Mannheim
Home, sweet home. Home-Base nennen es manche. Ich nenne es Zuhause. Ganz einfach. Die Erfahrung, dass es draußen kühler ist als drinnen – unbezahlbar. Die frische, kühle Luft. Darauf muss man sich wieder einstellen, doch so ist mir die Welt wieder vertraut. Einen guten Doppelblack und eine Cohiba, ganz entspannt im Garten nach einer langen Reise. Meine Blumen sind in die Höhe geschossen, alles ist so saftig grün. Die Bräune in meinem Gesicht und der Sonnenbrand, den ich noch an Armen und Rücken spüre – so unpassend bei den frischen, deutschen Maitemperaturen. Es ist erst zehn Uhr morgens, hier spielt uns die Zeitumstellung zu. Völlige Erschöpfung.
Dhiffushi, 30 Stunden zuvor:
Reisen sind hauptsächlich von Begegnungen geprägt. Begegnungen, die man als kostbare Erinnerungen aufbewahrt. Mit Jasmin und Adriano, dem netten Pärchen von unserem Hinflug, verbringen wir noch einen letzten, entspannten Tag am Strand, chillen an der Liege, lassen uns von dem Jungen an der Beach Bar bedienen. Noch einmal versuche ich, mir zu vergegenwärtigen, dass es hier wirklich so aussieht, das Wasser des Ozean wirklich so blau ist. Danach zeige ich den beiden unsere süße, kleine Insel.
Am Abend, als Jasmin und Adriano schon gegangen sind, noch ein letztes Mal am Strand. Eine letzte Zigarre unter dem Inselmond, ein letzter, sündhaft teurer Drink. Es ist windig, der warme Wind kündigt den Regen und die Monsunzeit an. Wolken sammeln sich am Himmel. Stefan sieht endlich seinen langersehnten Vollmond, nach dem er die gesamte Zeit über Ausschau hielt.
Morgens um vier holt uns die Fähre ab. Der lange, beleuchtete Steg und die Insel werden hinter uns immer kleiner. Es geht nach Maamigili und dort mit dem Bus zum Flughafen. Der erste Flieger bringt uns nach Male.
Maamigili
Die maledivischen Frauen sind süß und wunderschön, sie tragen ihr Kopftuch konservativ, so dass keine einzige Haarsträhne zu sehen ist, doch sie schminken sich und betonen die großen Augen und die Lippen und auch ihre Tücher sind farbenfroh wie ein Regenbogen.
Am Flughafen in Male darf man den Flughafenbereich verlassen. Ich fotografiere draußen die Skyline der Stadt. Unter mir treibt Plastikmüll im Wasser am Steg. Interessiert das hier keinen? Ein Auffangnetz liegt zum Auffangen und Herausfischen bereit.
Colombo
Als wir am Flughafen in Colombo sind, passiert uns etwas Skurriles.
Nach dem Anschlägen auf Kirchen und Hotels an Ostersonntag kämpft Sri-Lanka mit einem Image-Problem. Reise-Agenturen wie Tui bringen ihre Kunden außer Landes und Urlauber stornieren ihre Reisen. Ist Sri-Lanka noch ein sicheres Land? – Fragen sich viele. Zu Recht. Doch 60% der Einnahmen des Landes speisen sich aus dem Tourismus und man bemüht sich nun nach Kräften, Reisende wieder ins Land zu holen und das Gefühl von Sicherheit wiederherzustellen. An jeder Ecke des Flughafens stehen bewaffnete Sicherheitskräfte, die alles und jeden im Auge behalten. Es ist gerade Buddhis Festival, der Feiertag schlechthin im Buddhismus, an dem dem Tode Buddhas gedacht wird. Wie schon vor einem Jahr, als wir unsere Rundreise durch Sri Lank antraten, ist auch diesmal der Flughafen mit flatternden, roten und gelben Papierlaternen geschmückt. An einem Stand werden Eiscafe, warmes Essen und süßes Gebäck an Reisende verteilt. Ein Mitarbeiter drückt mir einen Eiscafe in die Hand, während sich eine Reporterin Stefan krallt und ihn nach seinen Erfahrungen in Sri Lanka und seinem Sicherheitsgefühl befragt. So stehen wir letztlich beide da, umringt von Reportern, um vor laufender Kamera für das Sri Lankische Fernsehen ein paar gute Worte zu dem Land als Reiseziel zu sagen. Das machen wir gerne. Wir haben Sri Lanka ins Herz geschlossen und stottern in mehr oder weniger gutem Englisch, wie schön wie es hier finden. Eine groß angelegte Kampagne, um Vertrauen zurück zu gewinnen.
Maskat
Beim Flug von Colombo nach Maskat sitzen wir weit auseinander. Die singhalesischen Jungs neben mir füttern mich die ganze Zeit über mit Erdnüssen und Kokosnuss-Keksen. Sie sind als Gastarbeiter unterwegs nach Doha, bereits zum zweiten Mal verlassen sie für zwei Monate ihre Heimat. Doha hat einen extrem hohen Bedarf an Expats, sie kommen als Fachkräfte aus den umliegenden Staaten und auch aus fernem Deutschland in das Land.
Der Aufenthalt in Maskat zieht sich am längsten. Beim Landeanflug am frühen Abend verrenke ich mir den Hals, um die sandsteinfarbenen Häuser und prächtigen Moscheen zu sehen. In der Halle im Transitbereich sitze ich da und betrachte die Menschen, verschleierte Frauen, Frauen in traditionellen Beduinenmasken und bärtige Männer. So viele Gestalten, alle unterschiedlich. Araber, Inder, vereinzelt ein paar Europäer. Skurrile, unwirkliche Gestalten wie aus Tausendundeine Nacht.
Wir wollen ursprünglich den Aufenthalt von acht Stunden damit verbringen, ein wenig die Stadt zu erkunden, doch es ist gerade Sonnenuntergang in der Ramadanszeit und was das bedeutet, kann man sich in etwa denken. Es bedeutet, dass die Schalter verweist sind und sich alle entbehrlichen Mitarbeiter zum Abendessen aufmachen. „Die werden so schnell nicht wieder zurück sein.“ Sage ich zu Stefan und nachdem wir eine Weile warten, verwerfen wir die Idee mit der Erkundung der Stadt. Zeit ist hier relativ.
Wir versuchen, uns selbige zu vertreiben und ich kann kaum noch sitzen, texte ganz viel, texte mit meiner Mutter, texte mit meiner Freundin Anne, die in fernem Griechenland wach bleibt, um mich zu unterhalten (danke, Anne!). Auf der Flughafentoilette spricht mich Charlotte an, eine junge Deutsche, die gerade von einem viermonatigen Aufenthalt in Bali zurück nach Hause fliegt.
Am Gate treffen wir auf eine deutsche Truppe. Die laute, ungehemmte Fröhlichkeit nach der angenehmen Zurückhaltung der Araber ist mir etwas zu viel und vereitelt jeden Versuch, mal kurz die Augen zu schließen. Stefan neben mir hat vielmehr mit dem schreienden Baby vor uns zu kämpfen, doch mir sind zwei Babys lieber als die gut gelaunte Gruppe hinter mir. „Ich hoffe nur, dass die im Flieger nicht neben mir sitzen…“
Doch Karma ist eine Bitch und so habe ich später, als der Flieger startet, das Baby links und die laute Truppe rechts von mir. Ohrstöpsel rein, Augen zu, nichts mitkriegen, schlafen. Die Müdigkeit machts möglich und auch der Siebenstunden-Flug von Oman nach Frankfurt geht noch irgendwie rum.
Frankfurt
In Frankfurt am Flughafen begegnen wir zu guter Letzt Mufthi, einem verloren wirkenden Inder, der für den Job von Maskat nach Ludwigshafen gereist ist. Es gibt so vieles in Deutschland zu beachten, so viele Regeln, die verwirrend sein können und die Menschen hier sind nicht gerade dafür bekannt, verständnisvoll zu reagieren. „Das ist nicht gerade intelligent!“ Faucht die junge Schaffnerin mit Blick auf Mufthis Koffer, die den Weg versperren. Und ich merke, wie bei uns hierzulande etwas sehr essenzielles im Umgang mit anderen Menschen fehlt, etwas, das uns bislang die ganze Reise über begleitet hat: die Freundlichkeit. Ein freundlicher Umgang miteinander.
Wir begleiten Mufthi von Frankfurt nach Mannheim, helfen ihm mit dem Ticketkauf und setzen ihn am Ende wohlbehütet in die richtige S-Bahn nach Ludwigshafen zum Berliner Platz. Am Ende tauschen wir Kontaktdaten aus.
Was bleibt, sind Geschichten zum Erzählen, Bilder in unserem Kopf. Das Echo der Geräusche, der Menschen. Die kleine Insel drängt sich wie von selbst vor meine Augen und ich laufe sie imaginär noch einmal ab. Es ist alles so frisch, doch es wird verblassen, an diese Stelle neue Bilder, neue Geschichten treten. So ist das Reisen.