Es ist der Ort der Geister, die Burg Gamburg. Und bei einer Geisterführung am Abend lauschen wir Legenden und Berichten rund um die Burg und das Tal. Doch nicht nur das. Denn am nächsten Morgen wollen wir, meine Freundin und ich, uns selbst auf Spurensuche begeben. Der gegenseitige Blick, als am Abend im Burggarten Fledermäuse über unseren Köpfen schwirren und wir der Liebesgeschichte der Melusine und der Erzählung von dem geköpften Ritter Arnold lauschen. Diese Orte, die mit den Sagen verbunden sind, gibt es wirklich und die wollen wir aufsuchen.
Früh am Morgen begrüßt uns ein Sonnenaufgang über den Dächern des kleinen Ortes. Alles ist so urig, ruhig und friedlich, wie es nur in einer ländlichen Gegend sein kann. Sonne über den roten Dächern, dahinter sanft geschwungene Hügel mit goldenen, abgeernteten Feldern. Gleich nach dem Frühstück, als viele noch in ihren Betten liegen, machen wir uns auf entlang der Tauber.
Der geköpfte Ritter – Arnold von Uissigheim
Unser erstes Ziel ist ein recht unbekanntes. Wie denn auch – Uissigheim, ein Stadtteil von Werbach, hat an und für sich kaum etwas, das einen neugierigen Reisenden anziehen könnte. Bis auf eines eben – die Legende vom bösen Ritter.
„Schau mal!“ Sage ich zu meiner Freundin, als wir über die Ritter-Arnold-Straße fahren. „Hier ist sogar eine Straße nach ihm benannt!“ Nun, ob es sinnhaft ist, eine Straße nach einer so umstrittenen Persönlichkeit zu benennen, das mag alleine die Gemeinde Uissigheim entscheiden. Aber wie es oft so ist: was nicht bewiesen werden kann, ist nicht existent und eine schlechte Sage ist besser als keine sage. Und der überlieferten Boshaftigkeit des Ritters stehen diverse Sagen von den von ihm vollbrachten Wundertaten entgegen.
Uissigheim, der kleine Ort mit gefühlt sechs Häusern und einem großen Kirchturm, wo just in der Ecke ein Traktor steht, liegt in tiefem Schweigen. Wir stellen das Auto vor der St. Laurentius-Kirche ab und spazieren hinein. Glücklicherweise – glücklich für uns – ist die Kirche am frühen Morgen nicht abgeschlossen.
Zunächst staunen wir über das Innere, denn der schöne, große spätromanische Bau scheint hier ganz unpassend in diesem kleinen, unbedeutendem Ort zu sein. Doch eventuell hatte Uissigheim etwas mehr an Bedeutung in früheren Zeiten als heute – oder größere Ambitionen. Doch wo ist der Ritter? Und während Janine, meine Freundin, noch fotografiert, habe ich mich bereits umgedreht und entdecke rechts in der Ecke Sargplatten. Eine von ihnen ist eindeutig das, wonach wir suchen. Sie zeigt einen Ritter, auf dessen Kehle eine Schwertklinge ruht. Doch warum suchen wir danach?
Die Gamburg-Legende
Auslöser für unsere Suche ist die Legende, die auf der Burg Gamburg im Manuskript über die 21 Geister überliefert wurde. Wohlgemerkt, wir bewegen uns hier im Reich der Mythen, doch die Grabplatte des geköpften Arnold von Uissigheim gibt es wirklich, ebenso wie sein Leben belegt ist.
Der Legende nach soll Arnold von Uissigheim erlebt haben, wie Juden eine Fronleichnamsprozession verspotteten. Das zog seinen Zorn herauf und er schwor, sich zu rächen. Seitdem verfolgte und tötete er Juden, wann immer sich eine Möglichkeit ergab. Eines Tages trieb er eine größere Menge Menschen nach Tauberbischofsheim, um sie dort auf dem Marktplatz hinzurichten. Doch die Stadtbewohner hatten genug von seinem Treiben und schlossen ihm die Stadttore vor der Nase zu. Ob Arnold von Uissigheim auch hier Rache schwor, ist nicht überliefert. Der Ritter zog unverrichteter Dinge ab und brachte die unglückseligen Menschen auf die Gamburg. Dort, an einem steinernen Tisch, der im Schatten der Bäume im heutigen Lustwandelgarten steht, richtete er die Juden hin.
Laut der Erzählung des Burgherrn von der Gamburg soll Ritter Arnold kein Wundertäter, sondern ein richtiger Schurke gewesen und mit seinem Bruder raubend und marodierend durch Dörfer gezogen sein. Daher stammte wohl der Beiname König Armleder. Beim zweiten Mal trieb er wieder Juden vor sich her und brachte sie nach Tauberbischofsheim.
Doch, wie man sich bereits denken möge, standen sie wieder vor verschlossenen Toren und die Stadtbewohner dachten nicht daran, sie zu öffnen. So zog der Ritter wieder einmal erfolglos ab (manche lernen aber auch nie…) und brachte die Menschen zur Gamburg, wo er sie tötete.
Das Treiben des Ritters blieb nicht unbemerkt. Der Herr Godfried III von Hohenlohe-Brauneck bekam Wind davon. Angeblich bestachen Juden ihn mit einer Summe von 400 Pfund Heller, auf das er den Ritter Arnold festnehmen möge. Man machte Arnold von Uissigheim in Röttingen den Prozess, infolge dessen dieser zum Tode durch Enthauptung verurteilt wurde (ja ja, blutige Zeiten damals…). Dafür brachte man ihn nach Kitzingen, wo er mit seinem eigenen Schwert enthauptet wurde, wie die Inschrift auf seiner Grabplatte besagt.
Die Grabplatte, um die sich so viel Schweigen hüllt, zeugt heute noch davon, auch wenn die Inschrift inzwischen verloren gegangen ist. Ich wünschte, der Ort würde mehr gewürdigt, seine Geschichte anerkannt und erzählt werden. Denjenigen, die ihn besuchen. Wie wir.
Die Legende vom Tod durch Juden
Eine zweite Variante der Sage, die sich um Ritter Arnold dreht, beginnt sehr ähnlich. Auch hier soll der Ritter spottenden Juden Rache geschworen und sich an den ausgedehnten Verfolgungen der Juden beteiligt haben. Doch die Juden lauerten ihm auf und schlugen ihm aus Rache den Kopf ab. Ja, so war das damals: die Rache war schnell geschworen und viele Köpfe rollten. Was für eine Zeit.
Sei es drum. Der weitere Teil der Sage spricht von einem Ochsenkarren, der den Leichnahm führerlos durchs Dorf zog und vor der Kirche anhielt, worauf die Glocken im Kirchturm von selbst zu läuten begannen. Der Ritter wurde in einem prächtigen Hochgrab beigesetzt und die Verehrung nahm ihren Lauf.
Die Historie
Verlassen wir das Reich der Legenden. Was wissen wir wirklich?
Arnold III von Uissigheim, oder auch König Armleder genannt, lebte und wirkte im 13 Jahrhundert. Ritter Arnold stand bei Juden vor Gericht, da er Schulden bei ihnen hatte, die er nicht zahlen könne. Er behauptete, Juden hätten den Leib Christi verspottet.
Der Bericht des Bischofs von Würzburg besagt, dass sich Arnold von Uissigheim und sein Bruder an der zweiten Judenverfolgung beteiligt haben sollten. Man könnte sagen, dass die Verschuldung des Adels bei judischen Gläubigern eine der Ursachen für die Verfolgungen war.
Die Judenverfolgung glich einer Welle, die sich auf ganz Franken ausgedehnt hatte. Dabei fand Ritter Arnold von Uissigheim den Tod. Er wurde auf Befehl des damaligen Bischofs von Würzburg, Otto II von Wolfskeel, hingerichtet. Später erst entstand die Legende, dass die Juden selbst ihn aus Rache getötet haben sollen.
Später wurde der Ritter als Wundertäter verehrt. Die Bauern pilgerten zu seiner Begräbnisstätte, die sich mitten in der Kirche befand, und opferten ihm einen Teil ihrer Ernte, um sich und ihr Vieh vor Krankheiten zu schützen. Eigens dazu ist ein sogenannter „Arnoldskasten“ errichtet worden. Natürlich nutzte am Ende die Kirche diese Opfergaben, wodurch fast schon der Verdacht entsteht, dass Legenden von solchen „Wundern“ und angeblichen „Wundertätern“ eigens zu diesem Zwecke ins Leben gerufen worden sind.
Bis ins 18 Jahrhundert dauerte die Verehrung an. Eventuell kann man sich damit den Straßennamen „Ritter-Arnold-Straße“ erklären, wie die heutige Hauptstraße benannt worden ist. Dann macht die Kirche den Fehler, im bisherigen Grab des Ritter Arnold einen Priester beigesetzt zu haben, wodurch die Verehrung aufhörte. Auch wurde das steinerne Grab des Ritters verlegt, da es in der Mitte der Kirche bei Prozessionen störte.
Keine Erklärung, keine Infotafel ist neben der Platte zu finden. Doch vermutlich kennen die Einwohner diesen Teil der Geschichte.
Quellen: Wikipedia, Würzburg-Wiki, Uissigheim.jimdofree.com (letztere kann ich besonders empfehlen, wenn man tiefer in die Materie eindringen möchte). Des weiteren: Historisches-lexikon-bayerns.de
[…] uns an diesem Morgen entschlossen, ein paar Legenden nachzujagen. Und nachdem wir in Uissigheim dem Ritter mit dem Schwert an der Kehle einen Besuch abstatten, steuern wir nun zielentschlossen die Eulschirbenmühle an. Denn auch um […]