Von all den ungewöhnlichen Übernachtungen, die ich bisher ausprobiert habe, war dies mit die schönste in ihrer Einfachheit. Seit jeher zieht es den Menschen ans Wasser und manchmal braucht man nicht viel, um die Gedanken fahren zu lassen als einen See, ein Boot und das Schaukeln der Wellen…
Mit diesem Beitrag nehme ich an Tanjas Blogparade teil: „Ungewöhnliche Übernachtungsmöglichkeiten in Deutschland“ auf Spaness-Blog. Auf ihrer interaktiven Karte hat Tanja die ungewöhnlichsten Übernachtungen gesammelt. Klickt man auf die Buttons, erscheinen die jeweiligen Berichte.
Frankfurt – Harz – Magdeburg – Brandenburg
Wir fahren einmal quer durch den Harz mit all seinen Hexenhäuschen. Ja, im Harz gab schon immer eine ganz besondere Atmosphäre. Vieles hier liegt brach, wir kommen an zerfallenden Häusern und Gebäuden vorbei, mit bröckelnden Mauern und zerschlagenen Fenstern.
Lost Places-Sammler hätten ihre helle Freude daran, doch hier haben die Lost Places eine ganz andere Bedeutung. Es gibt viele solche „blinde Flecken“ hier im Harz. Irgendwann sind wir im tiefsten Osten, wo sich die Häuser kaum von denen in Polen oder Tschechien unterscheiden. Nix da mit schöner Fachwerk-Romantik des deutschen Südens. „Die Dörfer der Abgehängten“, das klingt wie ein Horrorbuch-Titel. Und es greift alte und neue Klischees wieder auf.
Es blüht alles, was nur imstande ist zu blühen – Wiesen, Felder; alles ist bedeckt von farbenfrohen Teppichen. Rot, blau, lila, zartrosa, gelb, hellgrün, dunkelgrün – ich liebe dieses Wechselspiel der Farben in der Natur, die farbigen Flecken in der Landschaft. Weizenfelder, soweit das Auge reicht. Dann kommen wir an Marburg vorbei, eine Stadt, die ich mir bei Gelegenheit auch mal näher anschauen will.
Überall blühen Linden, der süße Duft erinnert mich sehr an meine Zeit in Bukarest. Damals hatte die ganze Stadt danach gerochen. wir kommen an Erdbeerfeldern vorbei, wo sich eine Familie geschlossen im Gänsemarsch zwischen den Pflanzenreihen ans Pflücken macht. Der süße, fruchtiger Duft kommt wie eine Welle durch die Luftschlitze meines Helms. Hm, Erdbeeren…
Unser Hausboot ist so schön. Schlicht und einfach, der Platz drinnen ist begrenzt, doch irgendwie stylisch modern eingerichtet. Und fortwährend vom Wasser geschaukelt überkommt uns auf der Stelle Entspannung und Ruhe. Mit zwei Gläsern Wein und einer dicken, kubanischen Cohiba auf nüchternen Magen lässt sich nicht strukturiert schreiben – ich erzähle euch morgen, wie es zu der Cohiba kam…
Ab und zu plantscht ein Fisch im Wasser oder es quakt ein Frosch, aus der Ferne kommen aufgeregte Kinderstimmen, ein größeres, plantschendes Geräusch, wenn eines der Kinder mit Anlauf im Wasser landet. Das Hausboot schaukelt, mal mehr, mal weniger. Wenn stärkere Wellen kommen, fühlt es sich an wie kurz vor dem Sturm.
So ein Hausboot am Wasser ist schon was feines. Ich könnte mich einmieten und für immer hier bleiben. Ich bin sofort total entschleunigt. Ein Hausboot am Wasser, ja, das ist Erholung pur… ganz anders als auf den Malediven, wo ich, anstatt mich zu erholen, immer mal wieder ein Kribbeln in den Füßen verspürte. Alles war neu und ich wollte alles sehen. Hier nicht. Nicht nach 600 Kilometern, die wir mit dem Motorrad in einem Rutsch hinter uns gebracht haben.
Ein Ort zum in-den-Tag-hinein-leben. So schlicht und doch so schön.
Am Abend am Plauer See
Am späten Abend kommen wir am Campingplatz an. Marco, der Hausboot-Besitzer, nimmt uns in Empfang. Wir stellen die Maschinen am unbefestigten Parkplatz ab und lassen uns alles zeigen.
Das Hausboot hat er selber gebaut und vermietet es als Romantik-Übernachtung über die Plattform mydays (unbeauftragte Werbung). Günstiger ist es allerdings, wie wir ein wenig später feststellen, bei Interesse direkt bei einem der vielen Camping-Plätze selbst in Brandenburg an der Havel und der Umgebung nachzufragen.
Später am Abend sitzen wir zu dritt auf dem Boot und lassen uns von Marco Geschichten über seinen siebenjährigen Aufenthalt in Kuba erzählen. Kuba ist ein beliebtes Reiseland, aber um dort zu leben, muss man schon ein besonderer Schlag Mensch sein. Regelmäßige Stromausfälle, leere Regale in den Geschäften und eine große Geselligkeit und die Bereitschaft, zu teilen. Je größer die Not, umso stärker ist in der Regel die Gemeinschaft. Marco hat als Andenken eine hölzerne Zigarrenkiste aus jener Zeit mitgebracht, und so sitzen wir nun da und ich paffe eine dicke Cohiba.
Auf dem Camping-Gelände gibt es einen kroatischen „Italiener“. Noch später am Abend sitzen wir, nun wieder zur zweit, am Wasser mit frisch gebackener Pizza in der Hand und auch der Inhalt der Weinflasche geht langsam zuneige. Es wird dunkel und dicke, schwarze Spinnen kommen aus den Ecken gekrochen, wo sie sich vor der Hitze des Tages versteckt hatten und spinnen ihr Geflecht rund um das Geländer. Hin und wieder schießt ein schnelleres Gefährt an der Wasserfläche entlang und kurz darauf schaukelt unser Boot wieder wie im Sturm. Wir haben uns längst daran gewöhnt.
Am nächsten Tag…
…gibt es nicht viel zu berichten. Wenn das Sitzen und aufs Wasser Schauen einen Bericht wert ist. Unser Boot ist zum Osten hin ausgerichtet und so nehme ich mir fest vor, den Sonnenaufgang mitzuerleben.
Ich werde vom Licht des ankommenden Morgens geweckt. Schnell springe ich aus den Decken und schnappe mir meine Kamera, um das Spektakel in Zartrosa für die Ewigkeit festzuhalten. Es ist still und ruhig, es ist kühl und schön und eine Ente durchschneidet leise das Wasser. Die Fische sind ungewöhnlich aktiv am frühen Morgen und hin und wieder deutet ein lauterer Plantscher auf ein größeres Exemplar hin. Im Licht des Morgens schweben kleine, leuchtende Insekten in wirbelnden Kreisen und die roten Geranien auf unserem bilden einen schönen Kontrast zur kühlen Umgebung.
Ich mache mein Foto. So – miterlebt. Das Bett ruft. Stefan ist da schon mit mehr Durchhaltevermögen gesegnet; mit halb geschlossenen Augen bekomme ich noch mit, wie er draußen sitzt und raucht.
Gegen neun werde ich vom Ankommen des Frühstücks geweckt, das uns Marcos Frau auf das Boot bringt. Es gibt Brötchen, Eier und frischen Kaffee und nichts ist schöner, als mit Blick auf das Wasser zu essen und so den Tag zu beginnen. Noch immer ist am Ufer nicht viel los, doch so langsam wacht alles auf.
Am Mittag…
…gibt es immer noch nicht viel zu berichten. Stefan ist unterwegs zum nächstgelegenen Supermarkt, um uns etwas Obst und eine weitere Flasche Wein zu besorgen. Ich tue derweil nichts weiter als an einer neuen Zigarre zu paffen und hinaus aufs Wasser zu schauen. Blauer Himmel, über den kleine, weiße Schäferwolken jagen. Es ist ein Traumsommer und ich bin sediert vom Schaukeln des Bootes. Die Bewegung der Wellen wiegt einen abends in den Schlaf wie ein Baby in den Armen seiner Mutter und am Tage lässt es den Puls ruhiger werden und die Atmung gleichmäßig. Wer voll und ganz ausspannen möchte, der gehe auf ein Hausboot.
Irgendwann traue ich mich, die Füße ins Wasser zu hängen. „Das Wasser ist warm“, sagt uns Marco am Vortag. Uah… das also versteht ein Brandenburger unter „warm“… Der Plauer See ist eigentlich kein richtiger See, er ist eines der vielen Ausläufer der Havel, die sich an dieser Stelle in die Breite ergießt, doch noch immer sprechen wir hier vom fließendem Gewässer mit einem immerwährenden Kaltwasser-Zufluss. Auf die Fuße folgen die Beine, irgendwann bin ich ganz im Wasser drin. Kalt. Ich schwimme eine Runde. Es ist so flach, dass meine Füße auf dem matschigen Grund stehen. „Ihr solltet hier keinen Hechtsprung ins Wasser machen, sonst bleibt ihr mit dem Kopf im Schlick stecken.“ So unser Bootsbetreiber am Vortag zu uns.
Stefan ist wieder da, mit frischen Erdbeeren und noch mehr Alkohol. Wir könnten uns ein Boot mieten und damit über die Havel jagen, doch wir haben, oh Schande, gar keine Lust dazu. Um uns herum tut sich immer mal wieder etwas, jetzt zum Beispiel legt ein weiteres Hausboot an, während sich die Vorgänger am Abend davor zu einer Rundfahrt verabschiedet hatten.
Als der herrlich lange, untätige Tag zu Ende ist, schlafen wir auf dem schaukelnden Boot den Schlaf der Gerechten. Am nächsten Morgen warten wieder rund sechshundert Kilometer Heimfahrt mit dem Motorrad auf uns…
Auf der Heimfahrt…
Deutsche Alleenstraßen, bepflanzt mit blühenden Linden. Felder voller Klee duften, als würden wir in Honig tauchen. Und wir düsen los, geben Gas an der grün gewordenen Ampel wie ein Schwarm wütender Bienen. Ein Falke lässt sich über unseren Köpfen am Himmel entlang treiben, gleitet sehr tief über der Autobahn. Die Sonne verfängt sich in seinem Gefieder. Ich schaue nach oben von meinem Motorrad auf und fühle mich wie in einer Werbung über Freiheit, Grenzenlosigkeit und irgend ein neues Kfz-Modell. Wunderschöne Landschaften. Eine süße, schwarze Windmühle, die inmitten von Feldern steht. Grüne Felder, roter Klatschmohn. Ist das schön alles. Wir geben Gas.