Mai 2016
„Zwei Kleider und ein Blazer. Eine gute Ausbeute für den heutigen Tag. Ich bin wirklich zufrieden.“ Sagt meine Freundin. Das Auto hält vor dem Haus meiner Mutter und wir verabschieden uns. Sie und ihr Mann winken noch kurz und sind einen Augenblick später verschwunden.
Hochzeits-Shopping
Meine Freundin Jola suchte nach einem Kleid, welches sie zu einer Hochzeit anziehen konnte (verlassen haben wir den Bazar in Warschau gleich mit zwei). Da ich diesmal nur eine kurze Zeit über im Lande bin und auch ihr Kalender gerammelt voll ist, nutzten wir diese Gelegenheit, um wenigsten beim Shoppen ein bisschen Zeit miteinander zu verbringen.
Ich winke nochmal kurz und folge dann meinem Opa, der die Schlüsselgewalt inne hat, zur Eingangstür und in den Flur hinein.
Meine Mama und ich sind heute zu einem Ausflug verabredet. Doch als ich das Haus betrete, ist es seltsam still und leer. Nicht einmal die Katze streift umher. Mir schwankt da schon etwas, und ich öffne die Tür zum Schlafzimmer. Ein blonder Haarschopf und zwei verschlafene, kleine Augen blinzeln mir vom Bett aus entgegen. „Was ist das denn? Wollten wir nicht weg?“
„Ach…“ Ein Gähnen, nun kommt der blonde Schopf gänzlich unter der Decke hervor. „Ich war irgendwie müde, eigentlich fühle ich mich nicht so…“ Die Augen schauen mich Verständnis suchend an. „Nix da!“ Sage ich. „Heute ist so ein schöner Tag, und ich bin nur noch heute, den letzten Tag, da. Wir fahren weg und verbringen Zeit miteinander.“ Besiegt erhebt sich meine Mutter aus ihren Decken. „Na gut. Dann warte, ich mache mir noch schnell einen starken Kaffee.“
Der Komponist Frederic Chopin
Einen Kaffee und zwei Brotschnitten später sitzen wir im Auto, in ein angeregtes Gespräch vertieft. Unser Ziel ist das Geburtshaus Frédéric Chopins, des polnisch-französischen Pianisten und Komponisten (01.03.1810-17.10.1849). Das Haus, inzwischen ein Museum, ist in einem kleinen Ort mit dem Namen Żelazowa Wola, was im Polnischen „der eiserne Wille“ bedeutet, gelegen; etwa 20 km von Błonie entfernt, wo meine Mutter und mein Opa leben. Das Museum enthält original erhaltene Möbel und Gegenstände des täglichen Lebens des Komponisten, und die Einrichtung der Räume ist der Atmosphäre des 19 Jhd. nachempfunden. Bücher, Korrespondenz, alte Fotografien, Baupläne und selbst das Klavier sind noch enthalten. An den Wänden hängen Porträts des Komponisten und seiner Familie. Die frappierende Ähnlichkeit Frédérics mit seinem Vater, Mikołaj Chopin, fällt mir sofort ins Auge.
Das Haus umgibt ein wunderschöner, weitläufiger Garten mit einem Waldcharakter; riesige, uralte Bäume säumen die Alleen, in ihrem Schatten wachsen Farne und Funkien, blühende Rhododendren, Jasmin und Flieder stehen in voller Blüte und verströmen einen stellenweise zarten, stellenweise berauschenden Duft. Aus unsichtbaren Lautsprechern sind zarte Klänge von Chopins Klavierkompositionen zu hören, mal zart rieselnd, mal etwas lauter, aber in der gesamten Parkanlage wahrnehmbar. So wandelt man dahin, begleitet von Musik. Direkt an der Seite des Hauses sind Bänke in Reihen aufgebaut, dort strömt die Musik etwas lauter, und viele der Besucher verweilen hier und lauschen.
Entfernt man sich wieder vom Haus, trifft man auf seinem Weg immer wieder auf Sitzgelegenheiten; zwischen Blüten, Funkien und blätterumrankten Pavillons laden Bänke und verwunschene, schattige Plätze zum Verweilen ein. Geht man noch ein Stück weiter den verwinkelten Weg entlang, so kommt man an einen kleinen Fluss, der sich träge zwischen Bäumen und Wassergras schlängelt. Brücken aus Holz spiegeln sich darin und führen den Besucher weiter in den Park hinein. Irgendwann, begleitet von Musik, erreichst du einen kleinen Teich, der, umrankt von Seerosen, von Quaken der Frösche erfüllt ist. Weit über unseren Köpfen, in den ausladenden Kronen alter, ehrwürdiger Bäume, hört man Vögel singen. Ihr Gesang vermischt sich mit den, nun sehr leise gewordenen, Klängen der Musik.
„Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Park hier so schön ist.“ Sagte meine Mutter. Vergeblich versuche ich jedoch, sie dazu zu bewegen, irgendwann auch einmal alleine herzukommen.