Asien, Saudi-Arabien

Die Lehmstadt Al Ula

Ein biblisch alter Ort, eine Oase, die in einem Tal an einer der Weihrauchrouten liegt. Es wurden Inschriften aus dem 6-4 Jahrhundert vor Christus gefunden; Al Ula gleicht dem biblischen Ort Dadan und war Hauptstadt des Reiches Lihyan. Die Altstadt ist heute eine Geisterstadt. Bei einem der seltenen, jedoch verheerenden Regenfällen, wurde das Tal geflutet und die Wirtschaft zerstört.

„Wir befinden uns an der tiefsten Stelle vom Tal.“ Sagt unser Guide. „Dies war nur die Sommerstadt gewesen, das Downtown sozusagen. Für den Winter, wo mit zunehmendem Starkregen zu rechnen war, zogen die Menschen in das höher gelegene Uptown, das ‚Winter-Al-‚Ula“. Heute stehen im Downtown die Lehmbauten leer oder sind zum großen Teil zerstört. Vieles wurde abgerissen, um Platz für die Neustadt zu schaffen. Doch das wenige, das sich erhalten hatte, ist heute eine touristische Attraktion. Hier, im Umkreis dieses historischen Ortes, werden wir die folgenden Tage verbringen.

 

Al Ula, das Downtown

Nach einer ewig dauernden Busfahrt erreichen wir Al-‚Ula. Nicht ohne vorher eine spektakuläre Felsenlandschaft zu passieren, die mit ihren Felsplateaus entfernt an Nevada erinnert und wo wir, hungrig nach Neuem und schönen Bildern, für ein paar Minuten und -aufnahmen aus dem Bus springen.

Dann, nach einer weiteren, kurzen Fahrt kommen wir bei Al-‚Ula an. Der Zutritt zur Altstadtpassage wird kontrolliert, Besucher zeigen die Tawakkalna App vor. Anschließend schlendern wir durch die Altstadt, den „Sommerteil“ der Geisterstadt. Zugegeben, die Anlage haben sie richtig schön eingerichtet. Hier können wir zum ersten Mal nach belieben fotografieren, auch die eine oder andere traditionelle Männer- bzw. Frauenkleidung „läuft“ uns vor die Linse oder findet sich als „Beifang“ auf den Bildern.

Es scheint nicht vorgesehen zu sein, von den ausgewiesenen, mit Souvenirbuden und Cafés gesäumten Pfaden abzukommen und zwischen den zerfallenden Lehmbauten spazieren zu gehen, doch wir haben es ehrlich gesagt nicht versucht. (Ein paar Tage später sollen wir feststellen, dass die Lehmhäuser durchaus aus der Nähe besichtigt und sogar begangen werden können…) Die Altstadt von Al-‚Ula ist der erste, wirklich touristische ort, den wir im Saudischen Königreich sehen; das mag mit der unmittelbaren Nähe zum UNESCO-Welterbe, den in der Wüste befindlichen Nabatäer-Grabstätten liegen. Hier in der Altstadt von Al-‚Ula gibt es Postkartenläden, T-Shirts und sonstige Souvenirs zu erstehen, ferner unzähligen Cafés (gut, die einzige, quer durch den Ort führende Straße ist überschaubar, sicherlich ließen sie sich zählen). Es gibt Restaurants und Shisha Bars. Auf einem kleinen Platz spielen zwei Musiker Laute und singen dazu. Ja, es ist touristisch, doch es ist stimmungsvoll und passt hierher.

 

Der Besucherstrom, der sich durch Al-‚Ula schiebt, besteht sowohl aus Saudis als auch Nichtsaudis verschiedenster Colour. Ab und zu treffen wir auf Europäer, doch noch sind sie hier ein rares Gut. Ich hingegen bin auf der Jagd nach Souvenirs. Besonders haben es mir die Magnete angetan; seit meiner Reise nach Georgien bin ich dank meiner Familie dem Magnet-Sammelfieber verfallen. Wie schön, wenn ein Volk über seine kulturellen Eigenheiten und Klischees, die drumherum kursieren, selbst lachen kann. So entdecke ich Motive mit „No Women“, einem im roten Verkehrsdreieck sichtbarem, durchgestrichenem Frauenkopf im Nikab. Manche Motive zeigen alte Verkehrsschilder, die erst seit kurzen geändert worden sind und die früher eine gesonderte Verkehrsführung für Muslime und Nichtmuslime aufwiesen. Hintergrund dazu ist, dass es Nichtmuslimen untersagt war, sich auch nur in die Nähe des Heiligtums Mekka zu begeben. Das wurde inzwischen gelockert.

Doch mein Favorit ist das Motiv mit Mann, Kamel und Frau. Warum diese Reihenfolge der Aufzählung? Könnt ihr es euch denken? Wenn der Mann nach Hause kommt und ihm die Frau freudig entgegen rennt, begibt sich dieser zuerst zu seinem Kamel, welches stolz mit laszivem Blick daneben steht. Ein Bisschen Wahrheit steckt da wohl drin… oder?

Unser Guide Marco erklärt uns indessen die Sache mit den vielen Touristen hier. „Die mit den Nummern auf der Kleidung, sieht ihr die?“ Er zeigt auf ein deutsches Paar, das sich beiläufig umdreht. „Sie kommen von Kreuzfahrtschiffen. Sie fahren von Hafen zu Hafen, steigen aus, tummeln sich eine Stunde lang oder zwei und fahren dann weiter. Sie blockieren die Ortschaften und hinterlassen nichts als Müll. Die Leute hier haben nichts von ihnen, die essen nicht mal was.“ Denn weshalb sollte ein Kreuzfahrt-Ausflügler vor Essen gehen, wenn auf dem Schiff alles inclusive ist.

In einem der stimmungsvoll gestalteten Cafés lassen wir den Abend ausklingen. Der Außenbereich vermittelt Beachfeeling. Ganz ausgefallene, „traditionelle“ (häh?) Getränke bietet die Karte an, wie Rosen-Latte oder heißen Zimt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass kein Beduine in seinem Zelt in der Wüste sitzt und heißen Zimt schlürft, doch hier kommen die Drinks und der Lifestyle gut an. Und, oh, sie sind lecker.

Eine Gruppe verschleierter Frauen am Nachbartisch beobachtet uns neugierig. Als ich hinüber schaue, lächeln sie herzlich. Und ja, das Lächeln der Augen kann man auch hinter einem Nikab erkennen.

Katzen schleichen um uns herum, erschrocken, sobald man sich ihnen zuzuwenden versucht. Und, verlässt man seinen Platz und geht zwei Schritte hinten raus, so kann man von einer erhöhten Position aus einen Blick auf die zerstörte Stadt erhaschen.

Unsere Runde ist gemütlich und wir lassen das Geschehen an uns vorbei ziehen. Von irgendwoher tauchen Datteln auf, fast schon obligatorisch hier im Land. Und dann, als wir eh schon beschließen, zu gehen, treibt uns – wer hätte das vermutet hier in der Wüste – Nieselregen von unseren Sitzen hoch. Für die Locals hier sind die vier mal vier Tropfen ein Event, während unsereins verstimmt die Köpfe einzieht. Da hätte man auch in Deutschland bleiben können…

 

Die Auto fahrende Frau

Riesenhafte Steine in geisterhaft fahlem Licht ziehen an uns vorbei. Der Bus bringt uns raus aus der Stadt und hinein in die Wüste, denn von heute an schlafen wir zwei Nächte lang in Zelten. Nächtliche Straßen. Nur noch wenige Leute sind jetzt noch unterwegs. Dann – nichts mehr, schwarze Nacht. Nur diese geisterhaften Steine…

Doch wait: vorher gehen wir noch essen. Natürlich, das Essen. Wenn ich nur meinen Fotobeweis nicht hätte…

Hier, in einem libanesischen Lokal, hat Hatim wieder zugeschlagen. Die großen Tabletts sind randvoll gefüllt mit Reis, Pommes, Hähnchen- und Rinderkebab. Garniert wird das Ganze mit einer speziellen, libanesischen Pizza. Der dazu gereichte Salat schmeckt minzig und frisch. Es ist die Art Essen, die ich am liebsten jeden Tag genießen möchte.

Allerdings ist es bei weitem nicht Standard, dass ein Essenslokal auch über Gästetoiletten verfügt (schließlich, lieber Gast, kommst du her, um zu essen, nicht um zu k***…). Also schließen sich die Frauen aus unserer Gruppe zu einer temporären Interessensgemeinschaft zusammen und wandern zwei Häuser weiter in ein schickes Café. Als ich vor den Toiletten auf die anderen warte, bemerke ich, dass ich heimlich gefilmt werde. Das verschleierte Mädel legt verlegen sein Handy weg, doch ich stelle mich aufrecht hin und posiere. Die beiden anderen Frauen aus unserer Gruppe werden zurückgepfiffen (pinkeln könnt ihr später, da will jemand ein Bild von euch…) und wir drapieren uns der Reihe nach fürs Foto. Schon gut, du glückliches Mädchen, bedanken brauchst du dich nicht – wir wissen doch, dass unser Anblick hier noch eine kleine bis mittlere Sensation darstellt.

Später sehe ich die drei draußen, wie sie in ihr Auto steigen. Eine von ihnen sitzt am Steuer. Ich freue mich, winke und halten den Daumen hoch. Vielleicht halten sie mich ja für irre. Da habe ich die ganze Zeit über das Handy bei mir kleben, und ausgerechnet jetzt liegt es zwei Häuser weiter auf dem Esstisch. Ihr müsst ohne ein Beweisfoto der Auto fahrenden, saudischen Frau auskommen…

 

Ein Camp in der Wüste

Riesenhafte Steine also. Der Weg zum Camp in der Wüste. Dunkelheit. Ich bin gespannt, was uns erwartet.

Der Bus weicht von der Schnellstraße ab und biegt in einen sandigen Weg ein. Es war mir von Beginn an ein Rätsel, wie dieses schwere Gefährt auf sandigen Bisten bestehen kann, ohne sich festzufahren. Vor der Einfahrt zum Camp bleiben wir stehen. Besser: wir bleiben stecken. „War dieser Torbogen schon immer da?“

Ein mit LED-Ketten beleuchteter Rundbogen versperrt uns den Weg. Er ist von seiner Maße her so gestaltet, dass der Bus knapp, sehr knapp… nicht durchpasst und kurz vor dem Camp stehen bleiben muss. Wir steigen derweil schon mal aus und beobachten amüsiert die Versuche des Fahrers, sich doch noch irgendwie hindurch zu schlängeln. Und sind nicht schadenfroh, nein, überhaupt nicht. Das käme niemandem hier in den Sinn. „Das mit dem Bogen sieht aus, als würde der Bus heiraten.“ Sage ich lachend.

Die Campbetreiber begrüßen uns. Ich werfe einen faszinierten Blick in das Innere eines verräucherten Zeltes, wo Beduinen sich im Rauch bewegen wie schemenhafte Gestalten. Hier, in diesem großen Zelt, werden wir später ums Feuer sitzen und Tee mit ihnen trinken. „Willkommen!“ Sagen sie nun.

Unsere Zweipersonen-Zelte sind alle gleich gestaltet und für jeden ist genügend Platz vorhanden. Wir schnappen uns ein Zelt, das etwas abseits vom Trubel liegt, und „checken“ schon mal ein. Uns erwarten zwei bequeme Futonbetten (gut, für Stefan weniger bequem, die Bandscheiben…), Handtuch, ein Kosmetik-Kit und eine große, warme und dichte Kuscheldecke. Das flauschige, schwere Teil hält wohl ziemlich warm, denke ich. Das werden wir auch bitter nötig haben, doch dazu später mehr.

Mein Stefan bleibt vorerst in unseren privaten „Gemächern“, während sich der Rest der Gruppe in jenem großen, rauchigen Beduinenzelt am Lagerfeuer versammelt. Wir setzen uns ums wärmende Feuer und werden begrüßt mit Tee und Kardamom-Kaffee – für die Verdauung. Jemand reicht uns mit Mandeln gefüllte Datteln, und ein farbenprächtiger Teller Obst steht für uns bereit. Unser Busfahrer teilt seine Shisha mit mir; schön rauchig, minzig und frisch. Angefacht wird das Feuer mit Reisig und trockenen Zweigen, die Rauchentwicklung ist dementsprechend groß. Doch ich mag ihn, den Geruch nach Holzkohle. Es ist mollig warm im Zelt, unter der Decke stehen blaue Schwaden und alles riecht knusprig nach Grill. Ich fühle mich wohl. Nun teilt Wasim seine Shisha mit mir. Doppel-Apfel, ziemlich stark. „Only for big boys.“ Sagt Wasim und grinst. Die Empörung der anwesenden Frauen ist ihm sicher. „Ja.“ Sage ich. „Dann gib schon rüber!“

Die Stimmung ist gut, wir haben Lagerfeuer, Tee und Kaffee, erzählen uns Reisegeschichten, lachen und scherzen. Marco und der Busfahrer beginnen zu tanzen, es endet mit Applaus der Umstehenden. Dann sitzen wir beisammen.

Das geht solange gut, bis Stefan den Kopf durch die Öffnung steckt. „Hier ist es total verraucht! Das ist gefährlich, hier droht eine Kohlenmonoxid-Vergiftung! Ernsthaft, ich gehe da nicht rein, sowas nennt man den Bergwerk-Tod!“

Innerlich verdrehe ich die Augen. Doch die Hälfte unserer Gruppe lässt sich aufschrecken und verlässt nun ebenfalls das Zelt. Marco veranlasst, dass das Feuer ausgemacht und anschließend fachgerecht mit einem Gasbrenner neu angefacht wird. Die Planen des Zeltes werden weit geöffnet, die Wärme und der Rauch verfliegen irgendwo in die Nacht hinaus und unsere gute Stimmung gleich mit. Ich habe Gewissensbisse, habe ich doch meinen Stefan unbedingt dazu holen wollen. Das habe ich nun davon.

Es ist kalt im Zelt. Marco versucht sein Bestes, doch die Stimmung von eben lässt sich nicht wiederherstellen. Und derjenige, der sich so laut beschwert hat, bleibt bis zum Schluss draußen sitzen.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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5 Kommentare

  1. Die Felslandschaften, an denen ihr da vorbeigefahren seid, erinnern tatsächlich an den Südwesten der USA. Das Örtchen, wenn auch touristisch, wie du schreibst, macht einen sehr hübschen Eindruck. Das hätte mir wohl auch gut gefallen.

    Ich habe ja schon eine Menge einschlägige Erfahrungen mit Kreuzfahrttouristen gemacht. Aber dass sie neuerdings schon Nummern auf der Kleidung tragen, ist ja echt ein ganz besonderes Niveau an Satire 😂.

    Tja, nun hast du es auch zum Filmstar gebracht, wenn auch nur auf YouTube bzw. seiner saudi-arabischen Variante. War bestimmt eine witzige Situation!

    Das Geheimnis, mit fahrbarem Untersatz nicht in sandigem Gelände steckenzubleiben, besteht (zumindest bei Jeeps, bei Bussen wird es vermutlich schwieriger 😅) darin, Luft aus den Reifen zu lassen. Dann klappt der Laden auch auf Wüstenboden und sogar inmitten von Dünen. Aber euer Hauptproblem war ja der etwas beengte „Hochzeits“-Bogen.

    Eure Zelte finde ich cool! Da hätte ich liebend gern drin übernachtet. Mit Bett und so hat das doch echt was, genau wie euer abendliches Zusammensein.

    1. Das Übernachten in den Zelten hätte gemütlicher sein können, wenn wir in einer wärmeren Jahreszeit gereist wären. Aber dann hätte uns die Hitze tagsüber vermutlich umgebracht…

      Das Driften auf Sanddünen sollen wir zu einem späteren Zeitpunkt unserer Reise noch live miterleben. Es ist für die Saudis ein großer Freizeitspaß. Dass aber ein Bus es schafft, sich nicht festzufahren, hat mich echt fasziniert.

      @Youtube Star: ach wir wurden tatsächlich dauernd fotografiert. Wer weiß, was mit den Aufnahmen alles passiert ist. Es stört mich aber nicht, irgendwo in einem fremden Land anonym auf irgendwelchen Filmchen zu sein. Ich „erwische“ mit meiner Kamera auch den einen oder anderen…

      1. So ging es mir in Indien. Mich stört sowas auch überhaupt nicht. Meist finde ich es eher witzig.

  2. Wieder ein sehr schön dokumentierter Bericht. Die Stadt Al Ula ist wirklich etwas Besonderes und die Wüstenlandschaften sind atemberaubend. Sie haben ganz offensichtlich sehr angenehme Momente im Beduinentent erlebt. Danke, dass du das alles mit uns teilst, Kasia.

    1. Das Land hat mich tief beeindruckt. Es hat touristisch viel zu bieten und auch die Menschen sind allerliebst.

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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