Europa, Tschechien

Prag – Sex Machines Museum und eine Liebeserklärung

Wenn ihr die Gelegenheit habt – besucht es. Ihr werdet sogleich in eine andere Welt entführt, eine Welt der menschlichen Bräuche und Eigenheiten aller Jahrhunderten.

Ich laufe die Gänge entlang und staune – über die mit Metallzähnen versehenen Keuschheitsgürtel, die alleinstehende Frauen auf Reisen vor Vergewaltigung schützen sollten. Über die Anti-Masturbationsanzüge für Männer und ebenfalls zu diesem Zweck errichtete Vorrichtungen, die junge Männer mit Dornen aus Metall vor „unruhigen Gedanken“ abhalten sollten. Ich staune darüber, was sich Menschen alles bereit waren, anzutun, um ihre Lust zu zügeln, andererseits aber darüber, welch Ideen und Einfallsreichtum hier zutage kam, um sich das (Liebes) Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Unsere Generation (wie letztendlich jede junge Generation ihrer Zeit) neigt dazu, zu glauben, sie hätte den Sex erfunden, doch glaubt mir – unsere Groß- und Urgroßeltern wussten darüber weitaus mehr als wir denken. Schließlich handelt es sich hierbei um die älteste Sache der Welt…

Sehr ulkig: ein erotisches Kino aus den 20er Jahren
Nachthemd aus Frankreich aus dem 17 Jhd für einen „ehrenhaften“ sexuellen Kontakt unter Eheleuten, ohne dass sich die Körper berühren. Manche trugen die Aufschrift „Gott will es so“
Eine Art Zwangsjacke für junge Männer, die den Körper versiegelt und den Träger daran hindert, sich selbst zu berühren, frühes 20 Jhd
Eine Art frühe Peepshow: diese Kiste wanderte von Jahrmarkt zu Jahrmarkt und gegen einen kleinen Geldbetrag konnte man durch die seitlich angebrachten Schlitze einen Blick auf die mehr oder weniger bekleidete Dame im Inneren erhaschen
Lach, selbsterklärend, denke ich 🙂
Finde den Fehler 😉
Sandalen einer Prostituierten aus dem alten Griechenland. Die Nieten in der Sohle bilden die Worte: „folge mir“ und, als Abdrücke im Sand hinterlassen, verschaffen sie der Dame Werbung
Frivoles Puppenhaus für Erwachsene

Essen wollte ich heute im recht bekannten Wytopna Railway Restaurant, wo die Drinks in Modelbau-Zugwaggons auf Schienen an den Tisch serviert werden. Doch als ich die Menschen sehe, die bis vor die Tür anstehen, nur um hineinkommen zu dürfen, verzichte ich dankend. Es ist ja schließlich nicht mehr und nicht weniger als ein Lokal mit einer Modeleisenbahn; wenn ihr es schafft, hinein zu kommen, erzählt mir, wie es war! 😉

So bin ich auch heute wieder Gast in „meinem“ Lokal unterhalb der alten Kirche.

Inzwischen bin ich bereits seit fast zehn Stunden unterwegs und obwohl sich das Wetter bessert und die goldenen Verzierungen an den Fassaden der Häuser in der Sonne leuchten, bringen meine Füße mich um. Meine Überzeugung, bequeme Laufschuhe mitgenommen zu haben, stellt sich alsbald als Irrtum heraus und ich spüre, wie sich jede Faser des Schuhs beim Gehen an der Haut meiner Füße reibt, ganz so, als würde ich auf blanken Messern spazieren.

In einem Deichmann vor Ort kaufe ich mir ein neues, hoffentlich bequemeres Paar Schuhe und zusätzlich gepolsterte Einlagen. Gleich vor Ort ziehe ich sie an, unter dem wachsamen Blick eines Security-Mitarbeiters mit den eisblauen Augen und der kühlen Ausstrahlung eines KGB Offiziers. Als ich jedoch gehe, huscht der Schatten eines Lächelns über sein Gesicht. Oder ich habe mir das nur eingebildet.

Doch meine neuen Schuhe beginnen bereits nach kurzer Zeit ebenfalls, meinen geschundenen Füßen weh zu tun. Diesmal sind es die Zehen. Eine Weile setze ich mich auf einen Mauervorsprung und beobachte das unruhige Treiben um mich herum, lasse die Hektik und die Menschen an mir vorbei ziehen. Auf dem Weg zurück ins Hostel verlaufe ich mich ein paar Mal. Schmerzende Füße sind natürlich mit die beste Voraussetzung, um sich zu verlaufen (Ironie-Alarm…).

Die Tschechen, denke ich mir, während ich müde einen Fuß vor den anderen setze, sind, puh… Also, ein Vulkan aus Herzlichkeit sind sie nicht, zumindest der Erfahrung nach, die ich über die kurze Zeit hier machen durfte. sie bleiben nur zu gerne in ihrem Schneckenhaus und es ist schwierig, ihnen ein Lächeln zu entlocken – falls es denn überhaupt klappt.

Doch als ich schon bereit bin, die Tschechen als ein leidenschaftsfreies Volk abzustempeln, spricht mich ein Mann auf der Straße an. Er hat das dunkelblonde Aussehen eines Slaven und die hellblauen Augen der osteuropäischen Völker.
„Welche Sprache sprichst du?“ Fragt er mich etwas umständlich und ich hege die Vermutung, dass er mir Falschgeld oder gefälschte „Markenuhren“ andrehen will. „I just wanted to say that I seen you comming and you are a very beautiful woman. And I wandt say how much I like you. So… just it.“ Sagt er und läuft weg, während ich ihn mit großen Augen anschaue und immer noch darauf warte, dass er mir etwas verkaufen wird.

Im Hostel schlafe ich bis zum Abend. Dann, gegen halb zehn, zieht es mich wieder in die Stadt. Meine Füße fühlen sich inzwischen furchtbar an, doch es ist der eine Gedanke, der mich voran treibt: Du kommst nie wieder nach Prag. Ja, richtig gelesen: Die Welt hat noch so viel zu bieten, so viele schöne Ecken – warum soll ich nochmal zu einem Ort zurückkehren, den ich bereits gesehen habe? Außerdem – den ersten Eindruck kann sowieso nichts toppen. So dann…

Wieder bewundere ich die Lichter der Stadt. Es ist kalt an der Karlsbrücke. Ich bleibe kurz stehen, um zu schauen, gehe dann wieder zügig weiter. Auch diesmal traue ich mich ein Stück weit hinein auf die andere Seite mit dem Gedanken (wieder einmal), die Burg zu besichtigen, doch meine Füße geben den Aufstieg einfach nicht mehr her. Es ist kalt und die Straßen vereinsamt. Jedoch fühle ich mich in keinem Augenblick unsicher, was nicht zuletzt an der Polizeipatrouille liegt, die zu Fuß die dunklen Gassen entlang geht.

Auf dem Weg zurück bekomme ich eine echte Rarität zu sehen: eine fast Menschenleere Karlsbrücke! Nur noch wenige Spaziergänger sind noch auf der Brücke zu sehen, die meisten haben sich in ihren Hotels, Hostels oder den vielen Clubs der Stadt verteilt. Die Putzkolonne ist ausgerückt und beseitigt in orangen leuchtenden Overalls die Hinterlassenschaften des Touristenansturms. Es ist inzwischen halb zwölf.

Die Bürgersteige sind in der Altstadt hochgeklappt, die meisten Läden zu. Der Geruch nach Marihuana zieht wie zäher Kaugummi entlang der verwinkelten Gassen der Stadt. Einer der vielen Bettler hat sich augenscheinlich abgeschossen und versucht, mit einem lallenden Singsang auf sich aufmerksam zu machen. Nur noch Nachtschwärmer sind unterwegs und ich wundere mich darüber, dass die Prager Altstadt wie ausgestorben ist.

Montag, Tag der Abfahrt

Heute morgen breitet sich – wie solls auch anders sein – das schönste Wetter über der Prager Altstadt aus.

Beim Frühstück treffe ich nochmal auf Tali, das Mädchen aus Tel Aviv, wieder. Auch für sie ist heute Tag der Abfahrt und ehe wir uns verabschiedeten, lädt sie mich noch zum Couchsurfen zu sich nach Hause ein, um mir ihre Stadt zu zeigen. Eines Tages werde ich diese Einladung sehr gerne annehmen.

Die Altstadt ist wie immer voll und ich mache mir einen gemütlichen Tag. Kein Sightseeing heute, keine weiten Strecken – gemütlich und in aller Ruhe schlendere ich zur Brücke und lasse mich dort auf einem Sockel nieder. Und wie ich so dasitze und rauche, eine Packung tschechische Zigarillos vom Chinesen um die Ecke, die nicht mal ansatzweise das Geld wert sind, die ich dafür hingeblättert habe, doch leider war ich etwas zu langsam mit dem Umrechnen – werde ich Zeuge einer sehr merkwürdigen Szene.

Eine Frau in den mittleren Jahren versucht unablässig, Tauben mit Brotkrümeln anzulocken. Und dann wird es seltsam: schnell fängt sie eine von ihnen und ich warte nur darauf, dass sie den Vogel in ihren pinkfarbenen Rucksack steckt. Unter den etwas verstörten Blicken der umherstehenden Passanten streichelt sie jedoch das Tier und redet auf tschechisch auf es ein; gleichzeitig versucht sie, mit ihrem Smartphone ein Foto von der Taube zu machen. Ein Passant und ich wechseln einen Blick. Immer noch warte ich skeptisch darauf, dass die Frau die Taube einpackt, um sie (zu essen?) mit nach Hause zu nehmen. Dann – ein kurzer Augenblick Unachtsamkeit, als ich mein Zigarillo anzünde – und die Taube ist verschwunden, zufrieden spaziert die Frau mit ihrem Rucksack davon und ich kann beim besten Willen nicht sagen, ob sie ihr Mittagessen jetzt nun mitgenommen hat oder nicht.

Den Rest des Nachmittages – die Füße fangen wieder an zu schmerzen – verbringe ich in meiner Lieblings-Absintherie und lasse mich noch ein letzes Mal mit Absinth volllaufen.

Zurück in Deutschland, als ich im Bus sitze und wir uns Mannheim nähern, fahre ich noch einmal mit dem Finger über die Karte. Der blinkende blaue Punkt, das bin ich und hier – hier ist Prag. Noch einmal lasse ich die Straßen, die Altstadt und die überfüllte Karlsbrücke vor meinem inneren Auge entstehen.

Letztendlich ist alles nur ein Traum. Ein Traum, der immer mehr beginnen wird, zu verblassen, wie ein fernes Echo irgendwo aus den Tiefen der Erinnerung.

Das ist Reisen.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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1 Kommentar

  1. […] ich so vor mich hin laufe, die Strecke, die Füße und meine Schuhe verfluchend, löst sich plötzlich ein Mann aus dem Schatten und kommt auf mich zu. Er hat schütteres, blondes Haar, stahlblaue Augen und ein ernstes, […]

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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