Der Afrika-Chill-Groove pendelt sich langsam ein. Augen auf, aus dem Bett springen, in Badeklamotten schlüpfen und ab ins Wasser. Geduscht wird später. Zu dieser frühen Uhrzeit ist der Strand noch frei, nur am Horizont, ganz weit weg, warten Fischer in Booten auf ihren Fang. Ich entledige mich meines Kleidchens und springe in die bleigraue See. Die Kälte ist zunächst widerspenstig, später ganz angenehm. Schnell werde ich wach, so richtig wach. Die Reste des Traumes verschwinden in den Wellen. Ach, warum kann es in Mannheim vor meiner Haustür kein Meer geben.
Dutzende kleine Fische springen um mich herum, schnappen nach Insekten in der Luft, glitzern silbrig in der Sonne. Stefan traut sich kaum, in das von ihm als kalt empfundene Wasser einzutauchen; meist schwimme ich alleine. Das Ufer und der „Strand“ bestehen aus klein zermahlenen Muschelschalen, winzigen und etwas größeren Brocken, die sich pieksig in meine Füße bohren. Später und etwas tiefer treffe ich auf einen Boden aus Sand und Lehm. Und noch weiter im Meer kann ich nicht mehr stehen. Das ist der Moment, los zu schwimmen, erst in die eine, dann in die andere Richtung.
Des Fischers Lohn
Nach der Schwimmrunde schaffe ich es, Stefan zu einem Spaziergang zu motivieren. Diesmal geht es in die andere Richtung, in Richtung Bootsanlegestelle. Die ersten Händler und Händlerinnen tauchen auf, herrenlose Hunde liegen faul im heiß werdendem Sand und schlafen. Im Schatten eines Schiffsrumpfes sitzen Menschen.
Wir werden Zeuge eines alltäglichen Bildes an Senegals Stränden. Die Nacht ist vorbei und wie jeden Morgen, so ziehen auch heute Fischer ihre Netze ein. Wir setzen uns auf die Steine eines Wellenbrechers und schauen zu. Es ist eine mühsame Arbeit, das Netz muss langsam und gleichmäßig, Stück für Stück eingeholt werden. Das Wasser leistet Widerstand. Und verheddert sich ein Teil der Netze am Boden und reist, muss es geflickt werden. Gefühlt der ganze Ort hatte sich versammelt und schaut bei der Arbeit zu. Viele helfen mit. Auch Touristen, teils mit ihrer Kamera bewaffnet, packen wie selbstverständlich mit an. Währenddessen kreisen Braunmilane über den Köpfen der Fischer – sie wissen schon, was sie erwartet.
Lange dauert es, bis die Arbeit getan ist. Die Pirogen am Horizont kommen immer näher, sie haben einen Teil der Netze im Griff. Als nach gefühlt einer halben Stunde das Netz eingeholt ist, versammeln sich alle um den Fang. Aus Neugierde komme ich näher und spähe hinein, doch die silbern zappelnde Ausbeute ist spärlich. Eine Handvoll Fische ist der Mühen Lohn.
Ibrahim, der Targi
Wir stehen auf, klopfen den Sand ab und schlendern weiter. Bis zum Frühstück ist es noch etwas hin. Freundlich wehren wir die Bemühungen der Händler ab. Auch hier ist das Klackern der Scheren zu hören und Stefan achtet mit Argusaugen auf seine Zehen – zu schnell könnten sie sich in der Obhut eines beduinischen Zehennägelschneider einfinden.
Einer der Händler, die einen „stationären“ Verkaufsstand haben, spricht mich an. Aufgrund meiner Gesichtszüge erkennt er mich als Polin. Es seien vor ein paar Jahren viele Polen nach Mal gekommen, erzählt er uns. Er trägt Wüstenkleidung, einen Turban in tiefem Tuaregblau, unter dem dunkle Mandelaugen hervor strahlen. Später erfahren wir, dass er Ibrahim heißt. Im Gegensatz zu den Einheimischen hier spricht Ibrahim ein fabelhaftes Englisch. Wir versprechen, am Ende unserer Strandbesichtigungstour nochmal wieder zu kommen.
Hamid, der Kaffeeverkäufer
Der Typ hockt gechillt unter seinem Schirm. Er hat einen kleinen Kaffeestand, derer wir bereits einige in St. Louis gesehen haben. Kaffee! Habe ich erwähnt, dass ich an diesem Morgen noch keinen Kaffee hatte? Also ziehe ich den anfangs etwas skeptischen Stefan zum Stand und wir bestellen gleich zwei. Ja klar, kriegt ihr. Der Typ beugt sich über seiner mobilen Thermoskanne. Er ist der erste, der uns keine Touristenpreise abverlangt; ein Kaffee kostet knapp 100 CFA. Der Kaffee wird im voraus frisch aufgebrüht. Die nächste halbe Stunde verbringen wir hier, auf einem Baumstamm sitzend, beim entspannten Typen mit Dreadlocks, der sich uns als Hamid vorstellt. Stolz zeigt er uns seine gerösteten Kaffeebohnen. Wir kosten. Die Bohnen, welche aus dem benachbarten Mali bezogen werden, schmecken kräftig, knusprig und leicht nach Karamell. Hier lernen wir auch eine neue Spezialität kennen: den kräftigen Kaffeegeschmack mit erfrischendem Limonensaft. Passt nicht zusammen? Ihr würdet überrascht sein. Als wir uns dann endlich trauen, diese exotische Mischung zu probieren, stellen wir fest, dass diese Geschmackskombination erstaunlich gut harmoniert. So machen wir eine völlig neue Erfahrung, die mit Geld nicht aufzuwiegen ist – und das für hundert CFA.
Die ersten beiden Kaffees serviert uns Hamid so stark gezuckert, dass ich beinahe einen hyperglykämischen Schock erleide. Beim dritten winke ich dann ab. Im Gegenzug teilt Stefan mit Hamid seinen Tabak.
So sitzen wir da, ich mit Kaffee und Stefan mit Zigarettchen, und beobachten die Weißen, die im Vorbeigehen skeptisch zu uns herüber schauen. Vermutlich denken sie, der Verkäufer würde uns am Ende des Tages etwas andrehen, und wir lächeln verständnisvoll. So haben wir zur Beginn unserer Reise auch gedacht. Doch Hamit scheint kein Interesse daran zu haben, mehr zu verkaufen als seinen Kaffee. Ein paar geschnitzte Figuren stehen zwar vor seinem Stand herum, doch er kommt kein einziges Mal darauf zu sprechen. Es ist das erste Mal, dass wir uns nicht bedrängt fühlen, uns entspannen können, nicht das Gefühl haben, dass jemand etwas von uns erwartet. Alles ist locker, wir sind relaxt. Hin und wieder kommen vereinzelt andere Senegalesen an seinen Stand. Hamids Kaffee ist aber auch mehr als günstig.
Unser Versprechen, nochmal beim Ibrahim vorbei zu schauen, halten wir nicht ein; ich ziehe Stefan eine schmale Gasse, die zwischen den Häusern verläuft, hinter mir her. So umgehen wir die gesamte Strandpassage, an der die Strandverkäufer bereits wach geworden sind und munter patrouillieren. Wir schlendern weiter, lassen den Strand links liegen und nehmen stattdessen die Straße, die durch den Ortsrand führt. Ein Mann kommt aus einem Laden und „erwischt“ mich dabei, wie ich ein Bildnis des Amadu Bamba fotografiere. Er fragt uns, ob wir wissen, wer das sei, dann erklärt er etwas mit Händen und Füßen. Die Einladung zu ihm nach Hause schlagen wir aus und setzen unseren Weg fort. Über einen Schleichweg erreichen wir unser Hotel.
Mittags lege ich eine weitere Baderunde ein. Das Leben und die letzten Tage bestehen aus langsam plätschernder Zeit, aus stetigem Wellenrauschen und dem Rascheln von Palmblättern im Wind. Die Besitzerin der Anlage erkundigt sich jeden Tag, ob es uns gut geht, ob wir alles haben, was wir brauchen. Doch uns fehlt es an nichts. Hier zeigt sich Senegal von seiner entspannten Seite. Leute grüßen freundlich beim Vorbeigehen, manche heißen uns in Senegal willkommen. Zum allerersten Mal, seit wir hier sind. Piroggen gleiten lautlos auf glitzerndem Wasser. Ich werfe mich in die Hängematte, Kopfhörer an, sanfter senegalesischer Pop füllt meine Ohren. Lauer Wind im Gesicht, die Hängematte schaukelt langsam, ich schließe die Augen. Das Leben kann so entspannt sein.
Das Baden im Rhein ist lebensgefährlich. Im Fernsehen hat vor kurzem ein SPitzenschwimmer gezeigt wie selbst er Probleme hatte. https://www.youtube.com/watch?v=PEFp9vFVGow
Für eure beiden Stefans habe ich eine Lösung: Stefans zueinander setzen und Frauen miteinander die Welt erkunden. 😛
Liebe Grüße, Harald
Es gibt immer wieder tödliche Unfälle beim Baden im Rhein, das muss ich nicht haben 😉
Die beiden Stefans wollen aber irgendwann auch die Welt erkunden 🙂
Ja, warum zum Teufel liegt Mannheim nicht am Meer? Und Berlin natürlich auch! So manches Mal ging auch mir dieser Gedanke durch den Kopf, wenn ich an und in den Meeren dieser Welt unterwegs war. Ich hätte mich wohl auch jeden Morgen in die kühlen Fluten gestürzt, während auch mein Stefan da eher nicht reingegangen wäre. Die Parallelen zwischen unseren Stefans werden mir übrigens so langsam ein wenig unheimlich 🤣.
Bei dem mobilen Kaffeestand wäre ich wohl auch schwach geworden bzw. versackt. Kaffee mit Limonensaft? Hat mir noch niemand kredenzt, würde ich aber auch glatt probieren. Ja, ein entschleunigtes Leben kann so gut tun. Ich hätte diese stillen Tage an eurer Stelle auch sehr genossen. Schön auch, dass ihr gegen Ende der Reise doch noch in den Genuss gekommen seid, einmal einfach nur willkommen zu sein, ohne irgendwelche Erwartungen erfüllen zu müssen.
Das Leben in der Stadt hat viele Vorteile, es fehlt mir aber oft, aufzuwachen und mitten in der Natur zu sein. Oder aufzuwachen und ins Wasser springen zu können (gut, da wäre dann der Rhein, aber ich weiß nicht…). Dafür haben wir so viele Menschen gesehen, die hart um ihr Zubrot kämpften, während wir Urlaub machten. Und das sage ich mir dann immer, wenn ich in Mannheim bin und mich die Meersucht überkommt 😉
Der Gedanke, die beiden in einen Raum zu stecken, wird immer realistischer. Wenn sie dann wieder rauskommen, sind sie vermutlich unzertrennlich 🙂