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Griechische Anekdoten – Mocca

Griechen sind skurril. Zumindest manche von ihnen, für mein ungeübtes Auge. Und sie sind warmherzig. So unpassend warmherzig in unseren emotional unterkühlten Breitengraden. Sie sind all das, und sicher noch mehr. Sie kommen auf dich zu, wirbeln dich herum und lassen dich recht verwirrt zurück. Und du willst so bald wie möglich wieder einmal von ihnen herumgewirbelt werden. Und beginnst, von Griechenland zu träumen.

Meine erste Begegnung mit griechischem Enthusiasmus, an die ich mich gerne zurück erinnere, war irgendwann zu Beginn des letzten Jahres. Da schlappte ich in meiner Tätigkeit als Beraterin durch die belebten Straßen einer recht bekannten, deutschen Stadt. Es war kurz vor Mittag, als ich vor den Türen einer in dieser Stadt sicher recht bekannten Arztpraxis stand. Im Versuch, mir den langen, griechischen Namen von Frau Dr. einzuprägen bewegten sich meine Lippen im Selbstgespräch, einmal, zweimal, schließlich fühlte ich mich sicher und drückte auf die Klingel.

Eine Weile tat sich nichts, dann öffnete sich die Türe einen Spalt weit. Mein Blick glitt ein Stück weit nach unten; da stand ein kleiner, alter Mann im Türspalt und spähte mürrisch zu mir hinauf.

„Was willst du?“

Hä? In was für einem Film bin ich denn gelandet?

Zur Erklärung: normalerweise läuft die Sache so. Ich wackle in eine Praxis: „Guten Tag, ich bin (…) und möchte gerne zu Dr. (…).“ „Ah, guten Tag, nehmen Sie kurz Platz“, oder alternativ: „Ah, der Herr Dr. hat heute keine Zeit für Sie, kommen Sie ein anderes Mal wieder.“

Doch noch nie hatte ich eine solch ungewohnte Ansprache erlebt. Ich schüttele die Starre ab, die mich kurzzeitig befallen hatte und erkläre mein Anliegen. Der Mann brummt: „Wir haben geschlossen.“ Mein Blick gleitet nach rechts, zu der Tafel mit Praxisnamen und Öffnungszeiten. „Aber da steht, dass Sie noch bis dreizehn Uhr…“

„Komm rein, komm rein.“ Der Spalt öffnet sich weiter, ich werde nach drinnen geleitet/gezogen. „Setzt dich.“

An so vieles musste ich mich gewöhnen, da war das ungewohnte „du“ eines meiner geringeren Sorgen. Ich saß also da und beobachtete das Treiben um mich herum. Und bekam auch das Glück, die Frau Doktor zu Gesicht zu bekommen, eine ältere, lebhafte Dame, die die meisten ihrer Patienten sicher schon von klein auf kannte. Ein weiterer Berater betrat derweil die Praxis; er schien schon öfter hier gewesen zu sein, denn er wurde mit den Worten: „Ah, du bist das, ja hallo, mein Schatz! Komm, setz dich hierher.“ Der „Schatz“ nahm also Platz und so warteten wir beide.

Schließlich öffnete sich die Pforte zur griechischen Seele… pardon, zum Ärztezimmer und ich wurde herein gebeten. „Komm rein, mein Schatz.“ Stolz wie Bolle, auch mal „Schatz“ sein zu dürfen, nahm ich Platz und fischte nach und nach meine Produkte aus der Tasche. Zu jedem Päckchen, das auf dem Blatt des Schreibtisches auftauchte, sagte Frau Doktor: „Ja, mein Schatz, das kenne ich, mein Schatz. Ist ein tolles Produkt. Willst du Mokka? Komm, mein Mann macht dir Mokka, so einen guten hast du noch nie getrunken.“ Recht herzlich verabschiedet sie mich und ich werde geheißen, abermals im Wartezimmer Platz zu nehmen. Der kleine, alte Mann, der mir zuvor die Tür öffnete, kommt nun auf mich zu. „Willst du Mokka mit Zucker, ja?“ Nein, ohne Zucker, sage ich. Darauf der Mann: „Ohne Zucker schmeckt es nicht; ich mache dir ein Bisschen Zucker rein.“ Mit Daumen und Zeigefinger verleiht er seinem „Bisschen“ Nachdruck.

Nach einer Weile kommt der Mokka. Ich bedanke mich, nippe. Bekomme einen Zuckerschock. Der Löffel, der zum Umrühren mit dabei ist, bleibt in der Flüssigkeit aufrecht stehen.

Okay, das war jetzt alles sehr überspitzt. In Wahrheit war es wohl tatsächlich nur ein Minimum an Süße für das griechische Verständnis. Und seien wir ehrlich, es war einer der besten Mokkas, den ich bislang getrunken habe. „Lass dir Zeit.“ Sag der Mann zu mir. „Bleib sitzen, trink in Ruhe, entspanne dich und fühle dich wie ein Kaiser.“ Also sitze ich da, nippe, entspanne mich und fühle mich wie eine Kaiserin. Mindestens. Mein in der winterlichen Kälte festgefrorenes Herz ist für einen kurzen Moment in meiner Brust aufgetaut, die souveräne Eiskönigin wurde aus dem Konzept gebracht. Wärme durchströmte mich, und das war nur zum Teil dem Mocca zu verdanken.

Schließlich bedankte ich mich, stellte die Tasse irgendwo an der Anmeldung ab, öffnete die Türe und trat in die laute, windig kalte Welt da draußen. Nüchterne Realität empfing mich und das, was eben hinter mir lag, erschien unwirklich. Kurz schüttelte ich mich, ein leises Lächeln noch immer auf meinen Lippen, sah kurz über die Schulter, ehe die Türe wieder ins Schloss fiel, und sagte zu mir selber:

„Was… war denn das?“

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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7 Kommentare

  1. […] die Griechen anders sind, das ist schon beim letzten Beitrag klar geworden. Doch die Episode mit dem Mokka in einer Arztpraxis ist nicht die einzige, die mich […]

  2. Tolle Geschichte.

    1. Oh, vielen Dank, liebe Reiseeule 🙂

  3. Ein herzlicher Empfang und ein freundlicher Service tragen viel dazu bei. Aber allzu oft wird dies in vielen Gastronomiebetrieben vergessen.

    1. Und dabei erlebt man einen solchen Empfang in einer Arztpraxis 🙂

  4. Ach, wie wunderbar! Kleine Gesten, die nichts kosten und so gut tun. Sie machen den Unterschied!

    1. Ja, dann geht einem einfach das Herz auf 🙂

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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