Es waren nur wenige Tage, doch es war wie eine ganze Welt.
Di Hamri
Den Abend verbringen wir wieder am Di Hamri-Strand, dem Zeltplatz, an dem wir bereits zu Beginn unserer Reise übernachteten. Dies war unser Wunsch: noch einmal schwimmen, noch einmal schnorcheln. Die eigentlich geplante Übernachtung im Hotel lassen wir sausen. Nichts geht über mitten in der Natur zu sein.
Zuerst – ausgiebig duschen. Ich brauche die Dusche so dringend. Danach wird geschnorchelt. Einmal mehr sehe ich eine bunte Unterwasserwelt mit ihren Papageienfischen, ihren platten Doktorfischen, langen Fischen, dünnen Fischen, großen Fischen, kleinen Fischen. Bunten Fischen, gesprenkelten Fischen und schwarzen, bedrohlichen Seeigeln, die mit ihren langen Nadeln auf- und unter den Korallenriffen hocken. Einer der Mitreisenden erspäht eine Karettschildkröte.
Ich muss Acht geben, um nicht auf eines der Riffe gespült zu werden. Das Wasser ist so kristallklar – man kann jeden Stein erkennen, wenn man von oben am Ufer stehend hinein blickt. Der Boden ist mit runden, roten und weißen Steinen bedeckt. Die Papageienfische sind riesig, sie und ihre Mitbewohner fressen mit einem vernehmlichen Knarzen die Steine am Grund sauber. Ein ganzer Fisch-Speisesaal lässt sich so entdecken. Die Papageienfische kommen in dem flachen Wasser bis ans Ufer, so dass sie mit bloßem Auge am Strand stehend als leuchtende, schillernde blaue Erscheinung zu erkennen sind.
Als die Dunkelheit anbricht, versammeln wir uns am langen Tisch zu einem letzten Abendessen. Wie aus dem Nichts tauchen zwei hungrige Katzen um unsere Beine auf, die fordernd Miauend ihren Anteil abzupressen versuchen. Eine bedauernswerter als die andere.
Doch davor wird Trinkgeld gesammelt. Für Guide Gerti, die uns wie eine geduldige Pausenhoflehrerin durch diese Exkursion geleitet hat. Ein Rekapitulieren der gelaufenen Kilometer, der gefahrenen Routen. Zig Kilometer zu Fuß und mit dem Auto haben wir absolviert. Überall geschlafen, mit den Ziegen im Gebüsch gepinkelt. Und ja, man gewöhnt sich schnell an diese naturnahe Lebensweise. Was nicht heißt, dass man eine geflieste Dusche ablehnen würde. Man gewöhnt sich auch an diesen Rhythmus: Zelt aufbauen, schlafen, Zelt abbauen, weiter. Wie lange habe ich in dieser Zeit nicht mehr in den Spiegel geschaut?
Sehnsüchtig blicke ich zum Meer, nehme bewusst zum letzten Mal das Rauschen, den irren Sternenhimmel wahr. Morgen kehren wir zurück in die… ach wie heißt denn das Ding schon wieder, das allseits total überbewertet wird? Richtig: wir kehren zurück in die Zivilisation.
14 März 2023
Abflug
Fischer in ihren Booten. Noch lange, bevor wir wach sind, sind sie bereits auf dem Meer, vom Ufer aus nur noch als kleine Objekte zu sehen. Ein Abschiedsblick zum Meer. Ein Abschiedsfrühstück. Wir machen Abschiedsbilder mit der restlichen Crew, verteilen Trinkgelder. Ein letztes Mal Zelt abbauen. Abschiedsfahrt zum Flughafen. Abschieds-alles.
Unsere Truppe ist geschrumpft, denn ein Paar verlängert die Reise und reist weiter in den Westen der Insel. Der Rest fährt mit dem Auto zurück nach Hadibu. Betrachten das Leben auf der Insel, das jetzt am frühen Morgen noch nicht im Verborgenen stattfindet. Sehen Jungs auf Kamelen reiten. Verschleierte Frauen, die in Grüppchen am Straßenrand sitzen und auf Mitnahme warten. Ein Reisender unserer Gruppe macht sich beim Tankstopp unbeliebt – kaum hat er seine Kamera rausgeholt, schon beginnen die Männer um uns herum an zu schimpfen. Das Fotografieren (von Menschen) wird schnell auf seine Grenzen stoßen hier, auf der muslimischen Insel Sokotra.
Die Ausfuhrkontrollen scheinen die Sokotris durchaus ernst zu nehmen. Drei Mal passieren wir Checkpoints, ehe wir in den Flughafenbereich einfahren dürfen. Wie war das nochmal mit der Ausfuhr von Samen und Steinen? Ich lasse meine geschenkten Krümel Drachenblutharz im Auto liegen. Ärger mit jemenitischen Behörden ist nicht eben das, was auf meinem Wunschzettel steht.
Drinnen geht die Kontrolle weiter. Nacheinander werden wir herausgewunken, gleich zwei Mal darf ich mich einer Leibesvisitation unterziehen. Zugegeben, die Security-Mitarbeiterin in Vollverschleierung ist sehr nett. „Wie geht es dir? Wie ist dein Name? Wie hat dir die Insel gefallen?“ Fragt sie mich, während sie im Séparée gründlich meine Underwear inspiziert. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass sie vielleicht nur mal wissen möchte, was eine westliche Reisende so trägt. „Du bist schön.“ Sagt sie dann. „Schön, dich kennengelernt zu haben.“
Erquickt von dieser amüsanten Begegnung finde ich mich im Sicherheitsbereich wieder. Jetzt heißt es für die anderen und mich: warten. Und das Warten ist zermürbend. Währenddessen sitze ich abwechselnd da, döse vor mich hin, drehe eine Runde in dem überschaubaren Raum. Eine saudische Militärmaschine landet, am Rollfeld vollzieht sich so etwas wie ein Wechsel der Armeeeinheiten (?). „Nicht fotografieren. Gehen Sie zurück.“ Sagt immer mal wieder der Sicherheitsmann draußen, der den Ablauf beaufsichtigt. Die wartenden Passagiere indessen kleben an der Scheibe der Abflughalle und spähen nach draußen, es gibt ja sonst nichts zu tun. Das Fotografieverbot wird nur halbherzig kontrolliert, denn immer wieder klicken Kameras durch die Scheibe. So etwas sieht man nicht alle Tage. Ich erkläre die Menschen im Stillen für todessehnsüchtig. Militärische Objekte trotz Verbot abzulichten kann so oder so ausgehen. In diesem Falle wurden die einzelnen Knipser jedoch nicht sanktioniert.
Unser Flug hat bereits drei Stunden Verspätung. Am Ende stehen zwei Maschinen für uns da, die Jemen und die Arabian. Trotz gegenteiliger Angabe auf dem Ticket fliegen wir mit der Arabian. Drinnen staune ich nicht schlecht. Während die jemenitischen Security-Damen in einer vollverschleierung arbeiten, sind die Flugbegleiterinnen der Arabian Airlines schickt gekleidet und stark geschminkt. Erschöpft nehme ich meinen Platz ein. Jetzt kann es losgehen. Doch zunächst passiert nichts. Trotz drei Stunden Verspätung bleibt der Flieger am Boden. Ein Baby brüllt nervtötend und ausdauernd vor sich hin. Das macht mich wahnsinnig.
Beim Zwischenstopp in Abu Dhabi sind wir noch zusammen. Die meisten von uns. Zwei Gruppenteilnehmer haben sich bereits auf Sokotra verabschiedet, da sie ihre Reise verlängern und in den Westen der Insel reisen werden. Abu Dhabi sorgt mit seinen klimatisierten Hallen für einen kalten Schauer der Heimkehr. Ich krame mein Jäckchen raus. Wir sitzen da und kramen in unseren Reisebildern. Nutzen hemmungslos das endlich vorhandene W-Lan, um Familie und Freunde zu kontaktieren. Doch ansonsten, habe ich Internet vermisst? Ich merke, wie ein jeder in sein Smartphone vertieft ist. Nein, ich denke, das habe ich nicht vermisst.
Was für ein epischer Trip, den du sicherlich so schnell nicht vergessen wirst. Auch ich habe deine Reise sehr genossen beim Lesen. Und ja, ich denke auch, du bist aus reiner Neugier so gründlich am Flughafen inspiziert worden 😁. Und nun bin ich gespannt, an welcher Reise du uns als Nächstes wirst teilhaben haben lassen. Ich packe schon mal mein Köfferchen 😎.
Du weißt ja, wie es heißt: nach dem Trip ist vor dem Trip… bitte für sommerliche Temperaturen in Osteuropa packen. Ziemlich weit Ost… 😉
Alles klar! Dann kann ich mich schon mal vorbereiten 😎.
Schade, dass diese Reise schon wieder vorbei ist. Aber ich freue mich auf die nächste. War jedenfalls ein Vergnügen Dich begleiten zu dürfen. Zumindest im Geiste.
Nach der Reise ist immer vor der Reise. Und manchmal sind Pausen zwischendurch auch eine gute Sache. Auf bald!
Wir brauchen ja auch Zeit zum schreiben!
So ist es 😉
Deine so herrlichen Reiseberichte hier zu lesen ist immer wieder auch für mich ein kleines Erlebnis, liebe Kasia und dafür danke ich dir!🤗
Liebe Grüße, Hanne
Liebe Hanne, ich freue mich sehr, dass auch du hier mit dabei warst. Ganz liebe Grüße.
Todessehnsüchtig oder einfach nur dumm? Militärische Einrichtungen in Ländern zu fotografieren, die gerne mal öffentliche Hinrichtungen zelebrieren ist so mit das dämlichste was man tun kann. Vielleicht kriegt er für das Selfie mit dem Henker dann aber Posthum ein paar tausend Likes. Zu wünschen wäre es dem Volltrottel.
Aber auch auf YouTube sieht man ja häufig Videos in denen sich Touristen verbotenerweise mit einem königlichen Gardist fotografieren lassen wollen – angeschrien werden, sie sollen sich verpissen (auf englisch of course) – kurz erschrecken – um es dann erneut zu versuchen. Ich bin dann echt in katatonischer Schockstarre, weil ich nicht glauben kann, dass man so blöd sein kann – aber tatsächlich, es geht…
Dass ich das Gefühl habe, mit dem Verstand der vorherrschenden Spezies dieses Planeten ist es nicht mehr weit her habe ich des öfteren gesagt – bisher hat mir niemand einen Gegenbeweis liefern können – nee, das wir zum Mars fliegen, zeigt nur, dass wir Ressourcen für Dinge verschwenden, die keinen Sinn machen, denn zu glauben wir würden irgendwann mal das All erobern, haha.. bis dahin haben entweder wir uns selber durch Kriege oder durch den Klimawandel ausgelöscht.
Ach ja.. im Alter sieht man das entspannter und sieht diesen Planeten nur noch als riesige kostenlose Open-Air Comedy-Veranstaltung.. 🙂
Bleib gesund Kind…
CU
P.
Die Touristen handeln oft nach dem Prinzip „lieber nachher entschuldigen als um Erlaubnis fragen“, weil viele davon ausgehen, die Rechtslage vor Ort sei wie bei uns – beim Verstoß klopft einem jemand auf die Finger und sagt: Du du du!. Damit sind inzwischen viele auf die Nase gefallen, denn das „du du du“ kann auch mal ein paar Tage Gefängnis bedeuten. In diesem Fall sahen die Verantwortlichen anscheinend von weitgreifenden Konsequenzen ab.
Ja, ich denke mal, die Verantwortlichen konnten das Verhalten richtig einschätzen und einen Spion von einem Trottel unterscheiden. Darauf verlassen sollte man sich aber lieber nicht.
Lieber nicht, da hast du Recht. Manchmal spielt es keine Rolle für sie, ob Spion oder Trottel 🙂
Das war bestimmt eine Reise, die du nicht so schnell vergisst. Danke fürs mitnehmen!
Das stimmt. Gern geschehen.