Afrika, Kanarische Inseln, Lanzarote

La Graciosa – Der Osten der Insel

So sehr mein Stefan sein „frei“ in der Finca genossen hatte – zum dritten Mal am Stück ohne Auto auf der Insel zu verbleiben, da protestiert selbst seine gutmütige Seele. Zudem ich wieder einmal losziehen und nach La Graciosa fahren möchte. Meine Überredungskünste bleiben jedoch ohne Erfolg, auch diesmal lässt sich Stefan nicht davon überzeugen, sich mit mir die schönste aller Inseln anzuschauen.

Und ich ahne bereits trotz aller guter Absichten, dass es wohl besser ist, wenn ich alleine gehe. Natürlich kann man La Graciosa mit einem Fahrrad oder einem Jeep erobern, doch am schönsten ist es, dies zur Fuß zu tun. Also müssen wir einen Kompromiss finden. Dieser sieht so aus, dass ich zur Fähre gebracht und wieder abgeholt werde. Nach einem knappen Frühstück – ich will ja zeitig dort sein – düsen wir los.

Ein gleißender, silbriger Schimmer liegt über dem Meer, während der Küstenstreifen noch schwärzer ist als sonst. Wir sind lange vor der Fähre da und flanieren zusammen entlang der Promenade. Schließlich kommt die Biosfera und neue Tagesgäste ergießen sich an Bord. Diesmal weiß ich bereits, was mich erwartet. Ich winke Stefan noch kurz zu, schon hat er den Wagen und Lanzarote wieder für sich alleine. An dem schmalen Leuchtturm, wahnwitzig an einem zahnförmigen Felsen platziert, geht es in einem Bogen vorbei. Die Sanddünen von La Graciosa tauchen auf, wieder umgeben von diesem hellen Leuchten. Dass der Himmel eine völlig andere Färbung hat dort an Land, das kann man von hier aus noch nicht erkennen, doch das Leuchten des Sandes ist bereits von Weitem zu erahnen.

Der flach abfallende Hang von la Famara ist etwas, das den Zauber La Graciosas mitbestimmt, zumindest die Anblicke rundum betreffend; auch wenn la Famara zu Lanzarote gehört. Eine Romeo-Fähre kommt uns entgegen. Diese sind zeitlich versetzt etwas früher unterwegs. Im Hafen steht eine dieser Fähren, rot gestrichen und in fröhlich lächelnde Haifischzähne geschmückt. Ich verliere diesmal nicht viel Zeit, steige von Bord und laufe los. Diesmal ist die östliche Küste mein Ziel und über den auf meiner Karte eingezeichneten, schmalen Wanderweg will ich den Strand Playa de las Conchas erreichen. Schnellen Schrittes entferne ich mich vom Fährhafen. Ich weiß jetzt schon – meine Zeit ist begrenzt und das Ziel ist weit.

 

Der Osten der Insel

Zudem es an jeder Ecke malerische, stille Plätze gibt, in denen ich verbleiben möchte. Hier plätschert das Wasser besonders schön, dort liegen Boote im Schatten der Häuser. In blau gestrichene Türen, stille, sonnige Gassen. Ein kleiner Platz, eine Kirche. Geländewagen warten stumm und staubig auf die ersten Gäste des Tages. In einem kleinen Lebensmittelladen kaufe ich Wasser, kalte Cola und Datteln als Wanderproviant und ziehe los.

Zur Beginn bin ich von anderen Reisenden umgeben, aber nicht lange. Denn sie wollen alle zu Playa Francesca oder mit dem Rad quer durch die Insel. Oder sie bleiben gleich am Fährhafen und baden dort. Niemand, wirklich niemand wendet seine Schritte nach Osten. Ich bin alleine, vollkommen alleine. Nur die Blicke der Anwohner, hier und dort eines Fischers, der im Schatten ruht oder seiner Beschäftigung nachgeht, folgen mir kurz auf meinem Weg.

Dann habe ich den Ort verlassen, die rechteckigen, weißen Häuser von del Sebo werden hinter mir immer kleiner. Ich weiß nicht, was mich erwartet, denn zur östlichen Seite der Insel habe ich kaum Informationen. Umso spannender ist es, einfach loszugehen – zumal mich der schmale Wanderpfad direkt an der Küste, an tausend schönen Anblicken vorbei führt. Ich fühle mich hingerissen, bereits jetzt. Meine Augen sind wie halogenbeleuchtet vor so viel Schönheit, dass ich nicht einmal zu blinzeln wage aus Angst, dass es vergeht. So schön. Daran gewöhnt man sich nie. Der helle Sand blendet, ich bin umgeben von diesem speziellem Licht, welches ich bislang nur hier und sonst nirgends auf der Welt anzutreffen vermochte.

Auch der Vorteil, kein Fahrrad gemietet zu haben, liegt klar auf der Hand: der von mittelgroßen Lavasteinen eingegrenzte Wanderweg für Fußgänger ist der wesentlich schönere. Er verläuft nahe an der Küste, während sich der Radweg etwas mehr im Landesinneren hält.

Zwei Fischer kommen mir entgegen. Diesen Pfad hier läuft kaum jemand entlang, denn zum nächsten offiziellen Strand ist es weit weg. Doch es gibt viele kleine, versteckte Buchten, in denen Anwohner baden gehen – auch, um für sich sein zu können. Sie flanieren am steinigen Strand, bringen ihre Hunde hierher. Und sie sind nicht viele. Die Tagesgäste – viel lieber laufen sie quer durch die Insel zu Playa de la Conchas oder lassen sich gleich mit dem Boot fahren zu Playa de Francesca. Hier auf dieser Seite haben ich noch keinen von ihnen gesehen.

Dieser schneeweiße, puderfeine Sand der Dünen leuchtet regelrecht in meinen Augen. Der Himmel mit seiner speziellen, eigenwilligen Farbe leuchtet ebenso. Hier, an der Südostküste, habe ich la Famara stets im Blick. Ein Verlaufen ist unmöglich. Von weitem sehe ich die Fähre, sie bringt die nächsten Neugierigen hierher. Doch viele von ihnen werden die Insel, so wie sie ist, gar nicht sehen.

Immerzu gehe ich entlang der Küste. Die Häuser von del Sebo sind inzwischen nicht mehr als kleine Punkte am Horizont. Bald werden sie ganz verschwinden. Doch geradeaus vor mir taucht schon etwas Neues auf: der Ort Pedro Barbara. Ich habe die Häuser bei der ersten Ankunft schon von der Fähre aus sehen können, doch wie sieht es dort wohl aus? Lebt dort jemand? Wenn ja, wer? Und wie geht es dann weiter? Alles ist heute eine Blaupause und ich genieße diese Unwissenheit. Denn wie immer es später werden möge, die Wanderung ist hinreißend. Und sie hat sich jetzt schon mehr als gelohnt. Dabei bin ich soeben losmarschiert.

Rechts vor mir erhebt sich La Famara, plätschern die Wasser der blauen Lagunen, die sich als flache Meereszungen ins Land schieben. An den rauen Felsen lauern Fischer mit ihren Angelrouten. Die wenigen, verborgenen Buchten, mit weichem Sand gefüllt, dienen der Erholung, doch kaum ein Tourist käme hierher. Dennoch – das eine oder andere Männlein oder Weiblein sonnt sich in der stillen Oasen.

Zu meiner linken erheben sich gelb und rötlich die runden Vulkanhügel, mit dürren, hellen Grasbüscheln bewachsen wie mit runden Flecken. Rostrot wechselt zu Braun, ein erstaunliches Farbspiel.

Der flache Weg vor meinen Füßen verwandelt sich in einen steilen Pfad, denn die Küste, die ich entlang gehe, steigt an dieser Stelle stark an. War ich eben noch in einer flachen Ebene, so finde ich mich auf einer felsigen Wanderroute wieder, springe von Stein zu Stein. Links hängt der hoch aufragende Felskliff über mir. Ich laufe unter überhängenden Felsen hindurch, die aussehen, als wollten sie sich im nächsten Moment lösen und hinunter stürzen. Aber bitte nicht, solange ich mich darunter befinde. Zügig setze ich einen Fuß vor den anderen. Und bestaune zugleich das Panorama zu meiner Rechten. Einer der Felsen hängt buchstäblich am seidenen Faden, so dass ich zusammengeduckt so schnell wie möglich unten vorbeihusche. Ein aufregender Weg, aber jeden Schritt wert. Und auch wenn mein Frühstück schon etwas länger her ist – das Adrenalin trägt mich.

Der Pfad verläuft abenteuerlich. In einem Moment glaube ich, es geht nicht mehr weiter, wähne mich vor einem großen, unüberwindbarem Felsbrocken. Nur um im nächsten Augenblick festzustellen, dass es einen Weg zwischen den riesigen Steinen gibt. Wandern ist einfach. Vielleicht macht es deshalb den Kopf frei. Du stellst einfach einen Fuß vor den anderen, konzentrierst dich ausschließlich auf das Hier und Jetzt. Für Tagträume bleibt nicht viel Zeit, denn der Weg erfordert deine ganze Aufmerksamkeit. Und es geht immer weiter. Immer weiter. Jedes Mal, wenn du denkst, hier endet dein Weg, stellst du fest, dem ist nicht so. Diese Wanderstrecke hier hält Überraschungen bereit. Und belohnt am Schluss mit einem Ort wie aus dem Paradies. Doch an diesem Punkt sind wir noch nicht.

Zwei kleine, grüne Eidechsen flüchten hinter die Felsen. Ein kleines Vöglein lässt sich so nahe neben mir nieder, dass ich es fast zertrample. Dieser Weg hier, so oben an der Küste entlang – er ist nichts für schwindelfreie. Ich stehe oben, richte mich auf und mir wird schwindlig, wenn ich um mich schaue. Ein wenig von der Höhe, ein wenig von dem Wind. Auch wenn dieser Pfad Wanderschuhe und Schwindelfreiheit verlangt, er ist landschaftlich einer der reizvollsten.

Die erste Pause kündigt sich an. Eigentlich will ich rasten, wenn ich am ersten Strand angekommen bin, doch die Sonne steht bereits hoch am Himmel. Der Pfad ist so schmal, kaum zu erahnen. Die Mädels, die mit Flip-Flops und ihren Badesachen entgegen kommen, finden erst Platz, um vorbei zu gehen, als ich auf die umliegenden Felsvorsprünge ausweiche. Wo wollen die denn hin in dieser Aufmachung? Aber ich ahne es schon. Schräg unter mir befindet sich wieder einmal eine dieser stillen, blickgeschützten Buchten. Sogar ein Stück Strand ist zu sehen. Doch für mich ist heute kein Baden angesagt. Ich will was erleben – viel mehr Möglichkeiten, nach La Graciosa zu kommen, bekomme ich vermutlich nicht mehr.

Fortsetzung folgt

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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8 Kommentare

  1. Ja, diese Insel ist ein Traum! Und die Ausblicke auf La Famara auf der großen Nachbarinsel sind es ebenfalls. Der Wanderweg, den du an diesem Tag eingeschlagen hast, würde mich auch reizen. Wanderschuhe und Schwindelfreiheit habe ich zu bieten. Aber bei mir hapert es etwas mit der Trittsicherheit. Ich knicke leicht um. Wie war denn die Wegbeschaffenheit auf dem steileren Teil?

    1. Die Wegbeschaffenheit, tja… steinig, aber fest, würde ich sagen. Es gab keine rutschigen Abschnitte, nur uneben eben… 😉

      1. Dann sollte das mit etwas Achtsamkeit für mich machbar sein.

        1. Ich denke auch. Immer schön Zeit lassen. Und es lohnt sich auf jeden Fall.

  2. Das Fernweh wird durch deinen so schönen Beitrag hier immer größer in mir, was bei unserem Aprilwetter auch nicht verwunderlich ist.
    Dankeschön für die so schönen Bilder und liebe Grüße von mir zu dir 🤗🍀🌼🌷

    1. Vielen Dank, liebe Hanne. So langsam kommt die Motorradzeit und ganz viele Feiertage in Mai 😉
      Liebe Grüße

  3. Du hast einen wunderbaren Ausflug gemacht, Stefaan hat sich geirrt, nicht gehen zu wollen!

    1. Ja, an dem Tag hat er auf jeden Fall was verpasst 🙂

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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