Als ich zum ersten Mal von dieser Burg in Hessens Norden erfuhr, dachte ich, sie sei Fake. So eine Halloween-Marketingaktion. Was ganz passend gewesen wäre, da meine Freundin und ich zu einer der Halloween-Veranstaltungen da waren, die jedes Jahr auf Burg Frankenstein stattfinden. Halloween auf Frankenstein ist fast schon legendär. Aber darum soll es heute nicht gehen.
Auch nicht um Geschichtsunterricht. Gut, ein paar Fakten sind wichtig, und die wollen wir auch nicht außen vor lassen. Doch wir wollen uns heute gezielt in die Sphären der Sagen und Monstergeschichten begeben, wollen spekulieren und übertreiben und uns gruseln. Mit der angeschalteten Taschenlampe unterm Kinn. Ja, genau so.
Rund siebenhundertfünfzig Jahre ist sie alt, die Burg, die im 13 Jahrhundert vom Geschlecht der Herren von Frankenstein errichtet wurde. Sie ist die nördlichste der hessischen Burgen und liegt gut sichtbar auf einer Erhebung im Mühltal, am Rande des Odenwaldes. Ritter Georg II. Reiz von Breuberg und seiner Ehefrau Elisabeth von Weiterstadt nahmen die Burg nach ihrer Heirat in Besitz und nannten sich von da an „von Frankenstein“.
Doch sie ist auch die Geburtsstätte des weltberühmt gewordenen Mythos vom Monster, das zum Leben erweckt wurde.
Dafür braucht man nicht viel, nur eines Wissenschaftlers, der Experimente mit Strom durchführt und einer Schriftstellerin, die davon Wind bekommt. Als Mary Shelleys zu Besuch in der Gegend ist und die Burg betrachtet, beflügelt es ihre Fantasie. Der Roman, der daraus entsteht, wird zum literarischen Welterfolg. Aus dem Wissenschaftler und Alchimisten Johann Konrad Dippel wird schnell ein verrückter Größenwahnsinniger und aus frischen Leichenteilen, in aller Eile von Friedhöfen gestohlen, wird ein Monster… halt, ein Monster gab es dort nie. Na ja, doch, hinterher schon. Im Roman selbst, versteht sich. Und schließlich als Maske in diversen Halloween-Shops. Frankensteins Monster wird niemals out.
Ist man denn nicht stolz, dass ein Schloss in Deutschland, in Hessen, also quasi just um die Ecke, zur Romanvorlage wird, die im gleichen Atemzug wie das – ebenfalls „unechte“ – Dracula-Schloss in Siebenbürgen, Rumänien erwähnt wird? Doch, ist man. Ralph Eberhardt, der die Burg gepachtet hat, ist es auch und veranstaltet jedes Jahr ein schillerndes Monster- und Gruselfest, das jedes Mal weit im Voraus ausverkauft ist. Die Karten sind nicht ganz billig, denn es handelt sich um eines der größten Halloween-Feste in Deutschland. Doch der Eintritt lohnt sich auf jeden Fall. Oder: lohnte sich, denn wer weiß, wie das alles jetzt weiter geht. Bisher kamen jedes Jahr bis zu 25 Tausend Menschen hierher, um sich zu ängstigen. Die Show auf Burg Frankenstein lebt davon, dass die verkleideten „Monster“ den Mindest-Wohlfühlabstand der Gäste unterschreiten, was nun nicht möglich sein wird. Nun ja, maskiert sind die gruseligen Gestalten ja schon mal…
Also, ich weiß nicht, wie es euch so geht, aber ich verschlinge Märchen, Gruselgeschichten und Legenden geradezu mit Begeisterung. Auch zu etwas, dessen Name so die Fantasie anregt wie die Burg Frankenstein, ließe sich sicher viel erzählen. Ich habe ein bisschen gekramt…
Der Burgschatz
Nicht nur die Sage von Frankensteins Monster macht hier die Runde. Auch eine Legende vom verborgenen Schatz, der innerhalb der Burg schlummern soll, wird über Mundpropagande weitergegeben und sorgt dafür, dass die Burg im Laufe der Jahre rücksichtslos zerstört wird.
Im 16 Jahrhundert geben die Frankensteins und ziehen nach Franken; die Burg bleibt weitestgehend sich selbst überlassen. Die Verwalter, ein gieriges Ehepaar, verwalten den Bau nach ihren Ermessen; alles, was nicht niet- und nagelfest wird, wird verkauft und zu Geld gemacht, bis nur noch der Rohbau der Kernburg übrig bleibt. Bewohner der umliegenden Dörfern nutzen die Burgmauern als kostenlosen Steinbruch. Zeitweise soll sie vorher sogar als Gefängnis gedient haben.
Die Vorburg wird schon früher von den vielen Schatzsuchern zerstört, die Mauern einreißen und Kellerräume aufbrechen. Ein Schatz wird nie gefunden, doch die Gerüchte darüber reißen nicht ab. Einige der selbsternannten Glücksritter kommen bei der Suche ums Leben, worauf die Suche auf Burg Frankenstein per Gesetz verboten wird. Doch die Zerstörungen sind da und sie sind nicht wieder rückgängig zu machen. Anfang des 19 Jahrhunderts gab es Versuche, die Burg zu restaurieren, doch dies geschah mehr schlecht als recht und wurde wieder aufgegeben.
Ein Schatz wurde nie gefunden.
Der Ritter und der Lindwurm
Einer alten Sage nach soll vor langer Zeit unter der Burg Frankenstein ein Lindwurm sein Versteck gehabt haben. Eifersüchtig wachte das Untier über dem Wasserbrunnen im Dorf Nieder-Beerbach und sobald sich ein Dorfbewohner näherte, um Wasser zu holen, griff der Lindwurm ihn an. Mit der Zeit gingen die Menschen dazu über, dem Lindwurm ein großes Tier zu opfern, welches mindestens die Größe eines Hundes, oder noch besser, eines Pferdes haben sollte. Doch irgendwann wurde der Lindwurm übermutig, es gelüstete ihm nach frischem Jungfrauenfleisch. Also wurde immerzu ein Mädchen auserkoren und dem Ungeheuer zum Fraß vorgeworfen.
Eines Tages fällt die Wahl auf Anne-Marie, die Verlobte des Ritters Georg, der oben auf der Burg lebte.
Das konnte Georg natürlich nicht zulassen und machte sich auf, den Ritter zu töten. Nach einem langen und hitzigen Kampf gelingt es ihm, den Drachen zu köpfen, doch noch im Todeskampf stößt das Untier seinen langen Schweif in die ungeschützte Kniekehle des Ritters. Scheinbar nichts ernstes, doch der Lindwurm ist giftig, innen wie außen. So sterben am Ende beide, der Ritter und der Drache.
Am Steinbruch unter der Burg erinnert eine Statue an des Ritters heldenhaften Tod. Und so mancher stellt eine Beziehung zum St. Georg her, dem berühmten Drachentöter.
Und während Georg, der Ritter, eines heldenhaften Todes gestorben ist, wartet seine Geliebte Anne-Marie noch immer auf ihrem Verlobten. Zum Zeichen der Erkennens zündet sie abends am Fenster drei Kerzen an, wie damals, als die beiden sich trafen. So manch einer will noch heute ihr blasses Gesicht im dunklen Fensterglas gesehen haben.
Frankensteins Monster
Völlig frei erfunden und doch legendär wurde Mary Shelleys Roman vom verrückten Wissenschaftler, der auf der Burg mit Elektrizität experimentierte.
Dr. Frankenstein suchte sich Leichenteile von Verstorbenen zusammen, die er nachts von Friedhöfen stahl. Daraus bastelte er ein menschenähnliches Wesen, welches er mithilfe von Strom zum Leben erweckte und welches wir als das grüngesichtige Monster mit Nähten am Kopf kennen. Frankensteins Monster wurde mehrmals verfilmt und in Comics umgesetzt und gehört zu den Klassikern der Weltliteratur.
Dem ging eine Legende voraus, die Legende vom Johann Konrad Dippel, angeblich Arzt und Alchimist, der im 17 Jahrhundert angeblich auf der Burg gelebt haben soll. Dippel soll mit Strom, „Leichenteilen und dem Blut von Jungfrauen“ und auch Nitroglyzerin experimentiert haben, alles natürlich hoch spekulative und nicht belegte Gerüchte. Jacob Grimm soll die Geschichte aufgegriffen und nach England an die Tante von Mary Shelleys geschickt haben. Johann Konrad Dippel diente Mary Shelleys anschließend als Vorlage für ihren Roman und als Figur des Dr. Frankenstein.
Mit dem Motorrad zur Burg Frankenstein
Was Stefan und mich zur Burg Frankenstein in nördlichem Hessen führte, war eine Motorradtour und der Wunsch, die Burg auch einmal bei Tageslicht zu sehen. Mein Besuch Ende Oktober zur Halloween-Veranstaltung hat mich sehr beeindruckt. Bei Sonnenschein sah das alte Gemäuer nicht ansatzweise so gruselig aus. Kinderscharen spielten auf dem Rasen und ein Märchenerzähler unterhielt die aufmerksam lauschenden Zuschauer.
Um den Burghof herum sind Zelte und Stände aufgebaut, in denen kostümierte Damen und Herren allerlei Attraktionen anbieten wie Bogenschießen usw. Vor allem für die ganz kleinen ist viel geboten. Also, Leute, packt eure Kinder ein und geht den Geburtsort von Frankensteins Monster besuchen 😉
Viele Veranstaltungen finden an den Sommerwochenenden statt. Der Burgpächter Ralph Eberhardt will, dass die Geschichte lebendig bleibt. Um die Burg herum führt ein Erlebnispfad und die Burgkapelle dient heute noch als schöne Möglichkeit, sich ganz offiziell standesamtlich verheiraten zu lassen.
Quellen:
http://www.eberstadt-frankenstein.de
https://www.team-ghosthunter.de
https://www.kultur-in-hessen.de
https://www.ich-geh-wandern.de
https://www.travelbook.de
http://www.frankenstein-historie.de
https://www.frankenstein-restaurant.de
https://www.heraldik-wiki.de
https://www.burgdame.de
https://www.darmstadt-stadtlexikon.de
https://de.wikipedia.org/wiki/
https://drachen.fandom.com/