Asien, Saudi-Arabien

Bis der Sand spritzt – Driften in der Wüste

Hier, in diesem Teil des Landes, so nahe an Jordanien, beginnen bereits die Ausläufer der Wüste Wadi Rum, die vielfach als die schönste Wüste der Welt beschrieben wird. Im Licht der tief stehenden Sonne beginnt der Sand, rot zu leuchten; die Umgebung wird mit einem Mal atemberaubend schön. Den Stau haben wir längst hinter uns gelassen und auch die anderen beiden Fahrzeuge haben sich hinter uns eingefunden. Unsere Nasen kleben an der Fensterscheibe. Dieser Teil der Wüste ist ein Ort, an dem sich Menschen mit ihren Familien treffen, um Zeit zu verbringen, oder auch junge Leute, die einfach nur Spaß haben wollen. Die sandigen Hügel, welche in die Höhe führen, sind übersät von Reifenspuren. Die Rillen führen im Kreis herum, ein Beweis dafür, dass hier wilde Fahrten durch den Sand bergauf und bergunter veranstaltet werden. Familien sitzen auf Decken im Sand und picknicken; überhaupt scheint das Picknick neben Dünenfahrten und Shoppen in den städtischen Einkaufsmeilen, Volkssport Nummer eins hier zu sein.

Schließlich hält es uns nicht mehr im Sitz und wir äußern den Wunsch, nach draußen zu dürfen. Für eine kurze Zeit gibt es „Auslauf“; wir streunen am Fuße der sandigen Berge und vertreten uns die Beine. In unserer Nähe sind einige Familien beim Picknick. Ein kleines Mädchen rennt auf mich zu und sagt schüchtern in gutem Englisch ihren Namen. Nachdem wir uns vorgestellt haben, sagt sie noch: „Ich bin hier mit meiner Familie.“ Und rennt zurück zu den ihren, als hätte sie mit einem Mal Angst vor der eigenen Courage. Grinsende Gesichter schauen mir von ihren Picknickdecken entgegen.

Unser Fahrer besteht allerdings darauf, weiter zu kommen, denn wie er sagt, die wirklich schönen Areale der Wüste befinden sich noch vor uns. Wir würden ein Stück von der Straße weg und in den Wadi hinein fahren, erklärt er uns. So lassen wir uns ziemlich schnell von der schönen Umgebung loseisen und steigen voller Vorfreude wieder ein.

Stefan indessen verbringt die Fahrt schlafend. Halten wir an Sehenswürdigkeiten oder an schönen Plätzen, so wacht er auf und steigt mit uns aus, ansonsten schläft er durchgehend weiter und schnarcht auf dem Beifahrersitz neben unserem Fahrer munter vor sich hin. Nach dem einen oder anderen Seitenblick zu meinem Liebsten spricht der Fahrer schließlich, den Kopf in meine Richtung gewandt. Er will von mir wissen, in welchem Verhältnis Stefan und ich zueinander stehen.

„Das ist mein Partner.“ Erkläre ich. Das wiederum versteht der Fahrer nicht. „Was?“ Hackt er nach, in der Annahme, er hätte sich verhört. „Wer ist das? Der Vater?“
„Nein.“ Antworte ich, zunehmend irritiert. „Mein Partner.“ Unser Fahrer schaut völlig orientierungslos, bis meine Mitreisende Anna schnell die Situation rettet und erklärt, Stefan sei mein „Husband“. Mit dem Begriff des Ehemanns kann der Araber wiederum mehr anfangen und nickt beruhigt mit dem Kopf.
„So etwas wie einen Partner hat man hier nicht.“ Flüstert mir Anna zu. Sie hat Recht, wie dumm von mir. Manchmal kann man mit einem kleinen Schwindel größere Irritationen vermeiden.

„Und warum ist er hier dabei?“ Will der Fahrer nun wissen. „Er schläft doch die ganze Zeit nur.“ Umständlich erkläre ich etwas von Rückenschmerzen, Medikamenten und Stefans Gesundheitszustand. Der Fahrer nickt erneut und fragt nicht weiter. Stefans Dauerdämmerzustand an diesem Tag beunruhigt auch mich, doch vielleicht braucht sein Körper ja die Erholung, wer weiß, denke ich mir. Im Nachhinein, so vermute ich, war es wohl der starke, hiesige Hustensaft in Kombination mit Schmerztabletten, die ihn so außer Gefecht gesetzt hatten.

Tatsächlich verbringe ich in den letzten Tagen die meiste Zeit damit, mich während der Fahrt mit Anna zu unterhalten. Inzwischen sind uns bereits Teile unserer Lebensgeschichten bekannt; zudem führt Annas Gesellschaft zu allerlei lustigen Situationen. Ein inzwischen etablierter Running Gag ist es geworden, meiner Mitreisenden Datteln anzubieten. Dabei weiß ich genau, dass Anna keine Datteln mag. War mir das zur Beginn regelmäßig entfallen, so mache ich mir inzwischen einen Spaß daraus, sie trotzdem hin und wieder mal zu fragen.

„Aber liebe Kasia.“ Sagt sie dann mit engelhafter Geduld. „Du weißt doch, dass ich keine Datteln mag.“
„Na ja.“ Sage ich daraufhin. „Vor zwanzig Minuten mochtest du keine Datteln, das kann sich ja inzwischen geändert haben.“
“ ———- “
„Magst du jetzt vielleicht Datteln?“

Oder aber folgende Anekdote. Anna und ich sitzen zusammen auf dem Rücksitz des Geländewagens. Da ich es versäume, der lieben Anna von meinen Datteln anzubieten, kaut sie stattdessen an Kürbiskernen herum. Plötzlich nimmt sie eine Handvoll Samenschalen und pfeffert diese mit Schmackes an mir vorbei gegen die geschlossene Fensterscheibe. Die Schalen fliegen im Auto herum, auf meinen Schoss und zur Boden, ich schaue Anna konsterniert mit großen Augen an: „WAS war denn das?“

„Kürbisschalen.“ Antwortet Anna seelenruhig.

Sie dachte, das Fenster sei weit geöffnet…

Wie versprochen verlassen wir nun die Straße und graben uns tiefer und tiefer in die Wüste ein. Elegant bewegt sich das Fahrzeug über dem orangenen Sand, welcher bereits von Rillen und tiefen Furchen anderer Fahrzeuge und deren abenteuerlustigen Fahrer durchzogen ist.

Oben, auf einem Dünenkamm, parken wir und steigen aus. Die Räder mancher Fahrzeuge sind bis zur Hälfte eingegraben, doch das macht nichts. Das ist wieder der Moment, in dem mein Stefan wach wird und sich aus dem Auto quält.

Die Wüste ist traumhaft schön. Weiches Licht bricht sich auf den rund geformten Felsen, weiche Formen und warme Farben dominieren den Anblick. Der auf den ersten Blick so behaglicher Eindruck täuscht jedoch: es ist windig und es ist kalt. Unsereins trägt nun alle Schichten Kleidung am Leib, welche die Taschen und Rucksäcke hergeben. Angeschlagen sind wir beide noch von unserer Übernachtung in der Rub al Chali, doch es ist nicht die Zeit, groß darauf zu achten. Ein Sonnenuntergang bahnt sich an.

Die Wüste lebt. Nein, damit meine ich nicht irgendwelche Pflänzchen, Schlangen und Echsentiere, sondern all die jungen und älteren Männer, derer Freizeitbeschäftigung rasante Fahrten über die Dünen des Wadi darstellen. Immer neue Fahrzeuge schießen mit hohem Tempo an uns vorbei; Sand spritzt in die Höhe, sobald eines dieser Fahrzeuge die Kurve nimmt. Aus dem Inneren der Autos hört man Lachen und vergnügtes Rufen.

Als ich nach einer ausgiebigen Spazierrunde wieder zurück komme, sehe ich, wie unsere Fahrer gerade dabei sind, mit einem Seil ein anderes Fahrzeug aus dem Sand zu ziehen. Der gute hatte sich doch noch festgefahren, und obwohl wir eigentlich wieder unterwegs sein wollten, so steht außer Frage, dass wir helfen, wenn wir können. Hier lässt man sich nicht im Stich, das gebietet der Anstand. Ein ums andere Mal drehen die Räder durch, ein ums andere Mal schießen Fontänen aus Sand in die Höhe. Doch die Jungs scheinen genau zu wissen, was sie tun – zumindest vermitteln sie einen unerschütterlichen Eindruck. In dieser männerdominierten Gesellschaft stehen wir Mädels daneben und machen hübsche Gesichter; ansonsten hätte ich den Jungs den Tipp gegeben, es doch mal mit Fußmatten unter den Rädern zu probieren. Nach einem längeren Tauziehen mit den Kräften der Wüste, nachdem der Fremde ein ums andere Mal Gas gibt und es schon so aussieht, als würde er sich noch tiefer in den Sand eingraben, schaffen es die Männer doch noch.

 

Auch wir fahren ein paar Runden durch den Sand, einer unserer Guides auf der Außenseite des Geländewagens stehend. Doch so richtig will sich das Drifting nicht einstellen und es gibt Proteste – Stefan will nicht. Einerseits kann ich das angesichts seines Zustands verstehen, andererseits finde ich es äußerst bedauerlich, etwas so spaßiges nicht erleben zu können.

 

Beim Abendessen in einem lokalen Restaurant sieht sich unsere Reisegruppe zum ersten Mal mit etwas konfrontiert, das bis dato so gar keine Rolle in der saudischen Freizeitgesellschaft gespielt zu haben schien: mit sorgfältig umgesetzten COVID-Kontaktbeschränkungen. Unsere Bitte, die Tische doch zusammen zu rücken, damit wir gemeinsam speisen können, wird freundlich, aber entschieden abgelehnt, so dass der räumliche Abstand zwischen den einzelnen der Gruppe, die ja ansonsten zur Genüge während der Reise in Kontakt miteinander stehen, gewahrt wird. Doch wir haben längst gelernt, sich mit dem Sinn und Unsinn der Sicherheitsmaßnahmen zu adaptieren – und das wie immer leckere Essen stimmt uns friedlich.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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6 Kommentare

  1. Was für eine wahnsinnig schöne Landschaft! Da hätte ich es wohl auch gut ausgehalten. Ich muss allerdings gestehen, dass mir der Anblick der von Fahrspuren durchzogenen Wüste und die Geräuschkulisse der Fahrzeuge den Spaß da eher verhagelt hätte. Ich finde, die Wüste beeindruckt neben ihrer Optik vor allem durch ihre natürliche Stille. Das hatte ich im Oman am meisten genossen. Aber ich will hier nicht auf die Spaßbremse treten! Natürlich gönne ich jedem, der da gerne mit einem Auto durchheizt, seinen Spaß 😎.

    1. Ich bin da recht tolerant, was das Herumfahren in der Wüste betrifft, zum einen deshalb, weil sich die Möglichkeiten für Spaß für die sehr junge Bevölkerung in Grenzen halten (70% der Saudis sind unter 30), zum anderen weil ich die Kunststückchen der Jungs auf dem Sand echt bewundere. Gut, ich als Frau da am Steuer, das wäre wohl undenkbar. Aber ich glaube fest daran, dass saudische Frauen Stück für Stück das Undenkbare machbar machen werden 😉

  2. Eine tolle Landschaft und beeindruckende Bilder!

    1. Dankeschön. Die Landschaft hat uns auch super gefallen😉

  3. Wunderschöne Bilder und es ist zweifellos großartig, in einem Allradfahrzeug durch diese Sandflächen zu fahren … bis Sie stecken bleiben 🙂

    1. Aber irgend jemand holt einen dann doch raus 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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