Deutschland, Europa

Drachenfels – The Sunset-Movie

Ich sitze lange da, Stunde um Stunde, hier an der Fensteröffnung der Ruine. Mit Blick auf die wärmende Sonne in meinem Gesicht. Auf die dunstige Stadt Bonn weit, weit unter mir. Auf die höchsten Baumwipfel schaue ich nun herab. Eine Ruhe breitet sich in mir aus. Die Zeit verlangsamt sich, doch ohne sich zu ziehen. Unter geschlossenen Augenlidern nehme ich alles wahr, die Momente in all ihren Einzelheiten. Die glitzernden Dächer. Die runde Silhouette des Post Tower. Das Zwitschern der Vögel, den feinen, warmen Wind im Gesicht. Das alles, jedes Detail. Der Puls verlangsamt sich. Der Stress fällt ab. Eine Ausgeglichenheit, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt habe. Es ist der Augenblick, und den beschwöre ich jetzt heran. Kein Schauen mehr nach der Zukunft, keine Gedankenwirbel in meinem Kopf. Ich bin offen für alles, was jetzt geschieht. Und ich bin glücklich. Ich glaube, zu erkennen, dass wir einzig für das Glück leben… oder nicht? Wofür sonst, wenn nicht, um es zu finden?

 

Königswinter – Der Floh im Ohr

Schon lange habe ich mir den Floh mit einem Aufstieg zum Drachenfels über Königswinter ins Ohr gesetzt. Königswinter und das dazugehörende Schloss, welches sich auf der Route befindet, waren im neunzehnten Jahrhundert die Romantik-Reiseziele schlechthin, bevor sie auf Kosten von Bali und Co. etwas aus der Mode kamen. Wird nun, im Zeiten von „Deutschland besucht Deutschland“, der Drachenfels ein Revival erhalten?

Die Route scheint verlassen. Nun, es ist mitten in der Woche und die Ferienzeit zu ende, doch selbst für diese spätabendliche Uhrzeit hatte ich mir mehr Publikumsverkehr vorgestellt. Der letzte Parkplatz vor dem Aufstieg (gebührenpflichtig; wer gebührenfrei parken will, orientiert sich an den vielen Möglichkeiten in Königswinter selbst) ist verweist, nur eines oder zwei Fahrzeuge haben hier ihr Glück gefunden. Weit oben, unterhalb des Berges, kreisen Adler (?) mit ausgebreiteten Schwingen, mal fern, mal näher kommend.

Ich überquere den Parkplatz. Der Weg ist gut ausgeschildert. Unterwegs lichte ich ein paar Gartenzwerge ab und registriere zufrieden, dass meine Waden endlich wieder was zu tun haben. In Abstand hinter mir laufen zwei Freundinnen. „Ich kann nicht mehr.“ Wird eine von ihnen später stöhnen. Ich wundere mich, doch kann ich sie verstehen. So ein steiler Aufstieg, auch wenn er nicht hoch ist, kann sehr anstrengend sein für eine ungeübte Person. Ich hingegen nehme den Mühsal nur noch nebenher wahr, registriere die Anstrengung als etwas, worauf es sich keine Mühe zu verwenden lohnt. Stattessen schaue ich mir, um mich abzulenken, lieber die Gegend an.

Ein Streichelzoo mit Eseln ist unterwegs zu sehen. Andere Wanderer schmunzeln, als sie sehen, wie ich mit breitem Grinsen auf die Tiere zugehe, die Kamera im Anschlag. „Gib mir lieber eine Karotte, die fünf Minuten Ruhm hatte ich vorher schon“, scheint sich das Spitzohr zu denken, während es mich von der Weide aus beobachtet. Über dem Eingang zum geschlossenen Ticketschalter steht geschrieben „Drachenland“, darunter die stilisierte Zeichnung eines Esels. Ach so, ist das dann der Drache?

An einem Zaun hängt werbewirksam ein Fahndungsfoto. „Gesucht“, steht dort in großen Lettern und darunter prangt das Bild von Snoopy, dem Rüden. Gesenkter Kopf, schuldbewusster Blick. Was hast du verbrochen, Snoopy, um eine eigene Suchdienstnummer zu erhalten?

 

Schloss Drachenburg

Schloss Drachenburg hat geschlossen. Heißt ja auch „Schloss“. Öffnungszeiten nach vorheriger Anmeldung (Registrierung?) bis achtzehn Uhr; selbst das mit der Registrierung wäre mir zu aufwendig gewesen. Doch dass auch die Tore zu sind und ich nicht in den Garten kann, ist ein kleiner Wehmutstropfen. Doch früher hätte ich es nicht geschafft, hierher zu kommen, beim besten Willen nicht. Ich spähe durch die Eisenstäbe und bewundere den dicht bewachsenen Rhododendrongarten.

Das Schloss war bereits ein Relikt, selbst zum Zeitpunkt, als es erbaut wurde anno 1882-1882. Damals schon wurde es errichtet, um der Unterhaltung der Ausflügler zu dienen. Denn obwohl sich der Grundsteinleger, Baron Stephan von Sarter, einen repräsentativen Wohnsitz wünschte; das fertige Bauwerk bewohnte er jedoch nie. Er verstarb in Paris, das er als seine Heimat betrachtete, und einer seiner Neffen kaufte das Schloss aus seinem Nachlass auf. Eben jener Neffe, Jakob Biesenbach, war es, der das Schloss zu einer touristisch erschlossenen Attraktion machte.

Zum Drachenfels hin fährt eine kleine Bimmelbahn. Ich komme an der letzten Haltestelle vorbei, wo eine Familie darauf wartet, wieder nach unten gebracht zu werden. Ich indessen marschiere weiter, schließlich will ich den Gipfel im Sturm (also wohl eher schnaufend und keuchend) erobern. Und man kann tolle Orte ganz anders genießen, wenn man sie sich erarbeitet hat. Das Gefühl danach ist unbeschreiblich und es stellt sich in dieser Form nicht ein, wenn man sich mit einem Auto oder der Bahn hinaufbringen lässt.

Das intensivste Glück erfolgt nach viel Schmerz, soviel habe ich bisher gelernt. Was nicht zuletzt an den vielen euphorisierenden, schmerzstillenden Botenstoffen liegt, die der Körper aussendet, um etwas Schwieriges erträglicher zu machen. Der Wanderer flutet sich selbst mit körpereigenen Opiaten; wenn das kein Glück ist, dann weiß ich es auch nicht. Gut, kasteien möchte ich mich nicht zu diesem Zwecke, aber ein bisschen bergauf wandern und ein wenig Zwicken in den Muskeln ist schon okay. Der Drachenfels ist nicht wirklich hoch, etwas über dreihundert Meter (321) hat das Ding.

 

Wie sie fast den Berg abtrugen

Verlassene Wege, ein verlassenes Restaurant. Die Nibelungenhalle, eine „Drachenfelshöhle“, alles geschlossen und leer. Ich bin wohl out of season hier, doch das macht mir nichts, denn an Unterhaltungsattraktionen dieser Art kann ich eh nur selten Freude finden. Der Berg an sich ist mir Attraktion genug.

Seltsame Befestigungen fallen mir ins Auge. Vorrichtungen, in den Berg gebohrt, die den Fels zusammenhalten – ganz so, als müsse er sonst jeden Augenblick in sich zusammenbrechen. Doch die Verwunderung währt nicht lange; Infotafeln geben Auskunft.

Das Felsgestein, aus dem der Drachenfels besteht – das Trachyt – war lange Zeit begehrt. Von der Antike bis ins Mittelalter, ja selbst bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein wurde der Berg abgetragen und immer mehr ausgehöhlt. 1820 erwarb ein Verband örtlicher Steinhauer den Gipfel; die Baustelle des Kölner Doms versprach gutes Geld.

Schließlich drohte der Einsturz – die Stadt würde die Silhouette ihres Wahrzeichens verlieren. Die preußische Regierung verbot einen weiteren Abbau und ließ die Steinbrüche schließen. Heute gehört der Gipfel dem Staat. Umfangreiche Rettungsmaßnahmen wurden in Gang gesetzt; eine davon sind die gut sichtbaren, unschönen Befestigungen.

 

Picknick über dem Rhein

Oben an der Aussichtsplattform angekommen öffnet sich mir ein weiter Rundumblick über den Rhein und die umliegenden Orte. Schautafeln beschreiben, was alles dort unten zu sehen ist. Der Blick wandert bis nach Wachtberg, von wo ich gekommen bin, bleibt hängen an Remagen und der Apollinaris-Kirche und streift die Hohe Acht.

Zu meiner rechten liegt Bonn im bläulichen Dunst. Die Sonne ist noch sehr heiß auf der Haut, und ich kneife die Augen zusammen. Bei der „Plattform“ handelt es sich vielmehr um eine weitläufige Terrasse, auf der sich die Menschen großzügig verteilen können. Ein Pärchen sitzt auf der niedrigen Mauer, zwischen den beiden ein Picknick ausgebreitet. Die Weingläser machen neidisch. Dies ist ein perfekter Ort für ein Picknick zu zweit, beschließe ich. In dieser warmen, luftigen Höhe, mit einer Aussicht, die einem den Atem stocken lässt.

Ich bleibe mit den anderen eine Weile auf der Plattform und genieße den Rundumblick, doch dann zieht es mich hinauf zur Burgruine. Metallgeländer, die ich von hier aus erspähen kann, lassen darauf schließen, dass die Ruine teilweise zumindest zu besteigen ist. Zwischen stillgelegten Tischen und eingeklappten Sonnenschirmen suche ich mir den Weg. Auch das Restaurant hat geschlossen; im NRW sind die Coronabestimmungen noch ein wenig strenger. Vielleicht hatte sich eine Öffnung mitten in der Woche für die Betreiber nicht rentiert, wer weiß.

 

Auf zur Burgruine

Ein schattiger Pfad führt mich steil hinauf, das letzte Stück bis ganz oben. Burgruine Drachenfels. Das Summen unzähliger Insekten in den Bäumen über mir und um mich herum. Dieses letzte Stück ist das anstrengendste. Es scheint, als ob mich die Schwerkraft an den Beinen nach hinten zieht – und das tut sie wahrscheinlich auch.

Die meisten Menschen bleiben unten an der Aussichtsplattform. Nur die ganz wenigen kommen hoch zur Burg, obwohl es nur ein paar Schritte sind. Aber wohl die anstrengendsten Schritte.

Oben höre ich Stimmen. Eine Sportlerin kommt mir entgegen, jene Zufriedenheit im Gesicht, die ich von mir selber kenne. Die Sportlerin verlässt das Terrain, dafür sind noch zwei indische Touristen da. Ich platziere mich auf der anderen Seite der Ruine und spähe durch die Zaunstäbe auf den Rhein herunter. Schließlich, nach endlos scheinenden Augenblicken, räumen auch die beiden Besucher das Feld. Ich bin alleine! Sofort beginne ich, die glatten Felsen zu erklimmen und das abgezäunte, briefmarkengroße Gelände zu erkunden.

 

Ein Plätzchen für die Königin

Nach einer Weile habe ich ein Plätzchen für mich gefunden. Natürlich am höchsten Punkt der von vielen Schuhen glattpolierten Felsen; was sonst. Hier stelle ich mich auf und schaue auf das Legoland unter mir hinunter. Ein Bischof hatte diese Burg einst errichtet, um eine bessere Kontrolle über seine Ländereien zu haben. Langsam fühle ich mich wieder hinein. So war es also, hier zu stehen und wie ein Adler von ganz oben auf all das unter einem liegende Land zu blicken. Ein erhabenes Gefühl. Ein warmer Wind geht um und die Sonne wärmt. Ich lasse die Blicke schweifen und komme mir vor wie der König der Welt.

Zwischenzeitlich lässt sich ein Pärchen blicken und unterbindet somit meine Ambitionen, nach einem Zigarillo zu greifen. Ein toller Augenblick ist es meist, wenn ich alleine bin. Ich will, dass die beiden gehen und ich glaube, sie wünschen sich, dass ich gehe. Doch ich habe den längeren Atem, habe ich es mir soeben vorgenommen, bis Sonnenuntergang zu bleiben.

Schließlich bin ich wieder alleine. Ich probiere herum für eine bessere Sitzposition und verbleibe schlussendlich an jener, bereits erwähnten, Fensteröffnung. Die Sonne hat sich gesenkt und brennt nicht mehr so sehr, auch die Hitze ist einem wohltuenden Windhauch gewichen. Der graue Rauch der Zigarre entweicht in die Landschaft. Eine Bonner Zigarrenmarke; passend, sie hier, weit oben über der Bonner City zu rauchen. Gelbes, warmes Licht fällt auf die Stadt, spiegelt sich im Rhein, auf dem Schiffe entlang ziehen. Ich blicke auf alle Baumwipfel hinab und selbst die Adler, die vorhin weit über meinem Kopf ihre Kreise zogen, scheinen nun weit unten zu sein, weit weg und ganz klein. Das Bonner Post Tower hebt sich charakteristisch von der Skyline der City ab. In weiter Ferne ist ein Kraftwerk zu sehen und auf der rechten Seite soll irgendwo sogar der Kölner Dom sichtbar sein. Was für ein Anblick. Ein würdiger Abschied.

Ich höre eine Stimme. Ein englischer Tourist kommt seines Weges. Nach einem „Hallo!“ verzieht er sich dezent ans andere Ende des Geländers. Die Stimme rührt daher, da er immerzu leise in sein Smartphone spricht. Ob Videochat oder eine Aufnahme für später, das weiß ich nicht, es ist mir auch egal. Der Tourist stört mich nicht. Er hat eine angenehme Art, sich unsichtbar zu machen. Ich widme mich wieder meinem Sonnenuntergang und meiner Zigarre.

Ein kleines Rotkehlchen kommt entlang des Weges gehüpft. Immer näher und näher, lässt er sich doch von nichts stören. Mich registriert er nicht einmal, die zwei- bis drei Meter, die ich von ihm entfernt sitze. Und ich wage kaum, zu atmen. Dann – wieder Stimmen. Flink fliegt er weg, der Finke. Eine weitere Besucherin findet sich ein, spricht werbewirksam in ihr Smartphone. Sie verbleibt nur wenige Augenblicke. Das Smartphone. Kein Teufelswerk, sondern Möglichkeit, den Moment mit anderen Menschen zu teilen. Alleine sein, aber doch nicht alleine. Ja, auch ich verschicke Bilder an meine Familie von diesem grandiosen Augenblick. Und finde nichts verkehrtes daran.

 

Sunset Movie – Bühne frei

Ein Blick auf die Uhr. Es ist kurz nach halb neun.

Dann, viertel nach neun. Der Rhein ist in Gold getaucht. Der Schein wird immer gelber; Details der Stadt, Häuser, Straßen, alles geht darin unter. Und ich bin eins mit dieser Stunde. Ja, ich hatte diesen Gedanken. Nach der ersten Zigarre, nach dem ersten Blick auf die Uhr. Den Gedanken des Gehetzten. Das dringende Gefühl, weiter zu müssen (zu wollen?). So, dachte ich mir, jetzt reicht es, was soll ich so lange hier machen. Mache ich mich jetzt auf den Weg, kann ich vielleicht noch Linz am Rhein ansehen; auch etwas, das ich mir schon länger vorgenommen habe.

Doch der Gedanke ist nun überwunden. Und ich bin froh, geblieben zu sein. Der Sonnenuntergang, das große Finale. Weil mein Hintern vom Gestein weh tut, wechsle ich auf die Sitzbank. Der „Fensterrahmen“ fungiert nun als Leinwand, und dahinter erstrahlt das ganze Schauspiel. Der englische Tourist ist noch da; fast hätte ich seine Anwesenheit vergessen. Er scheint genauso begeistert zu sein wie ich. „It’s like a movie.“ Möchte ich ihm zurufen. „Like a Sunset-Movie.“ Doch ich denke es mir nur. Vielleicht möchte er auch für sich sein, zwischenmenschliche Interaktionen auf das Allernötigste reduzieren, so wie ich. Das unterschwellige Lächeln in den Gesichtern haben wir beide.

Als die Sonne schon sehr tief steht, ist er verschwunden. Als ich mich umdrehe, ist er nicht mehr da, einfach so. Schade, denke ich; willst du wirklich schon gehen? Das beste kommt doch erst noch.

Dafür wechsle ich wieder meine Position und begebe mich zum Ausguckpodest. Hier sind keine Bäume mehr im Weg, hier ist das Auge frei. Doch ein Sonnenuntergang, dieser Moment, wo die heiß glühende Kugel den Horizont berührt, der gehört nie einem alleine. Ein Wanderer kommt seines Weges. Eine größere Gruppe Jugendlicher kündigt sich schon unten mit lautem Gelächter an. Ein Sportler hat scheinbar die Absperrung überwunden und sitzt nun weiter unten auf einem flach herausragendem Felsen. Glücklicherweise können die Jugendlichen ihn nicht sehen.

 

Ich versohle euch den Hintern

Sie sind präsent, sehr präsent. Dieser Abend hier oben wird nun ihnen gehören. Ich halte meine Stellung solange, bis das Spektakel vorbei ist. Danach werde ich weg sein. Doch noch ist es nicht soweit. Die Augen auf die Sonne und die gleißende Stadt unter mir geheftet warte ich ab. Hin und wieder kann ich mir ein Grinsen ob der Sprüche der Teenager nicht verkneifen. Amüsant sind sie ja schon, wie sie sich so gegenseitig aufziehen. Gelöst, fröhlich, losgelassen. Haben wir uns das nicht alle verdient?

Gegenseitige, nicht ganz ernstgemeinte Provokationen gehören scheinbar dazu. Deshalb halte ich auch an mich, als sich die Jungen durch dumme Sprüche dazu anstacheln, über die Absperrungen und auf die Felsen zu klettern, und unterdrücke den Drang, sie übers Knie zu legen.

Der Sonnenuntergang wird dramatischer. Die rote Kugel glüht. Der Himmel brennt über Bonn. Da, sie berührt den Horizont. Die Mädels stellen sich auf für ein insta-wirksames Foto. Irgendwann, nach unzähligen Aufnahmen, lege auch ich meine Kamera zur Seite und schaue nur noch. Rote Sonne, grau-dunstiger Himmel. Die Kugel nur noch zur Hälfte sichtbar. Und da… schon ist sie verschwunden. Dafür, dass Sonnenuntergänge in unseren Breiten schier ewig dauern, die dramatische Zeit davor sich ins Unendliche zieht, geht der Akt an sich sehr schnell. Sonne da, Sonne weg.

Ich ziehe mich leise zurück und laufe nach unten, zur Aussichtsplattform hin. Ein Blick nach oben zeigt mir, dass die Jugendlichen das Geländer für sich erobert haben. Was, wenn sie doch noch ihre Ansagen wahr machen und über die Absperrung auf die Felsen klettern? Fragt eine verängstigte Stimme in meinem Kopf. Tja, dann ist es eben so, antworte ich jener Stimme. Ich kann ihnen ja nicht allen den Hintern versohlen.

 

Lichter der Stadt

Das Picknick-Pärchen ist immer noch da. Vermutlich schmeckt der Wein bei Abenddämmerung noch besser. Langsam gehen unten die Lichter an. Und der Himmel? Viele schauen sich den Sonnenuntergang an und halten das Ereignis für beendet. Doch erst danach geht das Spektakel so richtig los. Der Himmel wird röter, die Farben kräftiger. Die von unten beleuchteten Wolken strahlen auf in tiefem Rot, bilden schleierhafte Formen. Und mit jeder Minute werden die Farben tiefer und stärker. Ein letztes Aufbäumen gegen das Vergessen.

Das Spektakel dauert an. Und dauert. Es ist längst elf geworden. Das anfängliche Frösteln hat sich in eine angenehme Kühle verwandelt. Oder ich nehme es nicht mehr wahr. Insekten fliegen lautlos durch die Luft. Bleiben mitten im Flug in der Luft stehen, um dann weiter zu ziehen. Und der Himmel strahlt. Und strahlt. Perlmuttfarben ist er auf der anderen Seite des Flusses. Mehrmals mache ich den Versuch, zu gehen, denke an den Heimweg und die Fahrt im Dunkeln. Daran, dass ich schlafen gehen müsste; dass morgen ein neuer Tag wartet. Doch ich kann mich nicht losreißen.

Schließlich beginnen die Farben doch noch zu erloschen. Aus dem Rot wird Pink, die Skyline zeigt sich in kühlem Rauchblau. Tausende flackernde Lichter gehen an. Die Sonne verabschiedet sich und die Stadt erwacht.

Als ich den Weg wieder hinab steige, zwischen den Bäumen und im Dämmerlicht, da erfüllt Blütenduft die Nachtluft. Fledermäuse flattern an meinem Kopf vorbei und ich grinse. Und bin der glücklichste Mensch der Welt.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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12 Kommentare

  1. Du weißt ja inzwischen von mir, dass ich ein Fan von Burgen und Burgruinen bin. Doch mit dieser Geschichte hast Du den Vogel abgeschossen, wie man so sagt. Burgruine, Picknick und Sonnenuntergang? Das sind ja drei Highlights auf einmal! Volltreffer…

    1. Gut, für das Picknick hat das andere Pärchen gesorgt, aber es ist eine schöne Idee, wenn man mal zu zweit dort oben ist. Danke, ich freue mich, dass dir der Beitrag gefällt 😉

  2. Die Bundesadler sind jedenfalls schon vor längerer Zeit nach Berlin umgezogen 😏

    1. Ach, ich tippe mal auf fliegende Drachen. Es ist ja der Drachenfels… 😉

  3. Was für ein wunderschöner Beitrag 🤩Da bekomme ich direkt Lust auch mal wieder hinzufahren. Früher haben wir dort immer Schulausflüge gemacht 😊

    1. Liebe Annemarie, dann kennst du die Gegend wahrscheinlich ziemlich gut 🙂 Wegen Covid waren zwar viele Unterhaltungsmöglichkeiten geschlossen, aber der Ausblick an sich ist ja Unterhaltung genug 😉

  4. Vielen Dank, dass wir Ihre Besteigung des Drachenfels genießen durften, ein Name, den ich seit meiner Kindheit kenne (weil meine Eltern einmal dort waren). Schade, dass die Reklamationen so weit gehen durften, dass sie dir diese hässlichen Betonverstärkungen anbringen mussten.
    Du hättest dort deinen Platz gefunden… den Platz für die Königin 🙂
    Danke für die schönen Bilder und den wunderschönen Sonnenuntergang.

    1. Der Drachenfels ist sehr bekannt und ich wollte schon immer mal hin. Es hat sich gelohnt, noch immer ist es ein einmaliges Erlebnis, dort oben zu sein. Ich glaube, die Befestigungen müssen sein, leider wäre der Gipfel sonst zu instabil. Und mein place to be habe ich dort schließlich gefunden 😉

  5. Eine tolle Tour wieder einmal! Und wieder so schön geschrieben, dass ich das Gefühl hatte, buchstäblich neben dir im Kino zu sitzen und den bombastischen Showdown auf der „Leinwand“ mit dir zu geniessen. Auch wenn du eigentlich lieber alleine gewesen wärst 😎.

    1. So allein wollte ich auch wieder nicht sein, man hat ja den Drang, die schönen Momente zu teilen. Ich freue mich, dass du mental mit dabei warst 😉

  6. Glückwunsch zu diesem tollen Erlebnis und danke, dass du die schönen Fotos teilst.
    Gibt es in Bonn wirklich Adler? Ich dachte, die wären fast ausgestorben…

    1. Schön, dass dir der Beitrag gefallen hat.

      Laut meiner Recherche gibt es noch den Fischadler, allerdings nicht als Brutvogel. Er zieht immer vorbei im Frühling und im Spätsommer. Allerdings kann ich auf die Entfernung nicht sagen, ob das tatsächlich der Fischadler war, ich habe die Passage abgeändert 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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