Venetien, Juli 2014
Wie ich mir bereits gedacht habe, hat Stefan die Zeit meiner Abwesenheit genutzt, um auf eigene Faust die Gegend zu erkunden.
In den „ruhigen“ Tagen, die wir zwischendurch immer wieder hatten (so schön das Besichtigen auch ist, es verlangt einem auch sehr viel Ressourcen ab, immer wieder gegen einen Touristenstrom anzuschwimmen), entspannten wir am Strand unter der Strandmuschel (inzwischen überließ ich es voll und ganz meinem Freund, das Ding wieder geschlossen zu bekommen…) mit kühlen Getränken und Snacks in der Strandtasche. Mittags gingen wir heim (=Ferienwohnung; so sehr hatten wir uns schon hier eingelebt) und kochten zusammen (bevor es an dieser Stelle einen großen Aufschrei gibt: Oookay, Stefan kochte… ich steckte ab und zu den Kopf in die Küche, um zu sehen, wie weit das Essen schon ist… 😉 )
Nach und nach spülte und sortierte ich all meine mitgebrachten Muscheln und Steine, ich wusch sie, befreite sie vom Sand und legte sie zum Trocknen in die Sonne. „Die Muschelsammlerin von Cavallino“, pflegte Stefan dann immer zu sagen. „Das klingt wie ein Buchtitel,“ lachte ich.
Jesolo
Nach dem Mittagessen unternahmen wir manchmal kleinere Ausflüge, und Stefan zeigte mir all die schönen Orte, die er während seiner „Alleingänge“ entdeckt hat.
Wie den Leuchtturm von Jesolo, zu dem wir jetzt hinfuhren. Ich liebe Leuchttürme, sie sind eine Mischung aus Romantik und Einsamkeit. Wir parkten das Auto und gingen bis an den Steg heran, so nah an das Wasser wie es irgendwie ging. Das Ufer war mit Steinen befestigt. Ich stand oben und versuchte, auf den Steinbrocken nicht das Gleichgewicht zu verlieren; während mir die Sonne auf den Kopf schien, fotografierte ich die vielen kleinen Krebse, die die Wellen mal für mal wieder von den Felsen abspülten, nachdem diese mühsam wieder hinaufgeklettert sind. In einiger Entfernung war Cavallino zu sehen, mit seinen weiß leuchtenden Häusern und dem langen Streifen Strand, an dem Kinder im Wasser tobten, während ihre Eltern Entspannung auf der Liege suchten. Auf der anderen Seite des Leuchtturms standen Fischer fast unbeweglich am Ufer oder saßen in kleinen, blau gestrichenen Booten, ihre Angel befestigt, die Angelschnur reglos ins Wasser getaucht. Die Möwen machten den Fischern Konkurrenz, indem sie abrupt ins Wasser schossen, sich gleich danach erhoben, um wieder mit dem charakteristischen Kreischen ihre Kreise am Himmel zu ziehen.
Eines Nachmittages besuchten wir Jesolo; dort saßen wir in einem Eiscafé im Schatten der Bäume, genossen unser Eis (das Eis in Italien ist sowieso unschlagbar lecker) und schlenderten anschließend Hand in Hand durch die Fußgängerzone, an den vielen Schaufenstern vorbei. Jesolo ist eine ganz durchschnittliche Stadt, jedoch voller fröhlicher, glücklich wirkender Menschen.
Abends gingen wir aus; wir bestellten uns Wein, italienische Gerichte und Meeresfrüchte. Nirgends auf der Welt schmeckt das Essen so wie in Italien. Ob Venedig oder Florenz, Siena oder Sizilien: es ist jedesmal wunderbar und eine Sünde wert. Italiener kochen mit Leidenschaft 🙂
Wir saßen am Tisch, in unseren Augen spiegelten sich die Kerzen, und Stefan erzählte. Ich hörte zu. Er erzählte seiner Jugend, von Freunden, von bereits erlebten, unvergesslichen Geschichten. Wie es war, als er letztes Jahr alleine hier in Jesolo war. Alleine in Venedig.
Die Citronella-Romantik
Am späten Abend sitzen wir, schon zu Hause (nein, immer noch Ferienwohnung! 😉 ) auf unserem Balkon, mit je einem Glas Wein in der Hand, im Schein einer Citronella-Kerze, deren Duft sich mit dem unterschwelligen Geruch von Moskitospray vermischt.
…von Moskitospray? Moment mal, stopp… wo ist denn hier die Romantik?? Ihr habt Recht – es gibt keine. 🙂 Oder besser: spätestens hier hört sie auf, zerbricht am Summen der Mücken, vergeht unter ihren quälend-juckenden Stichen. Ja, die Mücken sind eine echte Plage. Keiner von uns beiden traut sich abends ohne das schützende Spray nach draußen; den Biestern auch nur ein Stück freier Haut zu überlassen wäre schon grob fahrlässig.
Am schlimmsten ist es hinten am Campingplatz, auf dem Weg zum Strand – doch auch auf der Terrasse finden sie uns. Und sooft ich versuche, den Geruch des Sprays mit Parfüm zu überdecken, es ist vergebens; der süßlich-bittere Geruch der Chemie hängt überall an mir, und wenn wir uns küssen, schmeckt unsere Haut leicht bitter nach Mückenschutz.
Aber dennoch empfinden wir diese italienischen Abende bei Wein, Kerzen und Gesprächen als sehr schön. Manchmal zählt Stefan die Tage auf, die uns hier noch bleiben, doch ich will nichts davon hören. Nicht einmal annähernd will ich ein „zurück“ an mich heranlassen. Nicht jetzt. Und morgen auch nicht. Und übermorgen…
Der Mond ist riesengroß. Stefan versucht Mal für Mal, ihn mit seiner Kamera einzufangen. Er hatte sich eigens dazu ein Stativ im Auto mitgenommen, und tatsächlich: einiger dieser Aufnahmen sind sehr gut geworden.
Da wir beide leidenschaftlich gerne fotografieren, suchen wir uns oft Plätze, vorzugsweise am Wasser, an denen sehenswerte Aufnahmen möglich sind. An manchen Stellen wächst an der Wasseroberfläche eine lila blühende Pflanze, die ein bisschen an Heidekraut erinnert; stellenweise sind ganze Ansammlungen davon zu sehen. Manchmal erhebt sich bei unserem Anblick ein erschrockener Kranich schwerfällig in die Höhe, um sich einige Meter weiter wieder niederzulassen, und ich fluche, weil ich ihn nicht rechtzeitig bemerkt und vor die Linse bekommen habe.