„Den Moment in sich aufnehmen… in fremde Kulturen eintauchen… sich auf Land und Leute einlassen… den Alltag der Menschen kennenlernen… den Moment genießen… im Hier und Jetzt leben…“
Kommen Euch diese und ähnliche Ausführungen nicht auch sehr bekannt vor? Und sind es nicht ebensolche Sätze, die wir immer häufiger in mehr oder weniger bekannten Foren zu lesen bekommen, bis sie uns zu den Ohren raushängen? Denn es ist so: Das langsame Reisen ist ein Trend geworden.
Das „keine Listen abhacken“, „nicht von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hetzen“ und „nein sagen zum Mainstream“ wird langsam selbst Mainstream, dicht gefolgt von „minimalistisch leben“ und „nur mit Handgepäck verreisen“, um sich „leicht“ zu fühlen (entschuldige, aber wenn ich gefüllt die Hälfte meiner Sachen vermisse, da fühle ich mich nicht leicht…).
Es ist doch so: diejenigen, die vereinzelt, zaghaft ihre Stimmen erheben und sich gegen diesen aufkommenden Trend und für Gruppenreisen aussprechen, dafür, Sehenswürdigkeiten zu sehen und zu würdigen und fürs „sich vieles anschauen wollen“, das sind die, die sich heute dem Mainstream entziehen.
Natürlich hätte ich einen Artikel darüber schreiben können, wie toll ich das bewusste Reisen finde (denn das tue ich wirklich), aber wozu? Den haben schon viele vor mir geschrieben. Und ich habe etwas gegen diese flächenbrandartige Verherrlichung. Ich finde langsames Reisen toll, nicht falsch verstehen; am liebsten würde ich, wenn ich es mir aussuchen könnte, einfach in den Zug steigen und losziehen, hinaus in die nebelblaue Ferne, um von dort aus einen Frachter nach Nirgendwo zu besteigen. Länder entdecken, Kontinente, mit den Buschleuten ums Feuer hüpfen… und das am liebsten tagein-tagaus.
Aber ich kann es mir nicht aussuchen.
Ich habe einen Job und ich habe nur fünf Wochen Urlaub im Jahr. Basta. Wie auch viele andere auch. Also was soll denn das Ganze? Natürlich will ich in dieser Zeit so viel wie möglich sehen, ja; weil meine Zeit begrenzt und kostbar ist. Und natürlich legt man da einen Zahn zu, natürlich möchte man nichts verpassen. Natürlich nimmt man lieber den Flieger, natürlich ärgert man sich, wenn der Tuk Tuk (oder was auch immer) erst nach Stunden fährt, wenn auch der letzte Platz belegt ist… weil mein Frei begrenzt ist!
Um so zu reisen wie oft beschrieben, um bewusst zu reisen, wirklich etwas zu entdecken und länger zu verbleiben, dafür müsste man ein Globetrotter sein… was ich gerne wäre, aber leider nicht bin.
Ich habe mir auch schon die Tage Gedanken über das Reisen an sich gemacht; was es früher einmal war, zu was es heute geworden ist. Auf eine Reise zu gehen bedeutete früher eine lange Zeit an Vorbereitung; allein das steigerte schon die Vorfreude und ließ die Reise bewusster erleben. Auf Reisen zu gehen bedeutete in früheren Zeiten Monate, wenn nicht gar Jahre, unterwegs zu sein. Es bedeutete, wirklich in eine Kultur eintauchen zu können, denn es war gar nicht möglich, allzu schnell zu reisen. Es bedeutete, dass Freunde und Familie erstmal eine sehr lange Zeit kein Lebenszeichen von einem hatten (Stichwort Selfie auf Facebook). Ich habe vor meinem geistigen Auge eine Karawane, die im Abendlicht eine endlose Steppe entlang zieht; Menschen, die in der Nacht um ein flackerndes Feuer sitzen, den orangenen Schein auf ihren Gesichtern, und sich Geschichten erzählen. Das Heulen eines Wolfes im Hintergrund. Oder eines Kojoten.
Ich sehne mich nach dieser Art zu reisen. Wir alle sehnen uns nach dieser Art zu reisen. Deswegen ist dieser ganze Slow-travel-Boom überhaupt erst ausgebrochen. Und ich kann es verstehen. Doch wenn damals das Reisen Reife und Lebenserfahrung bedeutete, ist es jetzt oft eine Auszeit, eine Flucht vor dem Alltag (pauschalisiere ich jetzt?), ich sage nur: Spontan-Trip nach Prag (-Berlin, -Wien, -…). Hier habe ich vor allem die Vollzeit-Berufstätigen im Visier. Die Art zu reisen, die der Begriff des Slow travelling umfasst, halte ich (außer man nimmt sich eine lange Auszeit oder ist hauptberuflich Reiseblogger, Journalist o. ä.) schlichtweg für nicht umsetzbar.
Und klar lassen Veranstalter geführter Reisegruppen hier und da mal eine Folklore-Tanz der Einheimischen aufführen, um den Reisenden in dieser kurzer Zeit einen Hauch von Authentizität, eine Ahnung von der Kultur und den Bräuchen des jeweiligen Landes zu vermitteln – und warum auch nicht?
Denn jede neue, vermeintlich innovative Idee wird zu Mainstream, wenn ihr nur genügend Menschen folgen – und wie jeder Trend wird auch dieser irgendwann vergehen.
Als Reaktion auf das vor kurzem erschienene Buch des Autors Dan Kieran, Slov travel – die Kunst des Reisens, haben John und Marc von one thing to do ins Leben gerufen. Die Blogparade ist leider schon beendet, doch hat sie viele lesenswerte Artikel und Sichtweisen für uns hinterlassen: das Für und Wider des langsamen Reisens.
[…] ist hier natürlich der Zeitfaktor ein Nachteil, siehe auch: „Slow travelling und mein Senf dazu„. Als in Vollzeit arbeitender hat man natürlich nur seine 28 Tage im Jahr. Nach irgend etwas […]