Asien, Saudi-Arabien

Das Wrack der Catalina – Was von der Weltumrundung blieb

Das Neue Jahr begrüßt uns mit einem Phänomen, das es nur selten hier in diesen trockenen Breitengraden gibt. Das Neue Jahr begrüßt uns mit Regen. Mit großen Augen sitze ich vor den Glasschiebetüren unseres Hotels und drücke die Nase an der Scheibe platt. Und kann kaum glauben, was ich da sehe. Der Himmel zeigt sich von seiner dunklen Seite, schwarze Wolken wälzen sich über der Stadt und der Regen peitscht über die Straßen. Und nicht nur ein Bisschen Regen. Ganze Rinnsale bilden sich auf der Fahrbahn, die mangels Notwendigkeit über keine Möglichkeit verfügt, das Regenwasser seitlich abfließen zu lassen. Vorbeifahrende Autos lassen Wasserfontänen aufspritzen. Die Saudis werden an heutigem Tage wohl große Augen machen.

Unser Gepäck ist aufgestapelt und wir abfahrbereit, doch es ist mit Wartezeit zu rechnen. Zum bereits zweiten Mal hatte Marco, der Guide, einen neuen Fahrer für uns organisiert. Die Angewohnheit der saudischen Fahrer, während der Fahrt ihre Augen auf ihrem Handy statt auf der Straße geheftet zu lassen hat die deutsche Seele unseres Reiseleiters bis ins Mark erschüttert. Mein „Kasia, komm Shisha rauchen“ Fahrer muss also das Weite suchen, während wir nun auf neue, kleinere Fahrzeuge verteilt werden.

Währenddessen sprinte ich mit Wasim schnell in die nahegelegene Apotheke, um Hustensaft für Stefan zu besorgen. Die kräftige Erkältung hat sich nun auf die unteren Atemwege ausgebreitet, mein Liebster gleicht einem Häufchen Elend. Und auch ich bemerke einen sich leise, aber hartnäckig anschleichenden Schnupfen. Und all das während einer Phase, in der die Menschen zwar etwas entspannter, doch noch immer sehr sensibilisiert gegenüber einer möglichen COVID-Infektion sind. Das kann ja heiter werden.

Der neue Fahrer ist, zumindest in unserem Fahrzeug, ein älterer Saudi, traditionsreich mit Ghutra und Kaftan gekleidet. Langsam bewegt er das Vehikel über die regennassen Straßen. Ja, okay, das Wasser fließt in kleinen Bächen über die Fahrbahn. Doch das ist für mein bei jedem Wetter geübtes, deutsches Fahrgemüt noch lange kein Grund, um mit Tempo dreißig vor sich her zu eiern. Oder gar, um am Straßenrand anzuhalten. Aber, so tröste ich mich – die Menschen hier sind solche Verhältnisse nicht gewohnt. Es ist so ähnlich wie im Süden Deutschlands, wenn im Winter unerwartet etwas mehr Schnee vom Himmel fährt. Alles läuft panisch umher, schließlich breitet man die Hände aus und ergibt sich kampflos seinem Schicksal. Soeben hatte sich unser Fahrer seinem Schicksal ergeben.

 

Mein Stefan freilich kriegt von all dem kaum etwas mit. Wie betäubt schläft er auf dem Vordersitz, macht hin und wieder nur kurz die Augen auf, um gleich danach in seinen Dämmerzustand zu fallen. Was mir zu diesem Zeitpunkt Sorgen macht, ist im Nachhinein leicht zu erklären. Es ist der starke, arabische Hustensaft, der die Wirkung seiner Schmerztabletten verstärkt. Liebe Kinder, niemals Hustenstiller mit Schmerzmedikation einnehmen. Das haut selbst den Stärksten um.

Unser Reiseplan für heute muss modifiziert werden. Das ist wohl auch der Grund, warum unsere beiden Jeeps hintereinander am Straßenrand anhalten – und nicht, wie ich zunächst denke, weil die Fahrer nicht mit den Wetterverhältnissen zurecht kommen. Der Plan für heute war ein Besuch der Tayeb Ism, einer Felsenschlucht vorgesehen. Der Überlieferung nach soll Moses dort, wo die Schlucht am Meer endet, das Meer entzwei geteilt haben, damit die Israeliten aus Ägypten fliehen konnten. Doch das Vorhaben fällt buchstäblich ins Wasser, denn bei dem heutigen Regen ist die Gefahr von sich plötzlich bildenden Sturzbächen einfach zu groß. Sehr schade, denn die Schlucht wäre den Bildern nach spektakulär gewesen. Der Sicherheitsaspekt geht vor, doch das Team der Guides lässt noch lange keine Langweile aufkommen. Es gibt viele spannende Alternativen hier in der Provinz, und eine davon steuern wir jetzt an.

Irgendwann verlassen wir die Wetterfront. Die Wolkendecke wird dünner, bis wir den gewohnten Sonnenschein erreichen. Wir fahren nun entlang der Küste am Roten Meer, hin zur Meerenge, die der biblischen Überlieferung nach einen Fluchtweg der Israeliten über das Meer aus Ägypten darstellte. Hier an dieser Meerenge soll Moses das Wasser des Meeres geteilt haben und hier sollen die Israeliten trockenen Fußes ans andere Ufer gelangt sein. Die Überlieferungen von Moses spielen auch im muslimischen Glauben der Araber eine wichtige Rolle.

 

Das Catalina-Wrack

Als wir an der sandigen Küste ankommen, sind die Wolken vollständig verschwunden. Gelber Strand zieht sich streifenförmig am Horizont entlang des blauen Himmels, dunkles Wasser lässt in der Ferne das Meer erahnen. Schon beim Heranfahren drehe ich mich ungeduldig hin und her und sobald das Auto hält, öffne ich die Türe und springe sofort aus dem Wagen.

Es ist windig hier am Meer, sehr windig sogar. Doch es ist ein verhältnismäßig warmer Wind. Er zieht an meinem Haar und an meiner Tunika, doch ich achte nicht darauf. Denn es ist ein fotografisch besonders interessanter Ort, an dem uns unsere Guides hier rausgelassen haben. Wir stehen vor einem historischen Flugzeugwrack, welches in mehreren Teilen verstreut an der Küste liegt. Der Rumpf scheint zerrissen worden zu sein und ich kann nur darüber spekulieren, was hier geschehen sein mochte. Eine Infotafel bietet Aufklärung.

Beim Catalina-Wrack handelt es sich um ein restauriertes Wasserflugzeug der US-Navy, das 1930 in San Diego erbaut wurde. Das Flugzeug landete 1960, um das Gebiet zu erkunden, und wurde mangels Genehmigungen von der saudischen Wache gestoppt. Das Flugzeug war von einem amerikanischen Piloten restauriert worden, der sich mit seiner Frau und seinen Kindern auf einer Weltumrundung befand. Sie blieben unverletzt und kehrten nach Hause zurück. Das Flugzeug jedoch blieb bis zum heutigen Tage im Wüstensand stecken. 

Soviel zur offiziellen Version der Geschichte. Ob die Passagiere in Anbetracht der Zerstörung, die dem Rumpf anzusehen ist, wirklich unverletzt blieben, sei dahingestellt. Ich erklimme eine Düne, schlendere am Wasser entlang und warte ab, bis sich die Meute entlang des Meeres zerstreut hat. Dann erst umkreise ich den Rumpf des Fliegers, mache unzählige Bilder und dann, als ich glaube, die spezielle Stimmung dieses Ortes auf Chip gebannt und in mich aufgenommen zu haben, verkrieche ich mich weit weg von den anderen in einer Felsennische direkt über dem Wasser, setze mich in die Kuhle aus Sand und Korallengestein und spähe hinüber über die Meerenge auf die andere Seite, dorthin, wo sich ein anderes, mir noch fremdes und unbekanntes Land erstreckt: Ägypten.

Zierlich und schmal zieht sich der Küstenstreifen vor meinen Augen, doch schaut man genauer hin, so sind sogar die Häuser der ägyptischen Hafenstadt gut zu erkennen. Wenn mich nicht alles täuscht, dann müsste es sich hierbei um Scharm el Scheich handeln, einen beliebten ägyptischen Urlaubs- und Badeort. Dort, wo meine Füße nun stehen (oder mein Hinter kauert), befinden wir uns nahe des saudischen Ortes Ras Alsheikh Hamid.

Wir fahren weiter. Immer an der Küste entlang in nordwestliche Richtung. Die Wasserstreifen, die wir auf der linken Fensterseite passieren, wechseln ihre Farbe wie in einem Kaleidoskop, mal sind sie tiefblau, dunkel, beinahe schwarz, mal erstrahlen sie in einem hellen Türkis, heben sich kontrastreich vom hellen, blassen Grün der spärlichen Pflanzenvegetation und vom warmen Gelb des Sandes ab. Reichen an das klare, beinahe kühle Blau des Himmels, der von einigen weißen, ungefährlichen Schäferwolkenfeldern durchzogen ist. Vom Wind gekrümmte Palmen, welche die unwillkürlichen Bilder von manchen karibischen Inseln vor dem inneren Auge entstehen lassen, bilden eine seltene Abweichung von der ansonsten kargen Landschaft. Die kerzengerade Straße vor uns und hinter uns ist leer, nur selten kommt uns ein Fahrzeug entgegen.

Als vor uns aus dem Tal eine Herde anmutiger, schwarzer Kamele wie Geister auftaucht, ist ein weiterer Stopp unumgänglich. Noch sind wir nicht soweit, Kamel Kamel sein zu lassen.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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14 Kommentare

  1. Euer Reiseguide ist Spitze hat er doch extra für euch Regen organisiert. Schade, dass ihr deshalb die Schlucht nicht sehen konntet. Regen hattet ih ja schon gesehen die Schlucht aber nicht. Schwarze Kamele? Davon habe ich noch nie gehört. Bilder wie immer top.
    Liebe Grüße
    Harald

    1. Ja, der Regen war genau das richtige für das sonnendürstige, winterlich deutsche Gemüt… hm… 😉 Vielleicht war das aber besser als die saudischen, sommerlichen 50 Grad im Schatten. Da würde man sich Regen wünschen…

  2. Hi Kasia,
    na endlich mal was für den Opi – das Stichwort heisst Technik! Na gut, ist nur ein altes kaputtes Flugzeug, aber da geht einem doch das Herz auf, wenn man statt Sand, Kamelen, Kamelen und Sand mal was sieht, was aus bestem Flugzeugaluminium besteht.
    Aber wo sind die Fotos vom Cockpit, von den Instrumenten? Du im Pilotensitz mit einer Fliegerhaube auf?
    Da hast Du die Chance in die Fussstapfen von Charlotte Lindbergh zu treten und lässt die schmählich liegen..
    Ich bin milde enttäuscht.. 😉
    Bleib gesund und always happy landings..
    CU
    P.

    1. Joah, das Cockpit hätte ich mir wohl anschauen können, hat mich aber so semi interessiert 😉 Aber die Karosserie reicht doch, um einen Eindruck zu bekommen. Und erst die romanhafte Geschichte dazu 😉 In den nächsten Folgen gibt es übrigens weitere Kamele…

  3. Wieder ein toller Beitrag! Danke dafür!

    1. Vielen Dank 🙂

  4. Was für ein trauriges Ende für die restaurierte Catalina… Ein Traum, der fast buchstäblich ins Wasser fiel. Glücklicherweise kamen sie (vermutlich) unversehrt davon. Es lieferte Ihnen bereits sehr authentische Bilder.

    1. Manchmal enden Träume eben auf diese Weise… was schade ist. Trotzdem sollte man sich nicht von seinen Träumen abhalten lassen 😉

    2. Hallo – nur falls einmal jemand hier vorbeigoggelt – die ganze dramatische Geschichte dieses Wracks haben wir gerade hier beschrieben: https://saudimag.de/archive/264 („SaudiMag“ Onlinemagazin)

      1. Vielen Dank, das ist interessant. Ich habe mich gewundert, wie wenig Info es zu diesem Flugzeug gab und dass der Inhalt der Infotafel nicht ganz mit dem übereinstimmte, was unser Guide in Ansätzen angedeutet hatte…

  5. Also Ägypten als Nächstes Reiseziel?
    Übrigens: Wir hier im Süden Deutschlands sind nicht überfordert von dem Schnee auf den Straßen, nur überrascht. jedes Jahr wieder. 😂😂😂

    1. Ägypten gerne als nächstes Reiseziel. Schon länger schwebt mir eine Nilkreuzfahrt vor… Ach übriges, es wurde schon wieder äußerst überraschender Schneefall angekündigt 😉

  6. Regenfluten in SA. Das ist in der Tat nicht das, was man dort erwartet! Schade, dass euch deshalb die Schlucht durch die Lappen ging. Aber das Alternativprogramm hatte ja auch was! Die Story um das Flugzeugwrack ist interessant, Zweifel an der offiziellen Version hin oder her. Deine Fotos von der Landschaft, die ihr heute gesehen habt, sind klasse! Hoffentlich hat sich Stefans Zustand in den folgenden Tagen gebessert.

    1. Ach na ja, Stefan hing ziemlich in dn Seilen. Die Regenfluten überraschten uns auch, so ein Wetterphänomen kommt dort höchstens alle paar Jahre vor😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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