Mit diesem Beitrag nehme ich auf Bambooblog an Ulrikes Blogparade zum Thema „Langzeitreise – keine Lust mehr“ teil, doch mein Artikel wird etwas anderer Art sein. Hier möchte ich erzählen, warum ich noch immer als reisender Tourist unterwegs bin, wie ich meinem Geist die Zeit gebe, mich zu erholen und wie ich es vermeide, des Reisens überdrüssig zu werden. Da ich noch nie eine Langzeitreise unternommen hatte, habe ich es mir mit der Blogparade etwas schwer getan. Doch Ulrike ermutigte mich, teilzunehmen und meine etwas andere Sicht auf das Thema anzusprechen. Danke, Ulrike.
Vor ein paar Jahren stand ich vor der Entscheidung: bleiben oder gehen. Doch dann kam ein Traumjob dazwischen – und der hatte nichts mit dem digitalen Nomadentum zu tun.
Langzeitreise oder nicht? Die Entscheidung
Ja, das Jahr 2016 war das alles entscheidende Jahr. Der Job stresste und die Decke fiel mir auf den Kopf. Die Wohnung war schon gekündigt und der Hausrat dezimiert. Die Langzeitreise schwebte mir durch den Kopf und die Idee, ortsunabhängig Geld zu verdienen, hatte mich total angefixt. Frei und nur auf Reisen, weg vom Stress, yeah Babe, das wäre was für mich. Mit dem Laptop auf dem Schoss am Strand unter der Palme beim Sonnenuntergang, mit einer dicken Sonnenbrille auf der Nase und einem Cocktail in der Gosch.
Mal davon abgesehen, dass die Schreiberei am Strand in der prallen Sonne an sich sehr unangenehm ist (die Sonne blendet, man kann die Buchstaben auf dem Bildschirm kaum erkennen…), ist glaube ich klar, welchen Klischees ich hier so naiv verfallen war. Ist jetzt alles sehr überspitzt dargestellt, aber ja, so in etwa schwebte mir das digitale Nomadentum vor.
Da ich jedoch nicht ganz auf den Kopf gefallen bin, wusste ich eines: ich brauchte erstmal Geld. Ein gut bezahlter Job musste her. Und so landete ich in der lukrativen Pharma-Industrie, dem völligen Gegenteil davon, was man sich unter einer Langzeitreisenden vorstellt.
Doch so abseits meiner Wünsche war die neue Situation auch nicht, denn der Job stellte sich als ein echter Glücksgriff heraus. Abgesehen von neuen Herausforderungen war ich viel in ganz Deutschland unterwegs, hatte zum Großteil meine Freiheit und die Bequemlichkeit eines Zuhause und kam dabei auch noch viel herum. Perfekt!
So löste sich der Gedanke, langsam um die Welt zu gondeln, langsam in Luft auf. Was im Nachhinein gesehen die bessere Option für mich war. Denn mit jeder Reise, mit jedem Trip auf ferne Kontinente, in ferne Länder lernte ich mich und meine Bedürfnisse selbst besser kennen. Hier kommen wir auch schon zum Stichwort: Müdigkeit auf Reisen und wieso mir das nicht passieren soll.
Müdigkeit auf Reisen – wieso ich dafür anfällig bin
Ich muss sagen (und das hätte ich früher nicht von mir gedacht…), ich bin des Reisens schnell überdrüssig.
Bääm.
Ja, Tatsache. So oft es auch in den Füßen kribbelt und so gerne ich mich zu Hause auf der heimischen Couch in Tagträumereien verliere – ja, sosehr ich das Reisen brauche, macht hier für mich die Dosis den Unterschied. Ich bin sehr für Reizüberflutung anfällig. Fremde Kulturen, andere Menschen, anderes Essen, fremde Betten und eine neue Gegend; ständig das Gefühl, wieder packen zu müssen, sich zu kümmern, sei es um den Transport, ums vorwärts kommen, das alles ermüdet mich schon nach kurzer Zeit. Und dabei ist es egal, wie langsam ich reise, Stichwort: Slow Travelling.
Ich glaube, das erste Mal, dass ich so etwas wie Reisemüdigkeit erlebte, war auf dem Roadtrip mit Stefan durch Namibia. Da hatte ich nach drei Wochen des Herumreisens das Gefühl: so, und jetzt reicht es. Noch nicht einmal, weil wir uns so viel angeschaut hätten.
Aber ich finde, man fühlt sich nirgendwo so wohl wie zu Hause. Man kann nirgendwo so sein wie zu Hause. Auch wenn es ein Hotel oder eine Lodge ist, auch wenn du dich tagelang entspannen könntest; auch wenn es einfach gemacht ist oder luxuriös oder wie auch immer du es magst – daheim ist daheim. Ist zumindest bei mir so: daheim kann ich loslassen.
Das gleiche auf weiteren Reisen. Ob Nepal oder Sri Lanka – man ist in der Fremde. Es ist bei mir so: ich bin wach wie ein Erdmännchen, sobald ich in eine neue Umgebung komme, mein Geist öffnet sich ganz weit und nimmt alles auf. Nimmt auf. Speichert. Saugt alles auf, das er kriegen kann, alles, was diese neue Welt mir zu geben vermag. Doch irgendwann ist mein Kopf voll. Überfüllt mit neuen Eindrücken.
Wobei ich glaube, dass die schnelle Ermüdung auf Reisen mit meinem Job zusammen hängt. Als ich noch in der Apotheke arbeitete und tagein-tagaus im selben Gebäude saß, da konnten die Reisen nicht lang genug sein. Wir waren ständig auf Wochenendtrips unterwegs. Unsere gemeinsame Reise nach Jesolo sollte am besten nie enden. Oder die zwei Wochen Wochen mit meiner Freundin in Florenz – auch da hätte ich glatt die Zeit anhalten können.
Das ist jetzt anders. Wir sind beide schon unter der Woche so viel unterwegs, dass ich froh bin, übers Wochenende in der gewohnten Umgebung zu sein. „Vielleicht nimmst du dir zu viel vor, zu viele Dinge in zu kurzer Zeit.“ Sagte mir einmal ein Blogger als eventuelle Begründung dafür, wieso ich so schnell Reisemüde werde. Ich befragte mich selbst, so wie ich das bei solchen Gelegenheiten immer tue. Und ich muss mir ehrlich eingestehen: nein, das ist nicht der Fall.
Ich habe mir bei der Nepal-Reise sehr viel Zeit gelassen. Ich blieb länger an einem Ort und besuchte nicht alle Orte, die ich in den zwei Wochen „schaffen“ könnte. Ich ließ mir genug Zeit zum entspannen.
Nein, es hat nichts damit zu tun, wie viele Sehenswürdigkeiten ich an einem Tag besuche. Wie viele Ziele ich verfolge oder wie viele Ausflüge ich unternehme. Es ist der Reisezustand selbst, der mich müde macht. Auch wenn ich nur im Hostel/in der Lodge bleibe, chille und nichts tue. Es ist der Zustand der Reise, den ich irgendwann nach angemessener Zeit dann auch bitte wieder hinter mir lassen möchte. Es ist eine kopflastige Müdigkeit.
Egal, ob Nepal, Namibia oder die Malediven: alles toll, alles schön, alles supi, doch nach circa zwei, spätestens aber drei Wochen ist es dann auch wieder gut. In Nepal nahm ich mir recht wenig vor (das ganze Land ist an sich schon eine Sehenswürdigkeit…) und die Zeit auf den Malediven bestand größtenteils daraus, faul am Strand zu liegen. Doch das spielt alles keine Rolle. Ich bin trotzdem voller neuer Eindrücke, und die müssen erstmal verdaut, verarbeitet und aufgeschrieben werden. Alles muss raus, wie beim Lagerschlussverkauf, sonst habe ich das Gefühl, mein Kopf würde platzen. Daher der Blog und das Geschreibsel.
Home, sweet home
Dann, zu Hause: die heilsame Routine. Ach, was habe ich gelernt, die Routine zu schätzen. Nach längeren Reisen (wobei „länger“ bei mir tatsächlich höchstens drei Wochen bedeutet…) habe ich mich geradezu auf die Routine gefreut und danach gesehnt.
Der Alltag. Die Arbeit (die ich auch sehr liebe und die mein Bedürfnis nach dem Unterwegs sein mehr als stillt). Zeit zum Abschalten, zumindest vom Kopf her. Zeit zum Schreiben. Langsam mal schauen, was es neues so in der Reisewelt gibt. Pläne machen, sich dabei vor Aufregung und Vorfreude beinahe überschlagen. Wie ein Häschen auf der Couch auf und ab hüpfen, weil ein neues Ziel, ein neuer Flug gebucht ist. To-See-Listen und Packlisten erstellen (nicht für den Blog, nur für mich). Sich freuen.
Ein weiterer Vorteil der geregelten Arbeit ist, dass ich nicht so sehr darauf achten muss, wie teuer das Land ist, das zu besuchen mir vorschwebt. Viele digitale Nomaden und Dauerreisende sind darauf angewiesen, sich an niedrigpreisigen Destinationen zu orientieren, da sie nur so ihre Lebenshaltungskosten senken bzw. anpassen können. Ja, auch im Sektor der Länder mit einer schwachen Währung gibt es wunderschöne Flecken, doch ist es nicht schön, wenn man die Freiheit hat, wirklich dorthin zu reisen, wohin man möchte, ohne zu sehr auf das Geld zu schielen?
Dafür ist hier natürlich der Zeitfaktor ein Nachteil, siehe auch: „Slow travelling und mein Senf dazu„. Als in Vollzeit arbeitender hat man natürlich nur seine 28 Tage im Jahr. Nach irgend etwas schaut man auf Reisen also immer, sei es genügend Geld oder genügend Zeit. Glücklich die wenigen, die über beides verfügen.
Doch eben, weil meine Reisezeit eingeschränkt ist, kommt so etwas wie Reisemüdigkeit gar nicht erst auf und sind erste Anzeichen da, bin ich kurze Zeit später wieder zu Hause. Ich meine, nichts würde mich davon abhalten, meinen Job zu kündigen und mich in die Welt zu begeben. Ich hätte keine Angst davor. Aber wozu?
Warum die Reise nicht zur Routine werden soll
Ja, ich habe sie gelesen, die Berichte über Langzeitreisende, die teils über Jahre on Tour sind. Und ihre Erfahrungen haben mich nur noch in meiner Entscheidung bestärkt, selbst eben keine Langzeitreisende zu werden. Vielleicht ist es für andere genau das Richtige, immerzu in eine neue Umgebung zu wechseln; weiterzuziehen, wenn sie zu lange an einem Ort verblieben sind. Für mich ist es nichts.
Ich habe die Berichte gelesen, von Langzeitreisenden, die sich leer und ausgepowert fühlen. Die an einem Punkt angekommen sind, an dem es sie gar nicht mehr vorwärts zieht. An dem jeder Ort, jeder Tempel, den sie besuchen, irgendwann nur noch gleich aussieht. An dem sie sich an all den neuen Eindrücken nicht mehr erfreuen können.
Nein, verdammt! Ich will nicht, dass jeder Tempel für mich gleich aussieht. Ich will nicht keine Lust mehr auf das Reisen haben. Ich will mich an all den Kleinigkeiten erfreuen, diesen kleinen, neuen Details, die das Reisen mit sich bringt. Ich will, dass sie mir noch immer auffallen. Ich will mich an allem ergötzen, was mir die große Welt bringt. Ich will, dass meine Augen leuchten wie die eines kleinen Kindes. Ich will alles mit Staunen betrachten, das Reisen soll nicht zur Normalität werden.
Und ich will niemals, niemals an diesem Punkt kommen, an dem „jeder Tempel gleich aussieht“. Ich will meine Routine haben und dann will ich die Reise haben. Die Reise ist mein Feiertag. Die Reise ist mein Sonntag. Die Reise ist etwas Besonderes und das soll sie auch bleiben. Die Reise ist etwas, das mich mit Glück und Dankbarkeit erfüllt.
Und ich brauche einen Ort zum Zurückkehren und zum Verschnaufen (siehe auch: „Warum Reisende ein Zuhause brauchen„). Viele Dauerreisende richten sich früher oder später eine Homebase ein. Es muss nicht Deutschland sein, vielleicht ist es ein Ort, an dem es warm und schön ist, wo man die Füße ausstrecken kann und weiß: ja… ich bin angekommen. Ich denke, jeder Mensch braucht so etwas.
Das Dauerreisen würde mich ermüden, so gut kenne ich mich schon. Also halte ich mir meine Reisezeit bewusst eingeschränkt und freue mich vor jedem Trip wie ein kleiner Keks darauf.
Ich will meine Trips aufarbeiten, ich will darüber schreiben, ich will mir Bilder anschauen und vor lauter Sehnsucht fast in den Computerbildschirm kriechen. Will mich auf eine neue Reise freuen, auf einen neuen Abschnitt. Genau – kein Dauerzustand, sondern ein Abschnitt.
Ich will mir neue Bilder anschauen von Orten, an denen ich noch nicht war. Und wieder vor lauter Sehnsucht fast in den Computerbildschirm kriechen. Ich will ein davor und ein danach. Und ich will den bewussten, aktiven Moment des Reisens.
Wenn das Reisen zum Alltag wird – was bleibt dann noch?
Einen sehr coolen Beitrag dazu veröffentlichte Daniel auf seinen Blog Rucksackträger. Hier setzt er sich kritisch mit den Vorteilen – und ebenso mit den Nachteilen des digitalen Nomadentums und des Dauerreisens auseinander und erzählt, warum er nach vier Jahren des Dauerreisens wieder sesshaft werden möchte. Auch die Müdigkeit des Reisens sowie der Verlust des Besonderen spielen in seinem Artikel eine große Rolle. Ich habe beim Lesen sehr oft mit dem Kopf genickt…
[…] vom Blog windrose.rocks schreibt, warum sie sich mit einer Langzeitreise schwer […]
[…] Ich habe nichts gegen den Alltagstrott. Nein, wirklich. Er ist praktisch, erholsam und nützlich. Erholsam vor allem für den Geist, der nach und nach abstumpft. Alltagstrott gibt Sicherheit. […]