Sri-Lanka, Mai 2018
Müde lehne ich den Kopf an die trübe Scheibe des Busses, der sich langsam durch die Straßen schlängelt. Eigentlich hätte ich gedacht, dass unser Busfahrer heizen würde wie der Henker, doch gemäßigt zieht er hingegen durch die Stadt. In meiner Hand ruht die Kamera, die ich eigentlich, dem neuen Ort und neuen Eindrücken geschuldet, stets im Anschlag halten wollte, doch nun hebe ich sie nur noch ab und zu, zu erschöpft bin ich nach der Reise, zu viele Eindrücke strömen auf mich ein. Und doch bin ich nicht imstande, wegzusehen, meinen Blick von den Fenstern zu nehmen. Auf der anderen Seite, auch an einem Fensterplatz, ist Stefan bereits eingeschlafen.
Lange sind wir nun unterwegs, den insgesamt dreizehn Stunden Flugzeit gingen gestern noch sechs Stunden ICE-und S-Bahn Fahrt von Mannheim nach München voraus. Der erste ICE fiel aus aufgrund eines Triebwerkschadens, der zweite hatte Verspätung. Irgendwann am späten Abend, es erscheint mir bereits so lange her, kamen wir am Münchener Flughafen an. Das Umsteigen in Maskat, Oman erfolgte dann gegen halb vier Uhr morgens, doch der Zeitverschiebung sei dank herrschte dort zulande bereits helllichter Tag.
Der Flughafen in Maskat beeindruckte uns mit seiner Architektur und den schönen, schmückenden Elementen, der Bereich war hell, klar, prunkvoll und doch sehr modern gestaltet, ohne überladen zu wirken. Überall wurden wie eine rote Linie Arabesken und Mosaiken mit in die Gestaltung eingeflochten.
Der zweite Flieger hat einen Triebwerkschaden, was mir allerdings ein leicht entnervter Stefan im Nachhinein erzählt. Denn wir bekommen diesmal getrennte Sitzplätze und so schlafe ich, während wir auf den Start warten, relativ schnell ein. Nur zwischendurch, als ich vor zu viel Wärme wach werde, wundere ich mich, einen Blick auf die Uhr werfend, was denn da so lange dauert. Letztendlich startet unser Flug eine volle Stunde später. Ich sitze in der Mitte, links von mir ein Sri Lanker und rechts ein Amerikaner, und der Sri Lanker entschuldigt sich wortreich, als er mich bei seinem Gewurstel zwei oder drei mal anrempelt. Überhaupt ist er sehr nett und ich höre förmlich die leise, doch belustigt-kritische Stimme in meinem Inneren sagen: sag mal, Kasia, was hast du denn gedacht, wie die Leute hier sein werden? Ja, ich weiß nicht, was ich eigentlich gedacht habe. Warum bin ich darüber überrascht, dass hier jemand freundlich ist?
Menschen, Tiere und Palmen ziehen an uns vorbei, das Treiben in den Städten und außerhalb Bäume, Palmen und Felder in diesem saftigen Grün, das man aus den Reisekatalogen kennt. Kleine Hütten irgendwo im Nirgendwo, Wäsche, die an der Leine flattert, aber auch große, geräumige Häuser. Ausgedehnte Wasserflächen tauchen auf, auf benachbarten Bäumen sitzen weiße Kraniche wie hell kontrastierende Blumen. Ein Mann pflügt das tümpelhaft nasse Feld noch von der Hand. Ein paar andere stehen über eine Brücke gelehnt und fischen. Und immer wieder tauchen Kühe auf inmitten des Grün, fressen, spazieren in Gruppen hier und da. Mit der Kuh hat es hier eine ähnliche Bewandtnis wie in Indien – sie darf alles. Nur in den Städten habe ich sie noch nicht gesehen. Ein Mann steht mitten auf dem Feld, in herausfordernder Pose die Hände in die Hüften gestemmt, und scheint auf eine dieser Kühe entschlossen einzureden, doch das Vieh betrachtet ihn nur kauend mit sanftem, gutmütigem Blick.
Colombo ist auf den ersten Blick eine chaotisch zusammengewürfelte Ansammlung an Läden, Menschen und Häusern, in jeglicher Hinsicht das, was ich unter einem Moloch verstehen würde. Die Stadt hat an die zwei Millionen Einwohner – und dabei knapp 10 Prozent von den 20.877.000 Einwohnern Sri Lankas. In den Straßen liegt Müll und manches Grundstück ist völlig mit verrottendem Schrott zugeladen. Wir passieren Märkte, Elektronikgeschäfte und Gemüseläden. Das Hauptverkehrsmittel scheinen nicht, wie ich ursprünglich geglaubt hatte, Tuk Tuks, sondern Motorräder zu sein, von denen sich Unmengen durch die Lücken des eng fließenden Verkehrs zwängen. Motorradfahrer möchte ich hier nicht sein, denke ich und schaue mit angehaltenem Atem, wie sich die Fahrer völlig unbeeindruckt in Millimetern Abstand an unserem Bus vorbei bewegen. Einerseits fühle ich mich wie im Eldorado – ein Motorrad nach dem anderen taucht um uns herum auf – doch andererseits herrscht hier in Sri Lanka die Vorschrift, das Kennzeichen sowohl hinten, als auch auf der Front der Zweiräder zu montieren, und zwar nicht in dieser schicken schmalen, sondern in der breiten PKW-Ausführung. Ich rümpfe die Nase und beuge mich zum inzwischen erwachten Stefan vor: „Das sieht doch… scheiße aus, oder?“ Flüstere ich.
Die Fenster des Busses lassen sich aufschieben und zunächst spiele ich mit dem Gedanken, mich wie in diesen alten Zugwaggons aus dem Fenster zu lehnen. Davon halten mich jedoch die neugierigen Blicke der Passante ab, die sowieso schon ins Innere des Busses gleiten, sowie der starke Geruch nach Abgasen, der zusammen mit der schwülen, abendlichen Saunawärme ins Innere des Busses zieht. Männer bleiben stehen und schauen unserem Vehikel nach, der mit weißhäutigen Touristen gefüllt ist. Manche winken uns hinterher. Auch an mir bleiben Blicke hängen. Nein, das Fenster bleibt schön zu.
Zur Zeit wird in ganz Sri Lanka das Fest des Buddha gefeiert: Der Tod des Buddha und seine Wiedergeburt. Die Menschen feiern drei Tage, erzählt er uns. So erschließen sich mir also die flatternden, bunten Papierlaternen, mit denen sowohl der Flughafen als auch jede Stadt dekoriert ist. Da, wo die Laternen draußen aufgehängt wurden, stecken sie in transparenter Folie, um nicht aufzuweichen, denn es ist Monsun-Zeit. Immer Abends gäbe es Gewitter.
Im Rahmen der Festivitäten sehen wir viele traditionell gekleidete und geschmückte Frauen auf den Straßen der Städte. Wir kommen an einem Tempel vorbei, um den herum sich eine ganze Schar Mädchen und junger Frauen ergießt, allesamt in weiße, lange Kleider gekleidet. In den Händen tragen sie gelbe Sonnenschirme. Später kommen wir auf die Autobahn. „Wir dürfen in der Stadt nur 56 und auf der Autobahn nur 100 km/h fahren.“ Sagt unser Guide, der uns vom Flughafen abgeholt hat. Am Haltestreifen steht ein Motorrad. Der Fahrer sitzt seitlich auf seiner Maschine und lässt die Beine über der Leitplanke hängen. In seiner Hand hat er ein Handy.
„Wir erreichen bald unser Hotel.“ Sagt der Guide. „Für all die, die zum ersten Mal in Sri Lanka sind: es passiert oft, dass Menschen auf Sie zukommen, die Ihnen helfen wollen. Sie wollen Ihnen ein Restaurant oder ein besonders günstiges Geschäft vermitteln. Wenn Sie sich darauf einlassen, ist Ihr Geld sehr schnell weg. Auch wenn Sie jemand fragt, ob Sie das erste Mal auf Sri Lanka sind, sagen Sie immer, sie wären schon oft hier. Denn wenn Sie zum ersten Mal hier sind, ist alles sehr, sehr teuer. Erst wenn Sie sagen, dass Sie sich auskennen, wird alles plötzlich billig.“ Alle lachen. Des weiteren erzählt er uns, dass wir im Hotel Geld wechseln können. Man könne zwar auch in Euro oder Dollar bezahlen, doch das erhöht ebenfalls unbemerkt die Preise.
Wenn wir wollen, können wir auch Tuk Tuk fahren, doch hier ist Vorsicht geboten. Tuk Tuk Fahrer fahren gerne schnell und riskant und man sei bei solchen Fahrten nicht versichert, falls mal was passiert. Doch wem das nichts ausmacht, für den sei das eine billige und aufregende Taxi-Alternative.
Als wir in Kalutara am Hotel ankommen, sehen wir viele Menschen auf der Straße versammelt. Da scheint so etwas wie ein Markt statt zu finden. Zwei kleine Mädchen winken lachend dem Bus nach und sind ganz aus dem Häuschen, als ich zurück winke. Flink rennen sie zu ihren Eltern, die ein paar Meter weiter an ihrem Auto stehen, und plappern aufgeregt, zeigen mit der Hand auf uns. Dann winken sie erneut.
„Die werden aber gleich hier am Bus sein, sobald wir anhalten.“ Sagt der deutsche Mann hinter mir. Doch wir halten innerhalb der Hotelanlage, die Mädchen bleiben draußen.