Sri-Lanka, Mai 2018
Dessert und Sport
Feuchte, heiße Luft, in Wellen auf mich zuströmend, die der Wind trägt. Vor mir das mächtige Rauschen des nun im Dunkeln unsichtbaren Ozeans. Fledermäuse, so groß wie Falken, bewegen sich am nachtgrauen Himmel von Palme zu Palme wie lautlose, schwarze Schatten. Die Klimaanlage drinnen im Zimmer ist mir trotz höherer Einstellung immer noch zu kalt, doch hier draußen auf dem Balkon, die unterdrückte Wut aufkommenden Gewitters in den Ohren, könnte ich sofort einschlafen. Ab und zu waren heute Abend über dem Meer grelle Blitze zu sehen, die sich jedoch im Nichts verloren. Der Wind scheint nun alles und jeden mitreißen zu wollen.
Ein All-Inclusive Bändchen ist eine vertrackte Sache. Denn obwohl ich in keinster Weise Hunger hatte, lief ich mit Stefan noch brav hinunter zum Restaurant, um einfach mal zu sehen, was die einheimische Küche so zu bieten hat. Das Buffet ließ keine Träume offen und es sprach ein zufriedener Stefan, sich über dem dritten Teller beugend: „Hinten in der Ecke bieten sie noch europäische Küche an, doch so gut wie das Essen hier schmeckt, da pfeiff ich doch auf die europäische Alternative…“
Eine dünne, gefleckte Katze schlich mit hungrigen Augen um unseren Tisch herum. Und auch ich schlich nach langen Überlegungen irgendwann auch um die Desserts herum. Die Desserts sind in diesem Land eine Offenbarung, verschiedene Puddings, Soufflés, hauchzarte süße Häppchen und ein wunderbares Mango-Mus wurden serviert. Von diesen Desserts werde ich noch lange träumen.
Doch glücklicherweise gehört zum kulinarischen, himmlisch-leckeren Fluch der All Inclusive Bändchen ebenfalls ein Fitness-Raum hinzu, an dem wir jedes Mal auf dem Weg zum Restaurant und wieder zurück wie an einem Mahnmal vorbei gehen müssen. Wie graue Ausrufezeichen liegen die Gewichte da und die verlassenen Gerätschaften und Fahrräder scheinen zu sagen: na komm, steig auf mich drauf! Schon meldet sich das schlechte Gewissen und ich beruhige es mit einem Satz, den ich auch so meine: „Morgen.“ Sage ich. „Unbedingt. Morgen.“
Einschlafen kann ich noch nicht, es ist zu früh für mich. Und unabhängig davon, was der Zeiger in Sri Lanka so sagt, meinen Körper hat es noch nicht erreicht. Für mich ist es erst zwanzig Uhr und nicht nach halb elf. Unwillkürlich muss ich daran denken, dass es zu Hause jetzt draußen immer noch hell ist und so frisch, dass ich, wenn ich auf der Gartenliege vor unserer Wohnung bin, einen leichten, kühlen Wind spüren würde, der eine wärmere Jacke erfordert um die Jahreszeit. Dass es warm wäre, doch nicht so feucht und drückend. Dass sich die Dämmerung, der Abend, der Untergang der Sonne über Stunden bis ins Unendliche hinziehen würden, die kleinen Vöglein in den Büschen und Bäumen immer lautstärker und melodischer in die abendliche Stille würden zu singen beginnen. Und das Rauschen des Ozeans wäre nicht da.
Kasia, was ist denn mit dir, hast du etwa Heimweh?
Nun, ein wenig vielleicht, hier am ersten Abend, den ich auf Sri Lanka verbringen darf. Ich weiß, ich bin hier auf Zeit, und das ist auch gut so. Denn hier bleiben wollt ich nicht, es ist zu anders. Es ist eine Reise. Und das Schönste an einer Reise ist es für mich, nach Hause zu kommen.
Der Ozean tost immer stärker. Ein aufgeweckter Papagei, zumindest dem Klang nach zu urteilen, beginnt mit meinem Auftauchen zu zetern und mich auf die Entfernung anzuschreien. Ein Wächter läuft das Gelände ab: er scheint eher nach Tieren als nach Menschen zu suchen; mit seiner Taschenlampe leuchtet er tief über den Strand und den kurzen Rasen. Ich beobachte die riesenhaften Fledermäuse, die sich geräuschvoll in die Blätter der großen Palme hängen. Der Papagei ist jetzt still.
Supun
Unser Bus fährt auf das Hotelgelände. Die Angestellten kümmern sich um unser Gepäck und wir werden mit einem Willkommensdrink und einem feuchten, parfümierten Handtuch zum erfrischen begrüßt. Unser Bungalow liegt am Meer und ist durch einen niedrigen Holzzaun vom öffentlichen Strand getrennt. Die Wellen des Indischen Ozeans und das pastellzarte Rosa des Sonnenuntergangs leuchten mir zwischen großen, dunklen Palmen entgegen. Ein kräftiger gewordener Wind bringt schwere, feuchte Luft mit sich und mit ihm das Versprechen eines Gewitters.
Unser Zimmer liegt zum Meer hin. Innerhalb der ersten Stunde setzt aus unerfindlichen Gründen der Strom aus und kurzzeitig stehen wir buchstäblich im Dunklen, bis Stefan entdeckt, dass sich der Stromkasten glücklicherweise auf dem Zimmer befindet. Vielleicht lag das auch an meinem im Bad angeschlossenem Handy, wo an der Steckdose steht: nur für Rasierer – wie dem auch sei, mein Handy braucht Saft.
Seit einiger Zeit, seit kurz vor der Reise genauer gesagt, schreibe ich mit Supun. Auch das ist der Grund, warum ich, wenn irgend möglich, erreichbar sein will. Denn Supun will mich auf Sri Lanka sehr glücklich machen. Und nicht nur mich.
Doch ein Schelm, wer nun denkt, Kasia hätte sich einen Beach Boy angelacht: nein, das hat sie nicht. Denn Supun ist eine Mischung aus Guide und Fahrer und wird gebucht von Reisenden, die im Land herumkommen wollen, in kurzer Zeit viel sehen möchten ohne dabei selbst Auto fahren zu müssen. Denn zum Linksverkehr kommt auch noch die halsbrecherische Fahrweise der Einheimischen hinzu, die ich hier auf der Fahrt ins Hotel bestens beobachten konnte. Dicht an dicht wird gedrängelt und wer zuerst kommt, malt zuerst. Und es wird gehupt, wobei das Hupen hier eher als eine kurze Info: Achtung, ich überhole dich jetzt, oder auch als Grußwort (hey, Alter, lange nicht gesehen, was geht?) und nicht wie in Deutschland in Form von Bestrafung für mehr oder minder subjektive Verkehrsvergehen angewendet wird.
Doch selbst fahren wollte ich hier nicht, auch in Anbetracht dessen, dass bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden ziemlich schnell das Vehikel konfisziert wird und Gefängnisstrafen winken. Nee, danke, sollen das bitte diejenigen machen, die den Irrsinn hier gewohnt sind.
Und so begann kurz vor unserer Abreise die Suche nach einem geeignetem Fahrer, wobei ich mich hier vorwiegend an Bewertungen der Urlauber auf TripAdvisor orientiert habe. Und es gab drei- bis vier Fahrer, die besonders hervorstachen mit ihrer Zuverlässigkeit, ihrer Professionalität und ihrem Know How, was Geheimtipps auf Sri Lanka betrifft. Es waren nur Nuancen, doch ich entschied mich für Supun, vor allem vielleicht aufgrund des Satzes, den ein Reisender nach einer mehrtägigen Tour mit ihm geschrieben hat:
„Wir lernten einen Fahrer kennen, doch wir verabschiedeten uns von einem Freund.“
Ich stellte Supun eine Anfrage unter dem Kontaktformular seiner Website mit einem kleinen Änderungsvorschlag. Supun antwortete noch am selben Tag mit einem Tourenangebot und der ausdrücklichen Anmerkung, dass er sich voll und ganz nach unseren Wünschen richtet und was wir gerne hätten, auch möglich macht. Dambulla-Höhlentempel, Safari, Sigiriya und die Wolkenmädchen, der Besuch einer Teeplantage… Supuns Tour enthielt alle Highlights, die ich mir von Sri Lanka wünsche, ohne überladen zu sein, es war perfekt. „I will make u so happy in Sri Lanka.“ Schrieb er uns.