Europa, Polen

Weihnachten in Polen – der Breslauer Weihnachtsmarkt

Wie sehr ich es liebe, wenn sich erkältete Mitbürger zwanghaft pflichtbewusst zu gemeinschaftlichen Events quälen. Insbesondere während der labilen Coronalage im vergangenem Jahr war es mir eine Freude, mich vor verschnupften Nasen und trockenen Hustern in Sicherheit zu bringen. Da schwebt eine leichte Ironie wie eine graue Wolke über diesem Text. Nein, war es nicht.

Mit Erleichterung betrachte ich folglich den einzelnen, blassen Strich auf meinem Corona-Test. Negativ. Wie schön. Noch nie fühlte sich „negativ“ so positiv an. Der Spruch „Ich kann nicht krank werden, ich habe zu tun“ trifft hier nur bedingt zu. „Ich kann nicht krank werden, ich habe Urlaub“ trifft es schon eher. Ganz richtig wäre es zu sagen; ich habe meine Familie schon länger nicht mehr gesehen und möchte Weihnachten in Polen bei ihr verbringen. Ohne eine gemeine Seuche anzuschleppen, versteht sich.

Gut versorgt

In diesem Jahr – wir schreiben das Jahr 2022 – komme ich nicht alleine. Ich bringe meine liebe Freundin Fee mit, die der eine oder andere treue Leser sicherlich schon aus meinen Berichten über Istanbul kennt. Fee tut, was Fee am besten kann, sie sorgt während der Reise für das leibliche Wohl der Fahrerin und versorgt mich zuverlässig mit Nüssen, Brot, gefüllten Weinblättern, Kaffee und Snacks. Sogar einen Milchaufschäumer hat sie griffbereit, während ich mich nur noch auf den Weg konzentrieren brauche. Ach, ich sollte öfters mit Begleitung verreisen. Sie unterhält dich, damit du nicht einschläfst und reicht dir schwer erreichbare Dinge von den Rücksitzen des Autos, die du vergessen hast, nach vorne zu räumen, die du aber plötzlich ganz dringend brauchst. Wie die Flasche Cola Zero, den Lippenpflegestift aus deiner Handtasche oder irgendwelches Studentenfutter, auf das du aktuell große Lust hast. Es leben die Beifahrer.

Und sich auf den Weg zu konzentrieren ist diesmal besonders dringend geboten. Das Wetter überrascht ganz Deutschland mit einem für diese Jahreszeit ungewöhnlichen Wintereinbruch (ich meine, Schnee? Pünktlich zu Weihnachten?). Die Autobahnen sind verschneit und nur die Fahrspuren vorangegangener Autofahrer weisen die Richtung. Eine grau-weiße Suppe, durch die wir uns da quälen. Linke Spur zugeschneit, mittlere Spur – voll. Rechte Spur – Lava. Ihr kennt es ja.

Doch mit Musik, Kaffee und Unterhaltung vergeht die Zeit schnell. Noch nie war ich so überrascht gewesen, pünktlich ans Ziel zu kommen. Wir fahren durch alle möglichen Wetterzonen, von Sonne bis Schneetreiben, und kommen am späten Abend in Breslau an.

 

Breslau, der Weihnachtsmarkt

Breslau, das ist nicht mein Zuhause. Doch Breslau ist für heute unser Zwischenstopp. Eine attraktive, unterschätzte Stadt voller Sehenswürdigkeiten, mit einer langen deutsch-polnischen Geschichte. Für heute interessiert uns aber nur der Weihnachtsmarkt. Während der Adventszeit verwandelt sich die Breslauer Altstadt in ein herzerwärmendes Ensemble aus Musik, Glühwein und Lichtern. Stände mit handwerklich gearbeiteten Artikeln, Schnitzereien, Fressbuden, dampfendes Sauerkraut und zartes Fleisch. Alles will angeschaut, alles will probiert werden. Die Polen haben, obwohl eines der ersten Mitgliedsländer der EU – noch immer keinen Euro. Der Umrechnungskurs beträgt momentan etwa eins zu vier (ein Euro – ca. vier polnische Zloty). Nachdem wir eine Wechselstube aufgetrieben und uns mit polnischen Zloty eingedeckt haben, stürzen wir uns ins Getümmel.

Der interessierte Leser mag vielleicht wissen, dass die Polen ungemein auf leuchtende, glitzernde und blinkende Illuminationen abfahren. Die Mitte des Breslauer Rathausplatzes ziert eine riesige, leuchtende LED-Weihnachtstanne. Um sie herum gruppieren sich die meisten Stände, die sich in den kleinen, schmucken Seitengassen der Altstadt verlieren. Große und kleine Weihnachtszwerge halten Wache und in einem Weihnachtsstiefel posieren Kinder für ein Familienfoto. Alles leuchtet und glitzert und im Hintergrund erhebt sich die sehenswerte Rathausfassade. Schneeflocken tanzen in der Luft und schmelzen auf unseren Gesichtern, während ich hungrig die großen Pajda (Brotscheiben, diiicke Brotscheiben) mit hausgemachtem Schmalz betrachte. Ein Stück weiter gibt es gegartes und geräuchertes, und auf der anderen Seite verkaufen Händler süßen Honigwodka in schicken Flaschen – natürlich nicht so gut wie der Honigwodka, den ich zu Hause bei meinem Onkel kriege. Natürlich nicht.

In diesem Jahr sind viele ukrainische Verkäufer präsent, die ukrainische Spezialitäten feilbieten. Auch viel georgische Küche ist zu sehen. So funktioniert Völkerverständigung, wie schön. Willst du etwas über eine Kultur erfahren, probiere ihre Leibspeisen. Und neeein, es ist nicht das Gleiche wie in Polen. Selbst die Polen haben von Region zu Region leicht abgewandelte, weihnachtliche Traditionen. Fee hat glänzende Augen und probiert sich durch die polnischen Spezialitäten. Lichter und Schneegestöber. Ich habe auch glänzende Augen, das ist wohl eher dem Glühwein geschuldet, der uns in einem Weihnachtsstiefel serviert wird.

Glühwein im Stiefel

Einen Ort hier in Breslau will ich ihr noch zeigen, eine kultige Kneipe, wo man noch immer, trotz Kriege und Inflation, einen günstigen Snack für zehn Zlotych und einen günstigen Schnaps für vier Zlotych bekommen kann. Das „Przedwojenna“, auf der anderen Straßenseite frontal zur Kirche gelegen, ist eine Institution. Immer, wenn ich in Breslau bin, bleibe ich nach einer Stadtbesichtigung zur späten Stunde hier hängen, stärke mich mit einem Tatar und einem kleinen Gläschen Wodka. Der ganze Laden ist eingerichtet, als hätte jemand den Dachboden seiner Oma ausgeräumt. Antiquierte Möbelstücke zieren die Ecken oder hängen von den Wänden, alte, hölzerne Stühle, Tische, Kommoden, Dinge, die es heute nicht mehr neu zu kaufen gibt, die aber viele alte Häuser noch irgendwo herumstehen haben. Die Bedienung hinter der Bar ist hingegen blutjung, über ihren Köpfen hängt das Abbild des ehemaligen Ministerpräsidenten Pilsudski. Wir holen uns unser Essen ab und wandern eine knarrende Treppe nach oben. Das „Przedwojenna“ ist voll, hier fehlt es nicht an Besuchern. Das ist nicht einzig den günstigen Preisen geschuldet. Die Kneipe ist Kult.

Irgendwann haben wir alles gesehen, was es zu sehen gibt. Wir entfernen uns von den hell erleuchteten Buden langsamen Schrittes. Hier, etwas abseits, ist es ruhiger, stiller, hin und wieder laufen fröhliche Fußgänger vorbei. Wir sind auch fröhlich, die Schneedecke vor uns auf dem Platz vor der Elisabethen-Kirche noch frisch und unberührt. Meine Freundin legt sich in den Schnee und macht „Schneeengel“.

Schneeengel

Die Fahrt war lang und ich bin müde, doch Fee ist fit und abenteuerlustig. Als der Schnaps ausgetrunken und der Tatar aufgegessen ist, schlendern wir langsam zurück in Richtung Hotel, bleiben dann in einer trendigen Szenekneipe hängen. Es ist zu dieser relativ frühen Stunde nicht allzu viel los, ein paar Jungs versuchen sich unter den amüsierten Blicken der anwesenden Mädels als DJs. Wir tanzen und bestellen Drinks. Es wird spät. Vielleicht hätte ich auf direktem Wege zurück zum Hotel laufen sollen, denn am nächsten Tag wache ich erschöpft mit einer dicken Erkältung auf.

 

Breslau bei Tag

Wie war das nochmal? Ich kann nicht krank werden, ich habe Urlaub. Und dazu bin ich als so etwas wie eine Reiseführerin unterwegs. Am Morgen verlassen wir, dick eingepackt, das Hotel. Kaltes, klares Wetter erwartet uns. Es ist kalt und sonnig und dicke Dampfwolken verlassen beim Sprechen unsere Münder. Wir überqueren die belebte Straße, darauf achtend, nicht von einem unachtsamen Autofahrer mitgenommen zu werden. Ich friere.

Der Weihnachtsmarkt liegt still vor uns, doch er hat offen, einige wenige Besucher sind schon da. Der „Märchenwald“ lockt mit Geschichten für Kinder, alten Märchen, die in kleinen Buden mithilfe von Puppen aufgeführt werden. Rotkäppchen und der Wolf, Dornröschen, Hänsel und Gretel, Frau Holle… Alles, was man tun muss, ist, einen Knopf auf der Seite des großen Kastens zu drücken. Schon geht der Vorhang auf und ein Mechanismus setzt die Puppen im Innern automatisch in Bewegung. Eine wohlklingende Stimme beginnt zu erzählen.

Dann, zwischen grünen Zweigen hindurch, klettern wir über eine glatte, metallene Treppe hinauf zu einem Anbau neben der Pyramide. Hier gibt es eine kleine Aussichtsplattform. Von hier aus haben wir einen Überblick über den Aufbau und können bis zu den hohen Kirchtürmen sehen. Das im 19 Jhd. im Stil der Gotik umgebaute Rathaus liegt vis-à-vis in seiner ganzen Pracht vor uns.

Das fehlende Frühstück macht sich bemerkbar. In einer georgischen Bäckerei, derer es in jüngster Zeit recht viele in Polen gibt, decken wir uns ein. Noch eine letzte Runde über den Weihnachtsmarkt, doch meine Finger frieren und ich beginne, zu frösteln. Hungrig spaziert es sich nicht gut. Es wird Zeit – wir bewegen uns zurück zum Auto und machen uns auf den Weg. Denn es warten noch etliche Kilometer bis nach Warschau auf uns.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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14 Kommentare

  1. stefantaege sagt:

    Man stelle sich mal vor es gebe plötzlich eine weltweite Knappheit an LED zu Weihnachten 🙂

    1. Hm, dann stünde das polnische Weihnachtsfest auf der Kippe 😉

  2. Ach, schön! Breslau steht schon länger auf meiner Liste. Ich meine, da gibt es, zumindest über den Sommer, auch den so genannten Kulturzug hin von Berlin aus. Aber wie ich deinen Fotos und Schilderungen entnehme, lohnt sich auch ein Besuch zur Weihnachtszeit. Schön, dass deine Freundin dich begleitet und so gut versorgt hat. Und natürlich erinnere ich mich an Fee und die Istanbul-Stories 😎.

    1. Die liebe Fee. Möge sie uns unvergessen bleiben 🙂 Von dem Kulturzug wusste ich gar nichts, tatsächlich? Ein schöner Gedanke. Wobei man auch relativ schnell mit dem Auto da ist. Breslau ist zu jeder Jahreszeit schön, aber ja, die Weihnachtszeit hat was. Der Weihnachtsmarkt ist bezaubernd, nicht zuletzt aufgrund der schmucken Altstadt.

        1. Das ist ja cool. Danke!

  3. Oh, der Weihnachtsmarkt ist wirklich schön. Da sollte ich im nächsten Jahr auch mal hin

    1. Ich kann es nur empfehlen. Die Szenerie im Schatten der alten Rathausfassade ist richtig idyllisch 🙂

  4. Das sieht nach einem sehr gemütlichen Weihnachtsmarkt aus, nette Stände, leckeres Essen und Trinken, alles wie es sein soll. Anscheinend wissen Sie auch, wo Sie die richtigen Orte für ein leckeres und günstiges Essen finden. Solche Innenräume aus alten Artefakten gefallen mir. Tut mir leid, dass du dich erkältet hast.

    1. Na gegen die Erkältung hat mein Onkel die richtige Medizin: Honigwodka 🙂 Im Ernst, die Erkältung war ärgerlich, aber schnell wieder ausgestanden. Weihnachten mit der Familie konnte in vollen Zügen genossen werden 😉

  5. Liebe Kasia, das ist ein schöner Weihnachtsmarkt in Breslau und ich bin ganz begeistert von deinen tollen Fotos. Eine schöne Adventszeit wünsche ich dir
    LG Andrea

    1. Liebe Andrea, vielen Dank. Ich finde den Weihnachtsmarkt immer wieder schön. Dir wünsche ich auch eine schöne Adventszeit.

      Lg Kasia

  6. Man erkennt es schon am ersten Bild: das wird wieder eine Reise, die von Essen und Trinken dominiertt werden wird! Viel Spaß in der Heimat!

    1. Es wird eine schöne, fröhliche (das kommt von „feuchtfröhlich“, besinnliche, feierliche (das kommt von „Feiern“…) Reise. Und eine weiße Weihnacht. Fortsetzung folgt 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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