer reinkippen *ähm*.
1984, das ist schon ein Bisschen her 🙂 Wenn du nochmal hin fährst, es gibt für die Sünder sittliche, lange Tüchlein vor Ort, um die Unkeuschheit des Fleischlichen zu bedecken. Also keine Sorge 😉
Ich würde allerdings nicht eben eines der leicht zugänglichen Klöster wählen, dort ist es schwarz vor Menschen. Es gibt weniger besuchte Klöster und auch welche, die nicht mehr im Betrieb sind (bei letzteren weiß ich nicht, wie gut man hin kommt).
Die rosa Wohnung ist der Hammer. Überhaupt hatten wir im Laufe der Zeit ein paar solch ungewöhnlichen Unterkünfte. Eine Unterkunft war so vollgestellt mit Nippes, dass kaum eine freie Fläche vorhanden war. Eine andere hing voll mit sakralen Bildern und Gegenständen. Über das Kreuz am Bett im Männerzimmer hatte sich Tomek besonders gefreut 😉
@Keusche Tücher: gut und beruhigend zu wissen. Danke für die Info! @Kirchenauswahl: deinen Rat werde ich beherzigen, sofern ich das mobilitätsmäßig geregelt kriege. @Kreuz über dem Bett: und das passiert ausgerechnet dem Kirchenallergiker 🤣🥳!
Dem Kirchenallergiker gönne ich das vom Herzen. Bei Gelegenheit lade ich ihn zu uns nach Gossersweiler-Stein ein, hier erhebt sich auf einem Fels über dem Ort eines dieser Kreuze, welche das ganze Jahr über nachts leuchten. Auf dass es ihm den rechten Pfad der Tugend weisen möge *räusper*
Ja, schenk ihm ordentlich ein!
🙂