Europa, Italien

10. War schön in Siena… unser Weg nach Florenz

Toskana, September 2020

Am frühen Vormittag verlassen wir das Green Camping bei Assisi. Wir machen uns auf in die rund zwei Stunden entfernte Toskana und wieder einmal, wie bei jedem Aufbruch, stehen alle Zeichen auf Tabula rasa. Ich kehre das Wohnmobil aus und verstaue unser Zeug, während sich Stefan daran macht, Grauwasser (unser Wasch- und Abwaschwasser…) ab und frisches Trinkwasser einzulassen.

 

Eng und holperig – der Weg nach Florenz

Vor dem Start wird jedoch eingekauft, in dem großen Supermarkt „um die Ecke“, in den ich Stefan vorgestern die sechs Kilometer hin und zurück zu Fuß geprügelt habe. Diesmal nehmen wir unser Wohnmobil mit und stellen uns kackfrech vornedran an den Straßenrand.

Es gibt Dinge, die braucht man auf Vorrat. Süße Weintrauben, schwarze Oliven, den gnadenlos leckeren, italienischen Parmesan und Pasta. Die gute Pasta, für die man keine großartigen Kochkünste braucht: einfach ins Wasser geworfen, gekocht und abgesiebt, Salz, Pfeffer und Olivenöl drauf, etwas Knobi (gut, seit Corona und der Schutzmaskenpflicht gerne mal etwas mehr Knobi…) – passt. Schmeckt wie bei Mamma auf dem Tisch.

Alkohol. Wir brauchen Alkohol. Und nicht irgend einen. Zielsicher steuere ich die Weinabteilung an, um dann umso unschlüssiger davor zu stehen. Das Problem ist, dass die edlen Tropfen keine gesonderte Abteilung haben; da stehen renommierte Weine für dreißig Euro und mehr neben Fusel für wenige Euro. Auf so eine Promotion bin ich am Vortag mal hereingefallen – selbst in Italien sollte ein Wein schon mehr als zwei Euro neunzig die Flasche kosten, sonst kann man ihn höchstens mit Cola mischen. Oder damit gleich den Rasen gießen. Mir wäre dafür die Cola zu schade. Der Rasen eigentlich auch.

Eine der Flaschen aus der „renommierten“ Ecke verschwindet in unserem Einkaufskörbchen.

Dann quälen wir uns mit dem Wohnmobil wieder aus der Stadt, während Stefan über die schlechten Straßen flucht. Das ganze Ding wackelt und ruckelt unter uns und ich wundere mich, dass sich die Geschirrschränke noch nicht über unseren Köpfen ausgeleert haben.

Doch auch auf der Schnellstraße wird der Fahrbahnbelag nicht besser. Die sogenannte A1 ist voller Unebenheiten, dass sich selbst die Italiener wohl nicht trauen, dafür eine Maut zu verlangen. Die reguläre Spurbreite ist die unserer deutschen Baustellen.

Doch von der schlechten Straße mal abgesehen: langsam verändert sich die Landschaft. Es ist ein sagenhaft schöner, warmer Tag – der erste seit einer halben Woche. Sonnenschein knallt vom Himmel und die Temperaturen klettern gen zwanzig Grad. „Wird endlich Zeit, dass es warm wird. Bei Regenwetter sieht selbst die Toskana beschissen aus.“ Sagt Stefan.

Wir planen einen Abstecher in das mittelalterliche Siena, also husche ich nach hinten und ziehe mir prompt ein schickes Röckchen an. Man muss ja auch als Camper nicht gleich Schimmel ansetzen.

 

War schön in Siena… Nachteile des Campings

Dass das mittelalterliche Siena nicht gerade für den Autoverkehr geeignet ist, war mir bekannt. Ich war schon vor Jahren mit meiner Freundin Nina und unserem kleinen, gemieteten Fiat irgendwas dort. Kleiner, wendiger Stadtflitzer – damals hatte ich den Wagen vor den Toren der Stadt auf einem halb legalen Seitenstreifen abgestellt, wo auch viele andere, halblegale Stadtflitzer parkten. Zu Fuß waren es nur wenige Meter bis zur Stadt.

Mit dem Wohnmobil gestaltet sich die Sache nun ein wenig anders, doch es gibt auch Möglichkeiten rund um die Stadt herum. An vier oder fünf Punkten stehen Campern für zwanzig Euro Pauschalgebühr Stellplätze zur Verfügung und ein Shuttlebus bringt den Gehfaulen bis hoch vor die Stadttore. Zur Fuß sind es ca. anderthalb Kilometer. Ist nicht viel, doch die anderthalb Kilometer gehen einen Berg hinauf; Siena ist auf einem der malerischen, toskanischen Hügel gelegen.

Die zwanzig Euro hätten wir gerne bezahlt, doch wir wissen nicht, an wen. Es ist Siesta in Italien und das Kassenhäuschen mit den vielen Schaltern ist zwischen zwölf und sechszehn Uhr vollkommen verweist. Eines sollte man wissen über dieses Land, nämlich, dass am Nachmittag viele Orte plötzlich wie ausgestorben wirken. Restaurants haben zu und machen erst am späten Abend ab sieben oder acht wieder auf, und auch viele Dienstleister und Geschäfte, vor allem um die kleineren Orte herum, sind schlicht nicht verfügbar. Was dem Deutschen seine Gartenhecke, ist dem Italiener seine Siesta.

Die Shuttlebusse fahren außerhalb der Saison wohl nur unregelmäßig; wir können weder Fahrplan noch Shuttelbus erspähen. Und zu Fuß, das sehe ich seinem Gesicht schon an, will Stefan auf keinen Fall da hoch. Ich habe noch ein schlechtes Gewissen wegen der Sache mit dem sechs Kilometer Einkaufsmarsch zum Supermarkt am Vortag, also lasse ich ihn. Es ist schade, doch ich habe die Stadt bereits 2012 mit Nina gesehen.

Mit einigem Unwillen betrachte ich unser schweres, unhandliches Wohnmobil. Das ist, wird mir klar, keine Art für mich zu reisen. Mit einem Auto wären wir jetzt schon vor den Toren der Stadt, doch das Wohnmobil will erstmal irgendwo für teuer Geld abgestellt werden. Einmal auf einem Stell- bzw. Campingplatz aufgebaut, lässt es sich nur schlecht wieder bewegen. Also ist man quasi nicht mobil, um sternförmig interessante Orte in der näheren Umgebung anzusteuern. Auch spontan auf dem Weg anzuhalten ist nicht wirklich drin, außer weit ab vom Schuss. Und die Miete ist mit über hundert Euro am Tag nicht unbedingt günstiger als ein gutes (sehr gutes!) Hotel- oder Pensionszimmer. Stellplatzgebühren kommen natürlich extra dazu. Es ist beengt und sehr einfach. Gut, das an sich stört mich nicht.

Was mich aber stört: hier wird einem der Traum von großer Freiheit, Flexibilität und Unabhängigkeit verkauft, doch das Gegenteil ist der Fall. Will man auf einem Campingplatz vor sich hin faulenzen, okay, dann ist es was für einen. Will man sich hingegen auf seiner Reise was interessantes ansehen, dann ist so ein Wohnmobil eher hinderlich denn nützlich. Große Freiheit? Wir haben unsere Stehplätze vorreserviert, so wie es bei einem Bed&Breakfast auch der Fall wäre.

Schlussendlich entscheiden wir uns gegen Siena und fahren weiter nach Florenz, zu meinem großen Bedauern. Gerne hätte ich Stefan die Stadt gezeigt, doch so geht einem jegliche Spontanität flöten. „War schön in Siena.“ Sage ich zu Stefan, als wir wieder ins Vehikel steigen und vom Parkplatz fahren. Der guckt mich an wie ein ausgeschimpfter Welpe.

Dafür bewundern wir unterwegs ausgiebig die Landschaft. Sie ist so hügelig, mit ihren geraden Linien aus spitzen Zypressen, den gleichmäßig punktuellen Olivenbaumhainen, deren schmale Blätter silbrig dazwischen glänzen, den kleinen, schönen Orten, Häusern, deren Mauern aus Eierschalengelb und Ocker in der Sonne leuchten. Die Toskana.

„Gefällt dir die Landschaft?“ Frage ich Stefan. Ja, sagt er; es ist genau so, wie man es sich vorstellt.

„Und wenn wir ein kleines Auto hätten, dann könnten wir die schmalen Landstraßen zwischen den Hügeln und Feldern entlang fahren statt über die Autobahn, und so viel mehr von der Landschaft mitbekommen.“ Werfe ich ein. Stefan lacht. „Du setzt immer noch einen hintendrauf.“ Sagt er.

 

Sonnenuntergang am Arno

Das Camping Firenze, wo wir am späten Nachmittag ankommen, nennt eine sehr schöne Anlage sein Eigen. Allerdings sind die Buchten recht knapp bemessen; wir stellen unseren 7,5 Meter langen Wagen schräg in die Bucht. Das Ding muss aufgebockt werden und trotzdem steht es noch mit einem leichten Gefälle. Wir ignorieren dezent diese Tatsache sowie auch den Fakt, dass unser Wasser im Waschbecken plötzlich nur in eine Richtung abfließt. Die Markise wird ausgefahren, das frisch angekommene Schweizer Pärchen begrüßt. Mit dem edlen Wein, endlich in richtigen Gläsern (gab es auch in dem Supermarket, für fünf Euro drei Stück…), Trauben und einem Tomaten-Mozzarella Salat ist unser Dolce Vita-Tisch fertig. Es lebe das Leben.

Der Campingplatz befindet sich am äußersten Rande der Stadt. Der Stadtrand von Florenz war noch nie reizvoll, auch damals nicht, als ich vor Jahren mal hier war. Doch am Arno entlang windet sich ein schöner, malerischer Fußgängerweg entlang. Hier gehen wir spazieren. Es ist eine schöne Stelle, wo wir uns niederlassen und dem Rauschen des Flusses zuhören. Sonnengelbe Häuser leuchten im Sonnenuntergang, das Wasser ist blau wie der Himmel. Wir beobachten die Menschen um uns herum. Allerhand sind hier unterwegs, Menschen von jung bis ganz alt gehen spazieren, wandern, fahren Rad oder joggen. Die Italiener, man möge es kaum glauben, scheinen zumindest in diesem Eck des Landes ein sehr sportliches Volk zu sein. Kaum einer, der uns nicht schnaufend in Laufschuhen entgegen kommt. Oder auf seinem Fahrrad. Selbst die ältesten Senioren sind in ihre Jogginghosen geschlüpft. Da bekommt man ja schlechtes Gewissen. Ab morgen gehe ich auch wieder joggen.

Stattdessen sitzen wir da und sehen zu, wie die Sonne sinkt.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
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