Asien, Türkei

Der Shoppingmarathon

Der Freitag gehört uns, Mädels, und er steht im Zeichen von Shopping, Shopping, nochmal Shopping. Hier holen wir zusammen alles nach, was Fee am besagten, schicksalshaften Dienstag alleine unternehmen musste. Und was unser beider Verhältnis betrifft, so knüpfen wir an den entspannten, losgelösten Donnerstag Nachmittag an, ehe wir uns in die Wolle bekamen. Da war es doch auch schön. Die Fahrt mit der Fähre. Die Matrix-Möwen. Die Muscheln (angeblich die besten Muscheln der Stadt!), die wir am Bosporus bei Ahmed, „Lord of mussels“, gegessen haben. Ach, wie schön es im Rückblick doch war.

Am frühen Morgen also  lässt meine Freundin Kaffee ins Zimmer bringen und macht sich vorerst unsichtbar – die genau richtige Art, mir morgens zu begegnen, zu einer Zeit, als ich noch scheintot, still und stumm umhergeistere und versuche, meinen Kreislauf mit Koffein in Gang zu setzen. Habe ich dann die richtige Betriebstemperatur erreicht, so bin ich dann einem Menschen ähnlicher – und für ein Schwätzchen zu haben.

Nebenbei schickt sie mir noch einen dieser Postkarten/Kaffeetassensprüche, die sie so liebt. „Du kannst einen Menschen nicht ändern, der in seinem Verhalten keinen Fehler sieht. Du kannst nur die Art ändern, mit ihm umzugehen.“ Oder sinngemäß so ähnlich. Und ich gebe zu, der Spruch ist gar nicht dumm. Er wird mich später begleiten und mich in Kontakten und Umgang mit anderen Menschen leiten.

Der Linienbus bringt uns nach Eminönü (inzwischen haben wir dank der Istanbul Card und dem netten Taxifahrer den Dreh bei öffentlichen Verkehrsmitteln raus…). Der Name des Stadtviertels mag dem einen oder anderen Leser inzwischen bekannt vorkommen. Eminönü ist der Ort, wo sich Busse aus allen Richtungen in Istanbul am großen Busplatz versammeln und wo man unweigerlich landet, wenn man nach Karaköy will. Von hier aus gelangt man in jeden anderen Teil der Stadt. Wer also in Istanbul im Zentrum des Geschehens sein und gleichzeitig schnell jeden Winkel erreichen will, der bucht sich seine Unterkunft… gut, vielleicht nicht direkt hier, stattdessen im fußläufig erreichbarem und weitaus charmanterem Karaköy. Was von der Strecke her auf das gleiche hinausläuft.

Das ist auch der Grund, weshalb wir uns hier immer wiederfinden und eine Weile dem bunten Treiben zusehen. Menschen lassen sich mit dem Hafenpanorama im Rücken fotografieren. So auch wir. Doch es treibt uns weiter, denn wir haben uns heute den „Goldenen Basar“ vorgenommen. Ich habe nicht vor, etwas zu kaufen (ha ha…), nein, ernsthaft nicht, doch ich will all das einmal gesehen haben.

 

Der Agyptenbasar

Der „Misir Carisi“ ist auch als der „Ägyptenbasar“ von Istanbul bekannt. Es ist ein überdachter Basar in einer langen Halle in der Nähe der Galata-Brücke, in dem man unter anderem Lebensmittel wie Tee, Süßigkeiten und Gewürze erstehen kann. Doch auch Textilien und Seifen werden feilgeboten. Ich bewundere vor allem die wunderschöne, bogenförmige und bemalte Gewölbedecke. Die Waren der Händler sind fein säuberlich in bunten Stapeln aufgeschichtet, so dass ich hier gleich mal höhere Preise vermute. Und sicher gehört dieser Basar nicht zu den günstigeren, doch für einen Europäer-Geldbeutel in jedem Fall erschwinglich.

Doch wie gesagt, ich will ja nichts kaufen. Eigentlich. Wäre da nicht meine Freundin, die mich auf die lokalen, mir unbekannten Spezialitäten aufmerksam macht. Wie diesen köstlichen, in Gewürzpaste gelegten Pastrami vom Rind, von dem selbst die Deutschtürken kiloweise an Zoll vorbei in die deutsche Heimat schaffen. „Ich probiere es jedes Mal.“ Erklärt uns ein Türke und meint damit die Einfuhr des Pastrami im Gepäck. Denn eigentlich ist die Mitnahme von tierischen Produkten untersagt, doch die Koffer werden am Flughafen nur stichprobeweise geprüft. „Wenn ich erwischt werde, dann ist es eben so.“ Das Risiko ist es ihm in jedem Falle wert.

Und an jedem Stand darf man natürlich verkosten. Der Pastrami zergeht auf der Zunge. Ein großes, vakuumverpacktes Stück landet samt Schafskäsesorten im Einkaufswagen. Ich werde zur Wurstwarenfachschmugglerin. Wie war das, ich wollte nichts kaufen? Wir nehmen noch ein Stück Pastrami zum „Gleichessen“ mit.

Einen oder zwei Stände weiter (…ich wollte nichts kaufen…) erstehe ich ein halbes Kilo Süßigkeiten. Auch hier darf ich kosten, und die süßen Stücke liegen bunt und gestapelt da und locken. Daneben – diverse Teesorten in der Auslage. Wir werden in der Zeit unseres Einkaufs mit Früchtetee verköstigt. So ist einkaufen gleich schöner. Mein Blick springt hyperaktiv hin und her und der Händler macht wohl das Geschäft des Tages.

Beim Bezahlen mit der Visakarte werde ich von Fee gleich mal instruiert. Sicherheitsanweisung auf türkisch. „Erstens hast du deine PIN beim Eintippen nicht richtig abgedeckt. Und zweites hast du nicht geschaut, ob hinter dir jemand steht oder ob da eine Kamera ist. Alleine würdest du hier keinen Tag lang überleben.“ Ist gut, liebste Fee. Bisher sind mir noch keine Diebe und Betrüger begegnet in diesem schönen Land. Stattdessen ganz, ganz viele Menschen, die mich vor Dieben und Betrügern warnen und zur Vorsicht gemahnen. Ich bin ganz kleinlaut und gelobe Besserung und meine Freundin nickt zufrieden.

Vollgeladen wie Packkamele („ich kaufe nichts“, ne, ist klar…) steht kurz der Gedanke im Raum, die schweren Sachen bei der örtlichen Stadtpolizei zu hinterlegen, doch diesen verwerfen wir aus praktischen Gründen wieder. Für die Leser, die nun kurz stutzen: ja, das geht. Der Polizist, den Fee soeben anspricht, bestätigt nochmal. „Ihr könnt alles hier lassen, bis ihr fertig seid mit eurem Einkauf, wir passen auf.“ Die Polizei will zeigen, dass sie da ist, um zu helfen. Und nebenbei das schlechte Image wieder loswerden, welches sie sich unfreiwillig erworben hatte beim Zerschlagen von Protesten. Verhaftungen Demonstrierender und Schikanieren von Menschen, nein, das ist nicht das Bild, welches die Polizisten selbst von sich nach außen tragen möchten.

Wir wollen heute drei Sightseeing Ziele ansteuern: den Grand Basar, die Blaue Moschee und die Hagia Sophia. Insbesondere letzteres ist mir wichtig, denn ein Besuch Istanbuls ohne einen Besuch der wichtigen Stätte des Islam und der Christenheit ist unvollständig. Die Einrichtung wurde vor einiger Zeit von einem Museum wieder zu einer Moschee erklärt und wird auch so genutzt, insofern sind wir uns nicht sicher, ob ein Besuch für uns möglich sein würde. Wir beschließen, uns überraschen zu lassen.

 

Kaffee auf Kohle

Zunächst wandern wir jedoch weiter durch die Gassen, den leckeren, feingeschnittenen Pastrami mampfend. Wir lassen uns treiben und richten uns grob nach meiner kartographischen App auf meinem Handy. Ein Kaffeebesitzer lädt uns mit großer Geste ein, bei ihm unterzukommen. Kurz schäkern wir mit ihm, ehe wir weiter ziehen. Wir wollen etwas frühstücken, und ich habe noch Pastrami im Rucksack. Der Kaffeebesitzer, der sich zugleich als selbsternannter Frauenversteher entpuppt („Ich weiß, was Frauen wollen…“), sagt uns in etwa folgendes: kauft euch irgendwo Brot zu eurem Pastrami und kommt dann wieder, ich serviere euch den Kaffee. Nur damit wir uns richtig verstehen, der Mann hat uns gerade eingeladen, in sein Café unser eigenes Essen mitzubringen. Das tun wir auch, wir bleiben auf einen Mokka, auf Sand gebraut, den es hier an jeder Ecke gibt und an den ich mich so sehr gewöhnt habe. Etwas schuldbewusst hole ich mein Brot und mein Pastrami aus der Tasche, doch es gibt keine schiefen Blicke. Anscheinend meinte der Betreiber, was er sagte. Dafür ordern wir ein Getränk nach dem anderen.

Vor dem Eingang zum Café kann man dabei zusehen, wie der Mokka auf heißen Steinen gebraut wird. Es gibt frisch gepressten Grapefruitsaft und einen mir noch unbekannten, nach Menthol schmeckenden Tee, der einen frischen Geschmack im Mund hinterlässt. Und der Kaffeebesitzer verbringt Stunden damit, am Telefon zu hängen und bei allen Händlern im Umkreis den günstigsten Preis für Motorradzubehör zu eruieren. Und das nur, weil ich mich kurz mal danach erkundigt habe. Keine Frage, er weiß wirklich, was Frauen wollen. Statt Rosen und Pralinen Schildkrötenpanzer für den Rücken.

Ich bin eingenommen von den Menschen hier. Ihre Menschlichkeit, ihre Hilfsbereitschaft. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie den Sturz der Wirtschaft lange Zeit nicht spürten. Denn hier gibt es ein starkes soziales Netz. Hier wird niemand alleine gelassen. Die Menschen helfen sich aus, mit allem, was sie haben. Und war ich zur Beginn skeptisch im Bezug auf die Geschichten, die Fee mir erzählt hatte („Selbst ohne Geld könntest du hier überleben, mehr noch, die Leute würden für dich für ein Flugticket nach Hause zusammen legen“), so bin ich nun bereit, einiges davon zu glauben.

Die Atmosphäre im Café gefällt uns sehr. Es ist nicht superschick, es ist nicht touristisch. Hier kommen Türken hin. Wir sehen viele Männer, doch wir sehen auch Frauen. Wir sehen kein rückwärts gewandtes Land, wie man sich das in Europa gerne vorstellt.

 

Preisverfall und Hardcore-Shopping

Wir tauchen tief ein in den Bauch von Istanbul, in das Gewirr und geordnete Durcheinander der Märkte und Basare. Hier gehen Einheimische („Eigenheimliche“ einkaufen, hier gibt es Töpfe und Nippes, Bettwäsche, Kleidung, alles, wirklich alles, was das Shoppingherz begehrt. Immerzu sind wir darauf bedacht, uns entlang der Hauptroute zu bewegen, denn würden wir auch nur einen Schritt von ihr abweichen, wir würden verloren gehen. Die wirren Gassen würden uns für immer verschlingen und nie wieder ausspucken. Hier hat vor allem Fee ihre helle Freude an der billigen Kleidung: Jacken, T-Shirts, Schuhe… „Guck mal, wie viele Hosen ich gekauft habe. Drei Euro für eine!“ Meine Fee ist in ihrem Element. Der Lira fällt und fällt, unaufhaltsam seit unserer Ankunft. Meine Freundin macht sich ein Vergnügen daraus, hier und da die Kurse zu vergleichen, um zu sehen, wie viel unser in deutschen Euro angelegtes, kleines Vermögen an Bargeld inzwischen wert ist. „Und wieder zehn Zent gespart.“ Freut sie sich wieder wie ein kleines Kind. „Gut, dass ich hier und nicht dort vorne Geld gewechselt habe.“

Das mit dem Wechselkurs ist eine interessante Sache und bedarf vielleicht einer kurzen Ausführung. Der Kurs fällt und fällt im Laufe des Tages immer weiter, doch gegen Abend ab einer bestimmten Uhrzeit, kurz ehe die Wechselstuben schließen, rutscht er wieder etwas in die Höhe. Gut zu wissen, oder? Ich belächle meine Freundin, doch in Wahrheit hat mich dieser schottische Geiz längst ebenso gepackt. Auch ich vergleiche die Preise inzwischen wie ein Fuchs. Aktuell mampfe ich heiße Maronen, die es hier in der Stadt an jeder Ecke zu kaufen gibt. Hier sind sie zwar zehn Zent teurer als anderswo… Oh man, meine Fee färbt echt ab.

Übrigens, auch wenn es diesen berühmten Spruch gibt: „feilschen wie auf dem türkischen Basar“, so habe ich bislang keinen so wirklich feilschen sehen. Preise vergleichen ja, denn die Preise sind überall ausgeschrieben und stehen fest. Und mal ehrlich, um ein paar Cent zu feilschen bei der hiesigen Wirtschaftslage wäre wohl nicht mehr als sportlicher Ehrgeiz. Und ich bin weder sportlich noch ehrgeizig.

Und in erster Linie ist meine Freundin in den Rausch den Konsums verfallen. Aktuell sitzen wir irgendwo in einem Atelier und schauen uns Vorhänge an. Fee schaut. Ich nippe an meinem obligatorischen Tee für Wartende und schaue mir meine gebratenen Maronen an, während meine Freundin bereits eine Großbestellung ordert.

Als wir das Atelier verlassen, in welches wir uns mehr oder weniger „entführen“ ließen, regnet es. Doch ein Basar wäre kein Basar, wenn es hier nicht auch noch Schirme gäbe. Für 25 Lari. „Hey, soll das ein Witz sein? Gestern habe ich bei dir einen für zwanzig Lari gekauft!“ Mokiert sich meine Freundin beim Verkäufer. Ich lache. Das Wetter treibt eben den Preis in die Höhe, sage ich; er hätte auch hundert verlangen können.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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8 Kommentare

  1. Ich schaue mich auch gerne auf Basaren um, konnte aber bisher sehr gut dem Kaufrausch widerstehen. Mal schauen, ob mir das auch in Istanbul gelingen wird 😁. Das mit dem rapiden Kursverfall ist aktuell wohl auch noch so. Meine Nachbarin ist gerade dort und berichtet mir auch von sehr niedrigen Preisen gemessen an unserem europäischen Standard.

    1. Die Inflation ist inzwischen, soweit ich weiß, irgendwo bei 70 Prozent. Da wird alles noch günstiger sein als damals in November. Sieht nur zu, dass ihr keine Touristenpreise bezahlt. Wobei, auch die wären wohl noch sehr günstig… 😉

      1. Erst mal rausfinden, wann das der Fall ist! Wir haben im Gegensatz zu dir ja keine Simultandolmetscherin an Bord 😎. Aber wir werden das wegen der geschilderten Umstände finanziell ja sicher überleben, auch wenn wir vielleicht hier und da übers Ohr gehauen werden.

        1. Alles in allem wird die Türkei günstig sein, schätze ich… nur bei den Taxikosten aufpassen und ggf vorher informieren, welche Entfernung was kosten darf 😉

  2. Da haste ja ganz super fast nichts gekauft 😉

    1. So gut wie nix… 😉 Ich sag mal so: wenn man es kauft und noch vor Ort aufisst, dann ist es nicht „kaufen“ sondern „essen gehen“… oder so ähnlich 😉

  3. Ich denke, es ist in der Tat ein Paradies für Käufer. Wenn ich all diese Leckereien sehe… ein sehr gefährlicher Ort für mich! LOL
    Gut, dass deine Freundin bei dir war und dir die nötigen Tipps gegeben hat, nicht zuletzt die zum Umgang mit deiner Kreditkarte…..

    1. Und dank den Tipps meiner Freundin hatte ich mehr gekauft, als ich eigentlich wollte… das meiste davon wurde noch vor Ort gegessen 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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