Europa, Griechenland, Nordmazedonien

Die große Balkantour – Bärenhunger und Wein Rosé

Der Weckruf

Am Morgen begrüßt uns in Ohrid der Weckruf des Muezzin, so wie er uns am Tag zuvor am Abend in den Schlaf wiegte. Unser Gasthaus befindet sich genau gegenüber einer Moschee. Doch das Begleitgeräusch stört nicht, ist eigentlich kaum zu hören, sobald man Türen und Fenster verschlossen hält. Nach einem roten Sonnenuntergang und einem netten, feuchtfröhlichen Abend, an dem sich niemand, absolut niemand auf dem Boden kullerte vor lachen, folgt nun ein warmer Sonnenaufgang, der die Umgebung durchflutet. Wir packen zusammen – ich bin eigentlich schon gepackt und auch Gosia – man höre und staune – ist auf dieser Reise top organisiert.

Das letzte Frühstück und eine Lagebesprechung. Obwohl, die Lage ist eigentlich klar. Noch immer flüchten wir vor der herbstlichen Schlechtwetterfront, die uns von Polen aus über Bosnien und Kosovo hartnäckig folgt. Hier, in Ohrid, haben wir es endlich geschafft, dem Schmuddelwetter zu entkommen, doch die Regenfront vereitelt unsere Pläne, die adriatische Küste zu erkunden. Stattdessen nehmen wir einen längeren Weg auf uns. Eine lange Anfahrt wird es werden, doch am späten Nachmittag müssten wir in Griechenland angekommen sein.

Somit erledigt sich auch die gestrige Diskussion mit Gosia, die den ursprünglichen Plan, durch Albanien weiter zu reisen, so semi gut fand. Und meines Onkels und meinen Vorschlang, einen Erkundungshalt in Tirana einzulegen, mit einer ihr untypischen, aggressiven Haltung ablehnte. Tirana sei ein Drecksloch, meinte sie; wozu solle es gut sein, ein solches zu besuchen. Na, Tirana hatte sich nun erledigt, es geht in südöstliche Richtung entlang der beiden Seen Ohridsee und Prespasee, vorbei an Bitola und weiter über die A3. Über den Grenzübergang Medzhitlija kommen wir nach Hellas, Griechenland.

 

Griechenland

Es war nicht geplant, so weit zu fahren. Es war nicht geplant, das Land Nordmazedonien, in dem ich noch nie war und das weit mehr zu bieten hat, so oberflächlich zu streifen. Doch der Notwendigkeit geschuldet tun wir jetzt genau das. Wir werden eine lange Zeit im Auto sitzen, so lange, bis uns die Hintern brennen. Wir werden die Landschaften Nordmazedoniens von der Straße aus genießen und schließlich bei seinem Nachbarn ankommen, mit dem Nordmazedonien leichte Querelen hat. Wie Nachbarn unter sich eben so sind.

Das Passieren der Grenze ist unspektakulär. Um ehrlich zu sein, vermischen sich inzwischen die Grenzübergänge in meiner Erinnerung. Was gut ist, denn es bedeutet, dass es hierbei nichts Besonderes gegeben hatte. Straßenstände mit hoch gestapelten Zwiebelsäcken und aufgehängten, feuerroten Chili säumen die Straße links und rechts. Die Chilis scheinen eine Art Spezialität dieser Region zu sein, denn plötzlich sehen wir sie an jedem Verkaufsstand, an jedem Balkon, an jedem Haus. Ketten aus roten Chili.

 

Der Bär

Und was noch typisch ist für diese Gegend Nordgriechenlands: die vielen unterschiedlich gestalteten Bärenschilder an den Autobahnen. Bären scheinen hier ebenso eine Spezialität zu sein wie rote Chili, und wenn man den Schildern Glauben schenkt, überqueren sie die Fahrbahn im Minutentakt. Muss ich erwähnen, dass ich wach bin und mich ständig umsehe? Das ist nur zum Teil der neuen Umgebung geschuldet. Eine leichte, fröhliche und etwas träge Stimmung herrscht im Auto. Karge, abgeflachte Gebirge umgeben uns, vor ihnen erstrecken sich flache Landflächen. Alles wirkt trocken und flachsfarben, strohige Gräser warten auf einen einzigen Funken. Das Radio beginnt zu rauschen und Kuba stellt auf Gosias Drängen einen empfangbaren Radiosender ein. Es folgt traditionelle griechische Musik, die an lange Abende erinnert, an Tanz und an Ouzo mit Freunden. Mit gu-uten Freunden. Bei dieser guten Stimmung sollte der Bär doch tanzend und klatschend aus dem Wald gewackelt kommen.

Der erste Halt auf griechischem Boden erfolgt an einem Aussichtspunkt auf einen Fluss, wo ungesicherte Felsen, auf denen wir herumbalancieren, direkt in große Tiefe führen. Türkisblau ist das Wasser, kalkweiß die Felsen, die es umranden. Die Sonne wärmt unsere Glieder und wohl zum ersten Mal auf dieser Reise ist eine Jacke kein Thema mehr. Lang hat es gedauert und es waren viele Kilometer nötig, doch haben die Schlechtwetterfront hier in Griechenland endgültig hinter uns gelassen.

 

Das Mahl

Da kein Bär des Weges kommt, wackeln wir in den Wald hinein. Wir (der Rest von uns) haben Hunger, während Tomek zur Weiterfahrt drängt. Schade um die Zeit, ist so ein Spruch, den ich zu hassen lernen werde. Glücklicherweise kann sich die Familie durchsetzen und im nächsten Moment steuern wir ein mitten im Nirgendwo gelegenes, aber allen Anschein nach gut besuchtes Restaurant in Nordgriechenland an. Tomek trottet uns nach einigen Protesten lustlos hinterher, verkündet aber, aus Prinzip nichts essen zu wollen. Uns stört es wenig und ich bin froh, dass sich die „langsam verreisenden“ auch mal durchsetzen konnten. In aller Ruhe warten wir auf unser Mahl, das da auf einem groß gehauenen Holzbrett in Form vom perfekt gegrilltem, köstlichstem Fleisch meines Lebens serviert wird. Dazu bekomme ich den gefühlt besten Roséwein kredenzt – und dabei mag ich Rosé nicht mal besonders. Mein Plan, eine Flasche direkt beim Restaurant zu erstehen, wird von meinem Onkel vereitelt, der mir ins Gewissen redet (zu teuer, kriegst du auf dem Markt billiger). Von wegen.

 

Der Wein

Nun, als wir mit gut gefüllten Bäuchen (sogar Tomek hatte etwas Bescheidenes zu sich genommen) wieder gen Auto wackeln, bleiben wir an einem der vielen Straßenverkaufsständen stehen, wo Hausfrauen ihre guten, hausgemachten Produkte an den Reisenden bringen wollen. Nach guter polnischer Sitte, billigen Alkohol zu kaufen und davon gleich viel, erstehen wir in Ein- bis Zweiliter-Plastikflaschen abgefüllten Wein . Was nicht falsch sein kann, schließlich haben wir auf solchen Straßenständen in Georgien die besten Weine unseres Lebens verkostet. Doch nicht dieses Mal. Später am Abend werden wir den Plastikflaschen-Roséwein probieren und für scheußlich befinden. Was wiederum für den Spott der Familie sorgen wird. „Kasia, ist das etwa der gute Rosé, den du uns andrehen wolltest?“ Wird mein Onkel lachend fragen, völlig dabei außer Acht lassend, dass es ja seine Idee war, den Wein lieber für nur wenige Euro von unbekannter Herkunft beziehen zu wollen. Ja, der Rosé wird, ähnlich der Grünen Karte, zum Running Gag dieses Urlaubs werden. Und dieser Running Gag wird mich bis ans Ende dieser Reise verfolgen.

 

Kalambaka – Wo die Klöster in den Lüften schweben

In Kalambaka kommen wir am späten Nachmittag an. Schon aus der Ferne erheben sich die Felsen, groß und majestätisch, und zeigen, wie klein der Ort mit seinen Menschen eigentlich ist. Und ja, Kalambaka ist ein kleiner Ort, nach seiner Sehenswürdigkeit benannt und völlig auf diese eingerichtet. Es gibt hier Hotels und jede Menge Ferienwohnungen, denn was ist lukrativer als sich rege am Tourismus zu beteiligen. Der Ort Kalambaka ist für seine in luftigen Höhen erbauten Felsenklöster, die Meteora-Klöster, berühmt. Der Name Meteora hat nicht etwa mit Meteoriten zu tun (oder doch?). Er stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „in der Luft schwebend“ oder deutet auf Himmelserscheinungen hin. Ganze 24 Klöster wurden rundum auf den Spitzen der aufrecht in den Himmel ragenden Sandsteinfelsen erbaut, sechs von ihnen sind sogar noch bewohnt. Und einige davon begehbar bzw. besuchbar. Seit dem 11 Jahrhundert sind erste Siedlungen in den hohen Felsen nachgewiesen, nun zählen die Klosteranlagen zur UNESCO Weltkulturerbe. Das sei etwas Besonderes, meint Tomek zu uns; das müssen wir sehen.

Zunächst wollen wir aber ankommen, und zwar wirklich ankommen; auf der fußläufigen Suche nach unserer temporären Adresse parkt mein Onkel den Passerati irgendwo am Rande einer ruhigen, jedoch engen Straße, gleichzeitig mit der Hälfte des Fahrzeugs auf die Straße ragend und ein Hindernis darstellend. Unsere Vermieterin muss benachrichtigt werden und zunächst einmal hier erscheinen. Ein paar Motorradfahrer aus Tschechien sind bereits da.

Es folgt der gleiche Ablauf wie immer. Ankommen, die Zimmer belegen, das Gepäck nach oben bringen, eventuell kurz frisch machen. Die süße, geblümte, teils pinkene Einrichtung begutachten. Schmunzeln. Dann weiter, denn: „Es ist schade um die Zeit.“ Viel Zeit zum Ausruhen haben wir nicht, die Familie macht immer auch Pläne für den Abend. Der Nachmittag ist noch jung und unsere kostbare Zeit ist rar. Ein erster Besuch der Klöster bahnt sich an.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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10 Kommentare

  1. Ja, in der Tat lassen sich die Erlebnisse von damals so nicht wiederholen. Dafür gibt es neue Erlebnisse. Was die Jungs betrifft: ja, im Rudel sind sie kaum zu bändigen 🤣. Und was „meine“ damaligen Jungs betrifft, so haben sie sich die Situation unter Garantie zu ihren Gunsten schöngeredet 😁. Freue mich schon auf eure weiteren Abenteuer!

    1. Erlebnisse: am wichtigsten ist, dass man nichts verpasst hat. Dass man sich später nicht sagen muss, hm, wie wäre es gewesen?

  2. Vollstes Verständnis, dass ihr eure Pläne wegen des Wetters spontan geändert habt. Das ist ja der Vorteil eines Road Trips. Man ist mobil und flexibel. Bei den Meteora Klöstern war ich vor Urzeiten auch mal. Die fand ich toll! Das war auf meiner ersten Interrailreise mit 18. Meine Freundin Barbara war dabei – und zwei Jungs, die wir nach unserer Zeit auf einem Campingplatz in der Nähe der Klöster in die buchstäbliche Wüste geschickt haben, um alleine weiterzureisen 😁. Doch das ist eine andere Geschichte. Zurück zu dir: die beiden Platzhirsche aus eurer Reisegruppe sind schon ziemlich dominant, wa 😅? Das war neben all den schönen Erlebnissen sicherlich auch anstrengend. Aber solange das Gute überwiegt, ist es ok. Griechenland ist ein tolles Reiseland. Ich bin gespannt, was ihr dort noch alles erlebt habt -falls es nicht zu schade um die Zeit war 😂. Wegduck …

    1. Mit 18? Oh, das muss schon lange her gewesen sein 🙂 Sind bestimmt schöne Erinnerungen, die man so nicht mehr erleben wird. Ich finde, mit der Zeit wird man kopflastiger beim Reisen – was einerseits besser ist, andererseits jedoch…
      Die Jungs werden vermutlich auch hin und wieder an euch denken. „Und weißt du noch, die Mädels?“ „Ach hör mir auf, die haben wir doch damals in die Wüste geschickt *räusper*“

      Mit dominanten Männlein ist es so eine Sache. Sie sind eigentlich gut zu händeln, wenn man sie voneinander isoliert. In Herden auftretend kann man ihnen kaum Herr werden. Ich weiß noch, wie entspannt unser Spaziergang durch Tiflis war. Da muss man durch – dafür dürfen sie dann meine Taschen schleppen 😉

      Wir werden noch viel Schönes erleben, wofür die „Zeit zu schade“ ist 😉 ein Höhepunkt dieser Reise waren die Bergpässe in Rumänien (folgt in folgenden Folgen). Bulgarien hatten wir nur gestreift. Nordgriechenland ist der südlichste Punkt, weiter geht die Reise nicht. So langsam werden wir den Bogen nach Hause schlagen…

  3. Griechischer Wein kann furchtbar schmecken, das habe ich auch schon erfahren. Daher immer sofort das Original abgreifen und versiegeln lassen, wenn man einmal etwas leckeres gefunden hat. Es ist immer wieder erstaunlich, dass man in den entlegensten Orten so gutes Essen findet…

    1. Der Rosé geht mir immer noch nach, so gut war der. Ansonsten habe ich mich schon über so einiges gewundert. Wer hierzulande einen guten Griechen um die Ecke hat, denkt, drüben wäre das Angebot nochmal besser. Das kann manchmal ein Irrtum sein.

      Vor allem in den entlegensten Orten findet man das beste Essen. Ich habe manchmal das Gefühl, Touristen nehmen vor lauter Begeisterung das, was man ihnen vorsetzt. Die Einheimischen wissen, wie es schmecken sollte. 😉

  4. Dafür sieht das Mahl aber sehr lecker aus!

    1. Ja, es war frisch und köstlich 🙂

  5. Eine tolle Reise und das mit dem Rose kann ich verstehen, ich hätte auch die Flasche im Restaurant gekauft
    LG Andrea

    1. Vielen Dank! Ja, so ist es – wenn geizige Polen an Treibstoff sparen wollen, kommt nix leckeres dabei raus 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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