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Warum mich „Wo kommst du her?“ stört

Wo kommst du her. Die Frage scheint normal, harmlos und nachvollziehbar. Viele Menschen glauben, damit Interesse an ihrem Gegenüber zu zeigen und „nett“ zu sein. Doch wann geht es und wann geht es nicht? Im folgenden Beitrag beschreibe ich, wie ich nach fünfundzwanzig Jahren in Deutschland diese Frage empfinde.

 

„Wo kommst du her?“

Wo kommst du her?

Vielleicht sollte sie nicht in den ersten Augenblicken gestellt werten, vor „wie gehts“, „wie heißt du“ und „schönes Wetter heute“. Ich meine, wenn eines der ersten Fragen die nach meiner Herkunft ist, die aufgrund meines Aussehens oder vielleicht Akzents folgt, da wirkt es schon so, als ob mich mein Gesprächspartner so schnell wie möglich in eine seiner Schubladen stecken wollte.

Wenn dann aber penetrant weiter nachgebohrt wird, da habe ich schon den Eindruck, dass da jemand sehr auf die Schubladen in seinem Kopf angewiesen ist. Oft wird dann versucht, die Menschen in Schemata zu pressen („Oh, aus Polen? Ja, ich komme aus dem Osten, da sind wir durch das Sozialistische sehr miteinander verbunden…“ Hä?) oder gar Bemerkungen kommen im Sinne von: „Ach, du sprichst aber sehr gut deutsch…“, dann kann mir schon mal der Kragen platzen. Erstens sehe ich mich mehr als Deutsche denn als Polin, zweitens habe ich mit dem ehemals sozialistischen Polen herzlich wenig am Hut und auch keinen Bezug dazu und drittens, nach rund vierundzwanzig Jahren in diesem Land, nachdem man die Einstellung, Mentalität und Kultur verinnerlicht hat, gesagt zu bekommen, man würde „sehr gut“ deutsch sprechen, das ist ein sehr zweifelhaftes Kompliment…

Also kurz gesagt, es ist nicht die Frage, die man stellt, es ist oft die Art, wie man sie stellt…

Es ist vielleicht etwas anderes, wenn man erst kürzlich aus seiner Heimat hinzugezogen ist. Oder man ist auf Reisen. Wenn ich irgendwo durch Südostasien gurke und die Möglichkeit habe, „from Germany“ zu sagen, macht mich das happy. Das obligatorische „where are you from“ freut mich in diesem Fall jedes Mal aufs Neue. Und ich glaube, jemand, der erst wenige Jahre in Deutschland lebt, empfindet die Frage anders als jemand, dem das Land eine Heimat geworden ist oder der gar hier geboren wurde. Ich merke oft, dass Menschen, die erst kürzlich hinzugezogen sind, sich freuen, über ihre ursprüngliche Heimat sprechen zu können. Weil sie sie vermissen und noch nicht lange genug hier leben, um sich „deutsch“ fühlen zu können.

Ganz anders verhält es sich mit Menschen, die schon sehr lange in Deutschland leben, sich als Deutsche empfinden und sich vollständig integriert haben. Mir zum Beispiel zeigt eine solche Frage nach über zwanzig Jahren, dass egal, wie lange ich in diesem Land lebe, das Anderssein immer Thema bleiben wird. Immer wird man daran erinnert, ob man möchte, oder nicht. Wie muss sich dann jemand fühlen, der gar hier geboren wurde, in zweiter oder dritter Generation in Deutschland lebt? Der sich aufgrund von Hautfarbe oder Aussehen, Faktoren also, auf die man keinen Einfluss hat, häufig mit dieser Frage konfrontiert sieht?

Du gehörst nicht hierher. Das sieht/hört man doch. WO kommst du her? Aus Mannheim? Nein… ähm… hüstel… Wo kommst du URSPRÜNGLICH her?

Dazu fällt mir spontan was ein, das ich mal bei Facebook gelesen habe:

„Ich wurde mal während einer Zugfahrt angepöbelt, ich solle doch dorthin zurück, wo ich hergekommen bin, um mein Land aufzubauen. Ich, dunkel, Akademiker, fahre also zurück nach Stuttgart. Land aufbauen…“

Klingt wie ein Witz, ist aber keiner. „Wo kommst du her“ lässt sich nicht so leicht abschütteln. Integration gelingt nur dann, wenn beide Seiten mitmachen.

„Wo kommst du her? Wo kommst du ursprünglich her?“

Mensch, warum bohrst du nach? Warum ist dir das so wichtig? Nein, es ist kein Geheimnis oder so, und im Laufe des Gespräches oder wenn wir uns besser kennen lernen, rücke ich selbst irgendwann damit heraus. Aber wir sind un s gerade erst begegnet, welchen Anspruch hast du darauf? Auf meine Geschichte, auf die Geschichte meiner Mutter, meiner Familie? Warum glaubst du, das wissen zu müssen?

Und vor allem – warum akzeptierst du es nicht, wenn jemand einfach mal ausweicht? Dir nicht in die Fresse sagen möchte: Hey, hör auf zu fragen, es geht dich nichts an?

Das hat was mit Respekt zu tun.

Hinterfrage dich selber: Ist es Neugierde? Interesse? Ist es wirklich freundliche gemeint? oder willst du mit der dir gegebenen Antwort doch bloß irgendwo eine Schublade im Inneren deines Kopfes fühlen?

 

„Kannst du mich verstehen?“

Ich hatte mal eine deutsche Gesprächspartnerin, die im LOT-Flieger von Warschau nach Frankfurt neben mir saß und ausladend gestikulierte, weil sie davon ausging, ich würde sie nicht verstehen. Sah sie denn nicht, dass ich besser deutsch sprach als sie?

Zunächst mal, wieso gehen Menschen davon aus, dass eine andere Herkunft ein gleichzeitiges Indiz dafür ist, die Sprache nicht zu beherrschen? Ja, da fällt mir meine Führerscheinprüfung ein. Die „nette“ Dame (sie versuchte in ihrer eigenen Vorstellung, nett zu sein) kam zu mir und sagte folgendes: „Ich habe gesehen, dass du einen ausländischen Nachnamen hast, KANNST DU MICH GUT VERSTEHEN?“ Dann meinte sie, es sei nur höflich, nachzufragen.

Nein, ist es nicht; nicht in diesem Kontext. Leute, spricht erst einmal mit dem Menschen, der vor euch steht. Ihr werdet schon merken, ob er euch versteht oder nicht.

Oder geht nicht davon aus, jemand, den ihr in Ausland antrefft, sei ungebildet. Wie diese alte Dame, der ich in Breslau begegnet bin und die mich auf eine unhöfliche Weise dazu brachte, mich um ihren Einkauf zu kümmern. Im Verlauf der weiteren Unterhaltung erzählt sie mir, sie sei aus Berlin. „Das liegt in Deutschland.“ Fügt sie einen Augenblick später hinzu.

Nein, wirklich? Berlin liegt in Deutschland? Was denken manche Menschen eigentlich, was sich hinter ihren eigenen Landesgrenzen abspielt, Ahnungslosigkeit und Anarchie?

Verkneift euch das Staunen, wenn ihr im Ausland seid, darüber, wie unerwartet modern und fortschrittlich euch das Land erscheint, das ihr besucht. Eine deutsche Freundin, die ich zu mir nach Blonie bei Warschau einlud, wunderte sich während eines Einkaufstrips in den örtlichen Supermarkt (der by the way größer war als der deutsche Durchnitts-Aldi…). Wow, sagte sie, hier gibt es ja alles zu kaufen.

Was dachtest du denn, Mädel: dachtest du, hier spazieren Eisbären herum? Die sozialistischen Zeiten sind schon eine Weile vorbei. Das müsste inzwischen den letzten erreicht haben.

 

Fettnäpfchen

Wie ihr merkt, ist es gar nicht so einfach, Fettnäpfchen zu vermeiden. Manche tappen unabsichtlich hinein, anderen ist es wiederum egal. Die wollen ihre Neugier befriedigt und ihre Kopf-Schubladen prall gefühlt sehen. Nein, es wundert mich nicht, dass sich immer mehr Menschen gegen ein penetrantes „Wo kommst du her“ wehren. Mit ein bisschen Taktgefühl und Respekt lässt sich der Fauxpas vermeiden und wer es geschickt anstellt (oder einfach abwartet…), der wird früher oder später erfahren, was er so dringend zu wissen begehrt…

Und wenn keine Antwort kommt, dann gilt es, das auch zu respektieren. Nein, ich schäme mich nicht für meine Herkunft noch ist eine Auskunft ein Problem für mich. Doch wenn ein Gesprächspartner bereits nach fünf Minuten glaubt, Anspruch auf meine Lebensgeschichte und die meiner Eltern zu haben, da beißt er auf Granit. Und statt zu fordern, der Gefragte möge sich doch nicht so anstellen, sollte man sich vielleicht fragen, ob man sein Leben und seine Geschichte vor Fremden an der Bushaltestelle sezieren möchte.

Bevor man den Mund aufmacht, bevor man seine vorrangige Neugier befriedigt, sollte man sich klar werden, wer vor einem steht. Ein wenig Taktgefühl hilft da immer weiter. Es ist auch nie verkehrt, sich zu fragen, was die gestellte Frage im Gegenüber auslöst.

Doch wie will ich das anstellen? Wie will ich denn wissen, was wann okay ist und was nicht, wird so mancher jetzt anfügen; ich bin doch kein Hellseher?

Nun, ein Hellseher braucht man da auch nicht zu sein. Aber jemandem, den man gerade erst kennen gelernt hat, persönliche Informationen aus der Nase zu ziehen, das zählt schon in den Bereich „mangelndes Feingefühl“. Das macht man einfach nicht. Vielleicht wäre es auch gut, die eigenen Intentionen zu hinterfragen. Und zu guter Letzt: verlasst euch auf euer Bauchgefühl. Wenn ihr euer Gegenüber gerade erst kennen gelernt habt und euch noch nicht mal seinen Namen merken, geschweige denn richtig aussprechen könnte, würde ich abwarten. Und wenn auf eure Anfrage ein „aus Berlin“, „Stuttgart“, „Bayern“ oder „aus der schönen Pfalz“ als Antwort kommt, dann liegt es vielleicht nicht daran, dass euer Gegenüber die Frage falsch verstanden hat. Sondern daran, dass das womöglich die Antwort ist, die er oder sie euch geben will…

Und was mich persönlich betrifft – und ich denke, das wird den meisten so gehen – so möchte ich von dir, wenn wir uns begegnen, zuallererst als Kasia wahrgenommen werden. Nicht als „die Polin“… Niemand will auf seine kulturelle oder ethnische Herkunft heruntergebrochen werden. So einfach liegen die Dinge nicht. Und ja, ein „in die Schubladen stecken“ macht genau das. Es reduziert den Gesprächspartner auf ein Fleckchen Erde, auf dem er geboren wurde. Mehr nicht.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
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