Helsinki, Januar 2017
Ich sitze also da und schwitze, der heiße Dampf steigt auf. Habe ich denn meine Zeit überschritten? Wie lange bin ich schon hier?
Mein Körpergefühl sagt mir seit einer gewissen Zeit: Aussteigen, Kasia, aussteigen…
Schon mal von einer waschechten Finnin so richtig eingeheizt worden?
Nach einem kleinen Nickerchen gehe ich hoch in die Hotelsauna. Ihr wisst schon – die mit dem Blick über das nachtbeleuchtete Helsinki. Und den – diesmal verschneiten – Park (*Angeber-Modus aus 🙂 *). Ich ziehe mich aus, dusche und schlüpfe rein. Sitze da, schwitze vor mich hin. Diesmal spricht fast keiner, es herrscht angenehmes Schweigen. Irgendwann bin ich alleine. Eine Frau kommt rein. Sie spricht mich auf finnisch an, deutet dabei auf den heißen Steinofen. Schon wieder finnisch, das ich nicht verstehe… Wir sind hier halt in Finnland, ne? Und hier sprechen die Leute finnisch, ist nu mal so.
Wie dem auch sei, ich schaue sie stumm und hilflos an und schüttele leicht den Kopf zum Zeichen, dass ich nichts verstehe. Sie lächelt, schnappt sich den Holzeimer, geht nach draußen und füllt ihn. Wieder drin beginnt sie sachte die heißen Steine zu begießen; der heiße Dampf steigt nach oben – da sitze ich und lehne mich entspannt zurück. Als sie mich ansieht, hebe ich beide Daumen hoch. Kasia, woher willst du wissen, dass das eine Finnin ist? Trägt sie etwa ein Schild um den Hals? Na hör mal… so wie sie die Steine bearbeitet, kann sie nur eine echte Finnin sein… (Noch so ein Dialog zwischen meinem Kopf und mir…)
Und überhaupt: Mir scheint, in Finnland haben die Menschen ein ganz anderes Körpergefühl; wie selbstverständlich gehen Mütter mit ihren, auch noch sehr kleinen Kindern in die finnische Sauna. Das ist gesund und stärkt Körper und Kreislauf und es ist gut, früh damit anzufangen – mein voller Zuspruch. Und wie selbstverständlich wissen die Kleinen, sich zu benehmen – natürlich benehmen sie sich! Kein Geschreie, kein Gequengel und schon gar kein Geweine; in einer angenehmen Lautstärke und mit großen, fragenden Augen schwitzen die kleinen brav neben ihren Müttern. Das kleine Mädchen eine Stufe unter mir sagt etwas und schaut die Mama an; die lächelt, antwortet ein paar beruhigende Worte. Die Kleine lehnt sich an die Mama. Nähe.
Die Frauen machen Aufguss. Wieder steigt heißer Dampf zu mir hoch. Die Mamas mit den Kleinen sind verschwunden, nur der harte Kern ist noch da. Und ich. Warum ich das so separiere? Dazu gleich mehr…
Ich sitze also da und schwitze, der heiße Dampf steigt auf. Habe ich denn meine Zeit schon überschritten? Wie lange bin ich schon hier? In finnischen Saunen (ich schließe jetzt mal von der Hotelsauna auf alle) gibt es nicht diese schicken, kleine Sanduhren, mit denen man sich seine fünfzehn Minuten einstellen kann… Jeder bleibt so lange drin wie es ihm gut tut und wie es ihm sein Körpergefühl sagt.
Mein Körpergefühl sagt mir schon seit einer gewissen Zeit: Aussteigen. Aber es geht ja noch. Und ich will die Aufgüsse nicht verpassen. Und die Stille (endlich schwätzt mal keiner). Und außerdem geht auch sonst keiner raus… Ich harre aus. Dampf. Gesicht nach oben. Kreislauf meldet sich. Was willst DU denn, Kreislauf? Blick nach draußen – eine ältere Dame duscht. Dahinter – die Skyline von Helsinki blinkt vor sich hin. Herrlich. So muss das Leben sein.
„Meine“ Finnin steht auf und geht als erste raus. Und mit ihr die meisten anderen – unter anderem in einer heißen Sauna ist der Herdentrieb am besten zu beobachten; geht einer, gehen meist auch alle anderen hinterher. Schäfchen Kasia geht als Vorletzte.
In der Dusche schaffe ich es gerade so, das Wasser aufzudrehen. Dann ist Tuk; ich lehne mich an die Wand, um nicht zu fallen, mir wird schwarz vor Augen. Ich kenne das schon – wer kennt seinen Körper nicht – normalerweise heißt es dann: Abwarten, geht schnell wieder vorbei. Doch der Zustand hält an, unnötigerweise fangen meine Muskeln stellenweise an zu zittern. Was habe ich dir getan, Körper? Ach ja, die Sache mit der überzogenen Zeit in der Sauna… Das Schöne ist: So wie ich soeben einen tollen Blick auf die Skyline und auf die Duschenden hatte, so haben die Sauna-Mädels nun einen perfekten Blick auf mich.
Fällt sie um oder fällt sie nicht um?
Sie fällt nicht um.
Sie dreht den Wasserhahn wieder zu und nachdem sich die Schwärze vor ihrem Gesicht wieder verzogen hatte, stolpert geht sie zur Bank und setzt sich hin, den Rücken an die Wand gelehnt. Nun, was soll ich sagen… abgesehen von diesem kleinen Ausrutscher ist Saunieren eine tolle Angelegenheit und wirklich zu empfehlen, aber es ist eben wie mit dem Saufen: Jeder so wie er es verträgt… Hey, ihr Backpacker und Individualreisende da draußen: Es gibt nicht nur Asien! Wollt ihr wirklich eine authentische Erfahrung machen, dann geht mit den Finnen schwitzen.
Wieder im Hotelzimmer; mir ist heiß. Glühend heiß. So wie sich die Kälte gestern nicht aus meinen Gliedern verziehen wollte, so speie ich nun Hitze wie ein Drache. Ich reiße erstmal das Fenster weit auf und setze mich davor. Ich brauche dringend einen Kälteschock…