Europa, Italien

Wie Sizilianer feiern – Stefanias Hochzeit

Ununterbrochen wird sie umringt, fotografiert, gefilmt. Es ist die Rolle ihres Lebens – die Rolle der glücklichen Braut. Und sie ist glücklich, wie sie mir, als wir uns später sehen, erklärt. Dies sei der schönste Tag ihres Lebens gewesen und genau so hatte sie sich ihn vorgestellt.

Doch im Vorfeld, am Tag ihrer Hochzeit, innerhalb des Trubels, des Lächeln und Posieren mache ich mir ein wenig Sorgen um sie.

Da wir auf Sizilien nicht einfach nur Urlaub machen, erwähnte ich bereits zu Anfang. Nein, der Sinn und Zweck der Reise ist außerdem noch ein anderer: Wir sind zur Hochzeit einer lieben Freundin von mir eingeladen. Eine original sizilianische Hochzeit, wie sie im Buche steht. Und heute ist es soweit. Bühne frei für Stefania und Nicola!

Meine Haare wollen nicht sitzen. In keinster Weise. Zudem habe ich weit weg von Zuhause nur begrenzte Möglichkeiten, etwas aus dem Gestrüpp zu machen. Schließlich stecke ich sie hoch zu einem Knoten und gebe mich damit zufrieden. Jimmys* Anzug, den er für diese Gelegenheit mitgenommen hatte, sitzt einwandfrei. Mein Kleid muss nicht gebügelt werden – das ist schon mal von Vorteil. Dennoch fühle ich  mich nicht so hochzeitstauglich, wie ich es hätte sein sollen. Männer haben es so einfach!

Auf Sizilien ist es anscheinend Brauch, dass der Bräutigam die Braut vor der Hochzeit bei den Brauteltern zu Hause abholt. Und mit dem Bräutigam kommen auch alle Hochzeitsgäste und stehen vor dem Hause aufgereiht wie die Domino-Steine. Und da die Braut und ihre Eltern dauerhaft in Deutschland sesshaft sind, ist das Zuhause von Stefanias Verwandten hier auf der Insel unser Ziel. Also strömen wir allesamt dorthin, um in Hof vor dem Haus voller Spannung auf das Erscheinen der Braut zu warten. Und jeder – oder zumindest jede Frau – stellt sich bei der Gelegenheit die Frage, die man sich in solchen Momenten des Wartens immerzu stellt:

Wie sieht denn das Brautkleid aus?

Ich beäuge die Gäste. Elegant und gestriegelt sind sie durchgehend alle, jung wie alt, von der Sohle bis hin zum Scheitel; auch Männer haben keine Mühen gescheut, sich in Schale zu werfen. Die gebügelten Hemden leuchten, das Styling-Gel der Jüngeren lässt ihre Haare in der Sonne glänzen, Wolken an Parfüm und After Shave kommen uns entgegen. Der Innenhof ist voller Menschen, sie positionieren sich um den Eingang herum, postieren sich auf der Treppe, stehen oben am Geländer und schauen nach unten. Alle warten sie auf die Braut. Und die Braut macht es spannend, so wie es Bräuten nun mal zueigen ist.

Und dann geht die Tür auf. Alle recken die Hälse vor. Ein wenig schüchtern kommt sie, von ihrem Vater begleitet, aus der Tür hinaus und steigt sogleich in den wartenden Wagen. Es ist ein kurzer Moment, in dem wir sie erblicken, und nun ist er vorbei. Das Auto setzt sich in Bewegung. Auch wir setzen uns in Bewegung. Die Kolonne begibt sich nun zur Kirche.

Vor der Kirche in Agrigento:

Ich verdrehe mir den Kopf, um etwas zu sehen. Noch kann ich sie nirgends entdecken. Noch ist sie nicht da. Wir, die Hochzeitsgäste, stehen draußen vor der alten Sandsteinkirche versammelt und warten. Und ich schaue mich immerzu nach Stefania um.

Irgendwann setzt sich alles in Bewegung, ganz so, als hätte jemand ein unsichtbares Zeichen gegeben. Die Menschen strömen nun in die Kirche hinein. Elegante Frauen ziehen mit rauschenden Kleidern an mir vorbei. Alt oder jung, alle sind sie todschick, das Kleid strahlt, die Frisur hält… und all das Make up, die Accessoires, die Locken im Haar; all das erzählt eine Geschichte, die Geschichte des vor dem Spiegel verbrachten Vormittages. Jedes Details sitzt bei den eleganten Italienerinnen, nichts wurde dem Zufall überlassen. Erst recht komme ich mir mit meinem schnell gezwirbelten Knoten im Haar ein wenig underdressed vor.

Wir setzen uns ganz nach hinten in eine der letzten Bankreihen. Hier werden die Gäste nach der Seite der Braut und der des Bräutigams aufgeteilt, und so orientieren wir uns einfach an Stefanias Mutter.

Und dann – dann ist es soweit. In Begleitung ihres Vaters betritt Stefania die Kirche.

Während sich Nicola längst vor dem Altar postiert hat und erwartungsvoll nach hinten schaut, schreitet sie wie eine Prinzessin nach vorne, langsam und bedächtig, als hätte jeder ihrer Schritte eine schicksalsschwere Bedeutung, am Arm geführt von einem sehr gerührten, sizilianischen Papa. Im Vorbeigehen kann ich die schwimmenden Augen des Mannes, der seine Tochter nun an das Leben abtritt, deutlich erkennen. Der obligatorische Hochzeitswalzer hatte längst begonnen.

Die Messe erfolgt auf italienisch. Wir versuchen, dem Text des Gesangsheftes zu folgen, geben es jedoch irgendwann auf. Ich beobachte heimlich die anderen Gäste. Und sie – sie beobachten heimlich uns, die wir, beide blond und hell, aus der Menge herausstechen. Wir sehen Kameraleute, die sich mit einem Mikro möglichst nah am Brautpaar positionieren. Ein Fotograf sorgt für unvergessliche Erinnerungen.

Dann ist der Gottesdienst vorbei und wiederum warten wir vor der Kirche auf das feierliche Erscheinen des Brautpaares. Säckchen mit bunt eingefärbtem Reis werden verteilt.

Dann sind sie da; stehen in der Kirchentür und lächeln, während die Menge mit Reiskörnern wirft. Das Brautpaar posiert, nimmt Glückwünsche entgegen, währen andere Gäste versuchen, ein Bild von ihnen/mit ihren in den Kasten zu bekommen. Ein Kameramann ist dabei und filmt das Ganze, die Kamera ist ganz nah an ihren Gesichtern dran. Stefanias Mutter zieht zwischendurch den Lippenstift der Braut ein wenig nach. Die Braut ist der Mittelpunkt des Spektakels, an ein Ausruhen ist nicht zu denken. The show must go on… Und meine Gedanken driften ab, ich frage mich, ob meine Freundin bei all dem Hochzeitsstress etwas getrunken, etwas zu essen in den Magen bekommen hatte…

Doch meine Bedenken sind unbegründet und werden später von einer sehr glücklichen Stefania zerstreut.
„Es war alles perfekt.“ Sagt sie. „Es waren alle da, das alles war für uns… Genauso hatte ich es mir vorgestellt.“

Berührt und beruhigt machen wir uns anschließend über das leckere, italienische Hochzeitsessen her.

* Namen geändert

Das war: Sizilien, August 2010

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.