Deutschland, Europa

Idar Oberstein- Stadt der Edelsteine

Idar-Oberstein, Februar 2018

Das Auffallendste, wenn man die Stadt erreicht und sich die lange Hauptstraße entlang in Richtung Zentrum bewegt, ist die kleine, schneeweiße Kirche hoch oben auf dem Berg. Sofort wandert der Blick zu ihr hoch, wie sie, eingequetscht zwischen aufragenden Felswänden, am Abhang über der Stadt harrt. 

Die Mauern und das Dach scheinen vom Fels ummantelt wie ein Riegel von Milchschokolade. Wie eine Decke, die jemand über die Kirchenmauern gelegt hatte. Und schaut man genauer hin, bemerkt man, wie weit das Bauwerk tatsächlich in den Fels hinein ragt. Fasziniert und atemlos stehe ich davor und lege den Kopf in den Nacken, während das Brennen in meinen Waden langsam nachlässt. Fassungslos starre ich in den dunklen Tunnel, der derzeit den einzigen Eingang ins Innere der Felsenkirche bildet; mein Blick haftet an einem weißen Zettel neueren Datums, der wie nebenbei über den offiziellen Besuchszeiten hängt:

„Von November bis März bleibt die Kirche geschlossen.“

Kann man denn die Info nicht schon unten anbringen und nicht erst hier, nachdem ich japsend ganz oben stehe?

Eine Stunde zuvor, an einem schönen Tag…

Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz ist eine Stadt der Edelsteine. Im 19 Jh. gehörte der Ort, oder besser: Die beiden Orte Idar und Oberstein, zu Deutschlands wichtigsten Schmuckproduzenten, nicht zuletzt aufgrund der natürlichen Vorkommen an Achat und anderen Edel- und Halbedelsteinen. Als die Vorkommen erschöpft waren, orientierte man sich um und widmete sich nur noch der Schleiferei und der Metallverarbeitung. Auch heute noch kann man noch die historische Weiherschleife in der Triefensteiner Str. besichtigen.

Die Temperaturen übersteigen heute nicht die Ein-Grad-Grenze, als ich schnellen Schrittes über die fast leere Fußgängerzone spaziere. Viele Menschen sind hier unter der Woche nicht anzutreffen und es ist vermutlich auch nicht die richtige Jahreszeit dafür. Eine Gruppe junger, polnischer Touristen läuft lachend und witzelnd an mir vorbei. Ich schaue zu der Felsenkirche hoch, würde sehr gerne das Bauwerk von innen sehen. Ob ich mir heute die Zeit nehme, mich da hinauf zu begeben? Denn eigentlich bin ich beruflich hier.

Am alten Marktplatz drehe ich um. Der Tag ist sonnig und der gleißende, tiefstehende Schein blendet meine Augen, so dass ich fast nichts erkennen kann. Vor mir läuft eine Mutter mit ihrem kleinen Mädchen an der Hand; die Bommeln an der winterlichen Mütze der kleinen scheinen regelrecht zu leuchten. Doch ich genieße die Sonnenstrahlen, den ersten schönen Tag seit langen tristen Wochen, von Matsch und Nieselregen begleitet. So strecke ich mein Gesicht noch weiter der Sonne entgegen  – möge sie mir an diesem schönen Tag das Gehirn wegbrennen! Ich atme die kalte, klare Luft, die Haut an meinen unbehandschuhten Händen scheint vor Kälte zu prickeln.

Nachdem mein Kunde den Termin hat platzen lassen, beschließe ich, die Felsenkirche doch noch zu besuchen. Die Sonne scheint so einladend und es ist ein wirklich ein toller Tag.

Wie es sich für eine Edelstein-Metropole gehört, haben sich unzählige Goldschmiede und Schmuckhändler angesiedelt, immer wieder komme ich an blinkenden Schaufenstern vorbei. Gold, Diamanten… alles, was das Herz einer Frau begehrt.

Nur nicht meines.

Ein guter Tipp für Interessierte sind sicher das Deutsche Edelstein- und das Deutsche Mineralienmuseum, in dem auf vier Etagen

Schmuck und Juwelen aus den vergangenen Jahrhunderten ausgestellt sind. Am Eingang des Museums bleibe ich kurz stehen und überlege. Interessiert mich das?

Öhm… nö.

Was mich wirklich interessiert, ist die Felsenkirche, die Art und Weise, wie die Erbauer sie ihrerzeit in diesen Felsen gequetscht haben. Um die Erbauung der Kirche kursiert eine Legende. Und die geht so:

„Um die Mitte des elften Jahrhunderts lebten die Brüder Wyrich und Emich von Oberstein auf der Burg Bosselstein. Beide liebten Bertha von Lichtenburg und, als Wyrich von der Verlobung seines jüngeren Bruders mit eben jener erfuhr, stürzte er Emich aus dem Fenster der Burg. Gezeichnet von seiner schweren Schuld beichtete Wyrich die Tat einem Abt. Als Sühne sollte er mit eigenen Händen eine Kapelle an der Stelle, an der sein Bruder gestorben war, errichten. Als der Bau vollendet war, bat Wyrich Gott um ein Zeichen der Vergebung. Ein Quell entsprang dem Felsen, der heute noch fließt. Bei der Einweihung der Kapelle sank Wyrich am Altar tot vor dem Abt nieder.“ 
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Felsenkirche_(Idar-Oberstein)

Ja, die Liebe ist manchmal ein stiefmütterliches Biest. Leichtfüßig laufe ich die steile Treppe Richtung Kirche los. Doch schon nach wenigen Stufen hat es sich mit der Leichtfüßigkeit schnell erledigt. Und während ich die steile Treppe Stufe für Stufe erklimme, verfluche ich meine brennenden Waden und die Tatsache, die letzten Wochen zum Sport-Verweigerer geworden zu sein. Auf halber Höhe bleibe ich stehen und „bewundere die Landschaft“. Dann schaue ich mich um und bewundere wirklich die Landschaft. Die Stadt liegt angeschmiegt an einem Berg und die Wintersonne sendet ihr gleißendes und zugleich milchiges Licht. Winzig kleine Autos fahren die Hauptstraße entlang und auf einem Dach sind die Silhouetten der Bauarbeiter im Blaumann zu sehen.

An einer ausgehängten Infotafel checke ich die Öffnungszeiten der Kirche. In Winter bis 16 Uhr geöffnet; es ist zehn vor vier. Ich ignoriere meine brennenden Waden und renne los.

Oben angekommen versuche ich, das Keuchen zu unterdrücken und die Atemlosigkeit zu verleugnen. Ich bin topfit, was soll der Murks? Schwer atmend lege ich den Kopf in den Nacken und betrachte aus der Nähe die kleine Felsenkirche, in die natürliche Felshöhle geschmiegt. Dann schaue ich in den Tunnel, rüttle am verschlossenen Tor. Ich habe doch noch zehn Minuten!

An einem feinen, weißen Zettel hängt eine Info. Von März bis November geschlossen.

Ätsch-pätsch, geschlossen…!

Du stehst auf Lost Places? Wie wäre es mit einem verlassenem Schwimmbad? Einen solchen Lost Place gibt es in Idar Oberstein, entdeckt durch Julia von Mein Weltbuch – Reiseblog. Neugierig? Dann schau bei ihr rein…

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
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