„…denn wir sind längst nicht soweit, Kamel einfach nur Kamel sein zu lassen…“
Ein Meer aus Höckern und wiegenden Häuptern ergießt sich über das Tal. Geschickt fahren die Guides mit uns immer mal wieder ein Stückchen vor, damit die sanften Tiere auf uns zukommen können. Und scheu sind sie nicht, die Kamele. Hochmütig und mit wiegendem Gang kommen sie auf uns zu, spähen neugierig auf die Gruppe fremder Menschen und ziehen weiter, sanft schaukelnd, wie von unsichtbaren Kissen getragen. Nun wird auch mir klar, wieso alle Welt immerzu von „Wüstenschiffen“ spricht, denn die Tiere wippen beim Gehen auf und ab wie ein den Gezeiten ausgesetztes Schiff.
Und wie zufrieden sie drein schauen. Als wären es die glücklichsten Tiere auf der Welt, so sehen sie aus, immer ein Lachen in ihren großen, dunklen Augen und ein erhobener Kamelmundwinkel, als würden sie ständig lächeln. Und wer weiß, vielleicht tun sie es ja auch. Sie werden verwöhnt, verhätschelt und nehmen an Schönheitswettbewerben teil. Sie werden für zuweilen irrsinnige Summen gehandelt, die in die Millionen gehen können. Sofern sie zu der Upper Class der Kamele gehören und nicht auf einem Reisteller landen. Sowie die Kamele bei unserer Mahlzeit in Tabuk vor ein paar Tagen.
Einer unserer Guides wechselt ein paar Worte mit dem Besitzer der Herde. Bei den Kamelen hier soll es sich um die schönsten Tiere handeln. Der Mann erzählt uns stolz, wie neulich ein reicher Mensch eines der Tiere für eine schwindelerregende Summe von hundert Millionen Dollar für ein einziges Wochenende gemietet hatte. Ich bin skeptisch, kann ich das Jonglieren mit solchen Summen für ein Kamel kaum vorstellen. Doch der Mann zuckt mit den Schultern. Dieser reiche Mensch hatte das Geld und wollte das Tier einmal reiten, also warum nicht?
Es sei ihm gegönnt.
Die Moses-Quellen bei Maqna
Im Tal von Maqna befindet sich ein historisches Wahrzeichen, ein für Gläubige beider Religionen besonderer Ort. Dort, wo sich im Tal im Schatten der Palmen Wasserquellen aus der Erde ergießen, soll der Prophet Moses eine Zeit lang gelebt haben. Nachdem er das Rote Meer überquert hatte, kam Moses hierher, um zu rasten und Wasser aus den Quellen zu trinken. soll Moses nach seiner Flucht aus Ägypten zehn Jahre seines Lebens verbracht haben, unter dem Schutz des Propheten Shuaib. Er nahm sogar dessen Tochter zur Frau, ehe er nach Ägypten zurückkehrte. Das Tal enthält mehrere Quellen kristallklaren Wassers, die direkt aus der Erde strömen. Von zwölf Quellen Mose ist laut Überlieferung die Rede. Bir al Saidni, oder „Der Brunnen Mose“ ist auf einem Hügel nahe einer archäologischen, frühislamischen Stätte gelegen. Der Golf von Aqba ist von hier aus zu sehen.
Viel gibt es für uns allerdings nicht zu sehen. Wir schlendern herum, erkunden die Quellen. Vielleicht bedeutet der Ort den wahrlich gläubigen mehr als mir. Diesen überlassen wir dann auch das Feld, ebenso wie den Menschen, die sich in dem klaren Wasser erfrischen wollen. Nun, vielleicht hätte ich mir ein paar Trinkflaschen aufheben und das heilige Wasser für teuer Geld verkaufen sollen, wer weiß.
Schnee in der Wüste
Es umgibt uns eine karge, bergige Landschaft. Palmengesäumte Alleen sind die einzige Abwechslung. Spuren von hellem Eisenoxid ziehen sich wie rote Adern durch das dunkle Gestein. Manche der Berge sind so verwittert, dass es aussieht, als hätte jemand einen riesigen Anhänger Schutt abgeladen.
Kleine Siedlungen wie ein Satzzeichen in der ansonsten flüssig am Autofenster vorbeirauschenden Szenerie, wie ein Komma, das kurz den Blick fängt. Die Höfe sind mit trockenen Palmblättern umgeben, die zu provisorischen Zäunen zusammengebunden wurden, aus denen vorwitzig helle Palmwedeln herausschauen. Die Dattelpalmen deuten das Vorhandensein von Wasser an, ebenso wie die Anwesenheit der Menschen und ihrem Vieh. Das Leben in der Wüste scheint noch archaisch zu sein.
Andere Geländefahrzeuge und hin und wieder ein Truck kommen uns ab und an entgegen. Eine einsame Tankstelle besticht mit einer einzelnen, verbleichten Zapfsäule. Leider bietet sie uns nicht, was wir brauchen, denn sie ist leer. Und sie ist nicht die erste, an der wir halten. Wer hätte gedacht, dass es in Saudi Arabien schwierig sein würde, Diesel zu beschaffen?
Die Spuren von Eisen enden, stattdessen ziehen sich nun rußschwarze Streifen durch die rotbraunen Felsen. Die Gegend scheint einsam und von Gott verlassen zu sein, bis wir schließlich, zu unserer Überraschung, gezwungen sind, anzuhalten. Verblüfft erwachen wir aus unserer Trance und heben unsere Köpfe. Wir befinden uns am hintersten Ende eines kilometerlangen Staus.
Pkw, Trucks, Busse und Geländefahrzeuge reihen sich aneinander, stehen durcheinander im Weg herum und blockieren eine Kreuzung. Die unerwartete Autokolonne zieht sich von links nach rechts, führt hinauf in die kargen Berge der Wüstenlandschaft. Den Grund für dieses Aufkommen erkennen wir schnell, indem wir unseren Blick dem ausgestreckten Zeigefinger unseres Guides folgen lassen. Eine weiße Fläche wird in der Ferne erkennbar und dorthin, zu dieser weißen Fläche, will alle Welt nun hin.
Es hatte geschneit in der Wüste.
Die Berge hier in dieser Region sind bis zu 2400 Meter hoch. In den oberen Regionen kann es durchaus zu Schneefällen kommen, sehr zur Freude der Einheimischen, für welche dieses ein denkwürdiges Ereignis darstellt. Unser Fahrer steuert das Auto geschickt zwischen den Wartenden hindurch, die alle nach rechts in die Berge wollen; wir hingegen fahren geradeaus. Schon nach kurzer Zeit verlieren wir unsere Partnerfahrzeuge weit hinter uns. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel. „So, die sind jetzt für sich alleine verantwortlich.“ Stellt der Saudi trocken fest.
Eine riesige Fahrzeugkolonne, nur um den Schnee in den Bergen zu sehen. Polizeistreifen und Krankenwägen stehen in Bereitschaft und ihre Lichter blinken auf den Autodächern wie auf den Fahrgeschäften einer Kirmes.
Was mir bisher im Laufe dieser Reise auffällt: die Saudis mögen schicke Autos. Soweit, so nicht weiter überraschend. Limousine oder ein Sportwagen darf es gerne sein. Doch die bevorzugten Fabrikate sind vorwiegend Japaner wie Toyota, Nissan oder Honda. Mercedes gilt hingegen als unbeliebt und ist bekannt als großes Arbeitsfahrzeug. Fabrikate dieser Marke habe ich hier bislang nur als schwere Vorkriegstransporter gesichtet.
Bei dieser Gelegenheit lernen wir auch den unbeugsamen Stolz und das flammende Temperament der Leute hier kennen. Als plötzlich ein Lastwagen herausbricht und auf unsere Spur rüber zieht, muss unser Fahrer scharf bremsen. Wütend hupend überholt er den Übeltäter. Dann bremst er, hält den Wagen an. Unter Annas und meinen erschrockenen Blicken steigt er aus und läuft nach hinten. Ich meine, ihn noch irgendwas von „Lektion erteilen“ murmeln zu hören und fürchte schon um das Leben und die körperliche Unversehrtheit des armen, vorwitzigen Truckfahrers.
Einen Augenblick später kommt unser saudischer Fahrer sichtlich beruhigt zurück. Auf unserer Fragen hin, was passiert sei, antwortet er, er habe dem anderen nichts gemacht. „Er hat sich entschuldigt und gesagt, es kommt nicht wieder vor. Da habe ich es gut sein lassen.“ Das glaube ich ungesehen.
Da habt ihr ja richtig viele Kamele gesehen. Davon könnte ich auch nie genug bekommen. Irgendwie haben die Viecher was 😁. Die teils karge Landschaft, durch ihr an diesem Tag gefahren seid, hat es mir auch angetan. Schnee als Attraktion für die Einheimischen? Kann ich mir in diesen Gefilden lebhaft vorstellen!
Ich finde, Kamele sehen stets aus, als würden sie immerzu lächeln. Oder hochmütig gucken. Oder beides auf einmal. Vielleicht sind die Einheimischen deshalb so vernarrt in sie😉
Toller Beitrag! Schnee haben wir übrigens auch hier…
Danke dir. Ach ja, der Schnee😉 bin aktuell in Polen bei der Familie, hier ist alles total weiß🤩
Un das alles für Schnee 🙂
Ja, schon verrückt, nicht wahr? 😉