Zwinker zwinker… langsam surrt der kleine Kerl auf mich zu. Auf einem Tablett balanciert meine Pizza. Der Roboter bleibt stehen. Zwinker… Also, putzig ist Naulo ja schon…
Nach einer gelungenen Tour und jede Menge an Informationen in meinem Kopf „flüchte“ ich über den Asan-Markt, der immer am Abend seine Ausläufer wie die Arme einer Krake bis in die hintersten Höfe und Gassen ausbreitet. Händler sprechen mich an, doch ich bin nicht ansprechbar, will einfach keine neuen Reize mehr. Die Stadt fordert einen, das habe ich an mehreren Stellen erwähnt und ich werde nicht müde, es zu betonen. Doch ich gewöhne mich auch daran und bin nicht überfordert. Nur ein wenig müde.
Aber eine Sache will ich in dieser Stadt unbedingt noch sehen, etwas, worüber ich bereits erstaunt gelesen habe: das erste Roboter-Restaurant in Südostasien befindet sich in Nepals Hauptstadt! Und so, wie ich die Stadt bislang kenne, kann ich mir das nicht wirklich vorstellen. Der Bericht von Susanne inspiriert mich zu einem Besuch.
Ich folge der App auf meinem Handy, verlaufe mich in den kleinen Gassen, lande schließlich zwischen bunten, glänzenden Stoffballen. Obst, Gemüse, Gewürze, Stoffe und Bekleidung – der Markt ist in seiner Lebhaftigkeit thematisch doch recht sinnhaft sortiert.
Dann verlasse ich Kathmandus Altstadt und bewege mich in Richtung Norden, hin zum modernen KamaladiStadtbezirk. Hier tobt das Leben, das Viertel ist erstaunlich modern und neu. Es gibt Kasinos, Restaurants und Clubs und zum ersten Mal wirkt die Stadt auf mich wie eine moderne Metropole. Hier hat der sonst allgegenwärtige Zerfall keinen Zutritt. Nichts ist mehr „touristisch“, ich bin die einzige Weiße weit und breit.
Junge Frauen stolzieren mit Highheels und kurzen Kleidern über den Bürgersteig, immer penibel darauf achtend, nicht in eine der vielen Löcher zu treten; Halbwüchsige treten gestylt ihren Streifzug an. Gegelte Männer in geschniegelten Hemden plustern sich auf und laufen betont lässig mit breitem Gang und Cowboypose an mir vorbei – fast muss ich lachen.
Hier also trifft sich die Oberschicht der Gesellschaft und hier geht sie feiern, größtenteils ungestört, denn die meisten Touristen tummeln sich im Thamel herum. Leuchtreklamen, Leuchtschilder, verglaste Gebäude, McDonalds und Pizza Hut – eine ganz normale, moderne Stadt und nach zwei Wochen Kontraste genieße ich dieses Stück Normalität.
Zur Orientierung benutze ich die offline geladene Karte meiner App und bislang bin ich mit dieser Vorgehensweise ganz gut gefahren. Gut, manchmal ist die App etwas ungenau, etwa wenn man eine ganz bestimmte Adresse sucht, so wie jetzt.
Mein kleiner, leuchtender Punkt führt mich weg von der Hauptstraße, in eine kleine und dunkle Seitengasse hinein. Die Abzweigung führt nirgendwohin. Eine Straßenbeleuchtung fehlt völlig und auch mit der modernen Erscheinung des Viertels ist es hier nicht weit her. Keine Reklame mehr, kein Blink-blink, nur ich, mein Handy und ein paar gelangweilte Kiosk-Verkäufer, die mir im Dunkeln verwundert hinterher blicken und sich wohl fragen, was ich hier will.
Auch ich stelle mir dieselbe Frage, kommt mir doch nicht zum ersten Mal an diesem Abend der Gedanke, ob das wohl so eine gute Idee war, in der Dunkelheit alleine durch die entfernten Winkel abseits von allem durch die Stadt zu streifen.
Es gibt hier keine Restaurants, nur hier und da eine Arbeiterkantine; ich kann die Köche in den beleuchteten Räumen hantieren sehen. Eine große Ratte huscht vor meinen Füßen über die Straße und verschwindet in der Nacht. Ein kleiner Junge tritt nach einem Welpen. Der Vater nimmt den Welpen an sich, ermahnt das Kind. Ich tue so, als hätte ich nichts gesehen und gehe weiter. Hier gibt es für mich nichts zu holen, ich bin falsch, also wieder zum Anfang. Ich verlasse die Gasse.
Das Restaurant Naulo liegt an der Hauptstraße, eingereiht zwischen Lounges und stylischen Modeläden mit Ausverkauf. Hier passt es auch hin und ergibt Sinn. Ich überquere die Straße und stehe davor. Ein kleiner Roboter hält einen Schirm in der Hand, darauf ist zu sehen, wie sich die Dinger innerhalb des Restaurants bewegen. Unbeweglich grinst mich die Maschine an. Aufgeregt gehe ich rein.
Das Restaurant befindet sich im ersten Stock. Drinnen scheinen gerade Dreharbeiten für Werbeaufnahmen stattzufinden und eigentlich sind alle Plätze belegt, doch ich bekomme einen kleinen, seitlichen Tisch frei geräumt, auf dem sich vorher das Kamerateam ausgebreitet hatte. Ich will niemanden vertreiben, doch die Crew ist eh mit den Aufnahmen beschäftigt.
Ich werde gefragt, ob ich denn mit auf den Bildern sein möchte – warum nicht? Kasia erobert Nepal in Sturm, wird landesweit berühmt und für Rollen eingesetzt, wo westliche Statisten gebracht werden? Nur her damit…
Das Naulo ist in Nepal sicherlich eine feinere Adresse. Ich werde zunächst am Empfang registriert, anschließend darf ich Essen und Getränke aus einer Karte auf einem Pad wählen. Es bietet sowohl nepalesische als auch indische Küche an, doch es gibt auch westliche Gerichte wie Pizza.
Nun, ich habe mich zwei Wochen lang mit diversen Landesspezialitäten herumgeschlagen – sie waren auch wirklich köstlich – doch nun, so gegen Ende der Reise habe ich Sehnsucht nach etwas „normalem“ (aus meinem Sichtpunkt freilich…). Ich wähle Pizza und Wein. Die Bestellung wird von der freundlichen Kellnerin aufgenommen.
Nun, im Naulo sind nicht nur Roboter unterwegs. Eigentlich wirkt es so, als würden Maschinen die Menschen lediglich unterstützen, das Ganze macht
einen etwas experimentellen Eindruck. Man wird von einem Menschen empfangen und registriert und ein Kellner nimmt die Bestellung auf und bringt die Getränke.
Und obwohl sich die Roboter von Naulo sehr sicher bewegen, scheinen sie dafür noch nicht ausgereift zu sein. Sie werden die ganze Zeit über beaufsichtigt, die kleinen Helferlein. Wie bei einem Kind, dem man sagt: hier, bring das Essen an den Tisch, ich schaue dir aber zu, ob du das auch richtig machst… Unterhaltsam ist das allemal.
Ich nippe an meinem Wein und beobachte währenddessen, wie die großen, weißen Helfer mit den großen, sanften Augen durch den Raum schwirren, umringt von einer Schar aufgeregt schnatternder Kinder. Die Kleinen springen um die Roboter herum, während diese die Speisen an den Tisch bringen. Das Kamerateam filmt.
Das Naulo scheint noch nicht sehr bekannt zu sein, zumindest nicht international, denn ich sehe – bis auf mich – keinen einzigen westlichen Touristen. Dafür viele Nepalesen, die mit der Familie zu Abend essen – und sicherlich hat sich der eine oder andere indische Tourist dazwischen geschmuggelt. Die Gerichte sind nicht so hochpreisig wie ich mir das eigentlich gedacht hätte; sie sind sogar sehr erschwinglich aber, mal ehrlich, ausnahmslos jeder ist wegen der Roboter da. Interessiert beobachte ich, wie einer davon das bestellte Essen an einen der Tische bringt.
Dann komme ich dran. Der Roboter schwebt mit meiner Pizza fast schon an meinem Tisch vorbei, nur um dann doch sehr abrupt meine Richtung einzuschlagen. Er ist nicht gerade feinmotorisch, doch das Süße ist: er zwinkert mit seinen großen, blauen Augen. Zum verlieben. Dann bleibt er einen Moment lang stehen, so dass ich zeit habe, meine Pizza wegzunehmen. Währenddessen macht das Kamerateam Großaufnahmen und ich bedaure den starken Sonnenbrand in meinem Gesicht. Ich werde auf den Bildern aussehen wie ein gekochter Krebs. Dann folgen noch ein paar Aufnahmen davon, wie ich mir das Pizzastück in den Mund schiebe. Hmm, lecker.
Der kleine Helfer fährt wieder weg. Es dauert eine Weile, bis ich aufhöre, ihn anzuschmachten und mich auf mein Essen konzentriere. Die Pizza ist lecker und der Wein gut trinkbar (ich komme aus dem Pfälzer Umfeld, also… ? )
Nach dem Essen habe ich Gelegenheit, mich mit der Aufsichtsdame des Restaurants zu unterhalten. Das Naulo ist das erste Restaurant dieser Art in ganz Südostasien, erzählt sie mir stolz. „Unsere eigene, nepalesische Technologie.“
Doch die Technik ist noch nicht ganz ausgereift und die Roboter müssen bei ihrem Tun beaufsichtigt werden. Sie bewegen sich entlang magnetischer Linien, die im Boden angebracht sind – damit erklärt sich ihre ruckartige, nicht ergonomische Fahrroute. Eine solche Linie führt durch die Mitte des Raumes und zu jedem Tisch.
„Diese, die jetzt im Einsatz sind“ – erzählt sie mir – „können zum Beispiel nicht ausweichen, wenn jemand im Weg stehen bliebe. Deshalb muss man noch auf sie aufpassen – damit kein Kind einfach vor ihnen stehen bleibt.“
Auch der Serviervorgang ist automatisiert; die Maschine bleibt nur einen Moment lang mit dem Essenstablett stehen und fährt dann wieder zurück, ungeachtet dessen, ob der Gast sein Gericht an sich genommen hat oder nicht. Ich konnte vorhin beobachten, wie ein weiblicher Gast beinahe ihr Essen nicht bekommen hätte, weil sie ein Selfie mit dem Roboter machte. Dieser jedoch war dafür nicht empfänglich und drehte wieder um…
„Aber diese hier…“ Sie zeigt mir einen neueren Roboter, der nicht im Einsatz war „…ist eine neue Generation. Er bewegt sich nicht mehr entlang fester Routen und ist somit flexibler. Er kann stehen bleiben, falls sich jemand im Weg befindet.“
Ich bin neugierig. Es lohnt sich sicher, das Naulo weiterhin zu beobachten, um zu sehen, wie sich die Sache entwickeln wird. Es ist noch weit zu einem vollautomatisiertem Lokal wie man sie zum Beispiel in China erleben kann. Es ist so wie ich vermutet habe: die Maschinen sind eher eine lustige Attraktion für den Gast denn eine Hilfe oder Entlastung, doch das kann sich noch ändern. Momentan dienen sie jedoch der Unterhaltung.
Inspiriert zu diesem Beitrag hat mich Susanne. Auf ihrem Blog erzählt sie über ihr Leben in Kathmandu und berichtet von ihren eigenen Erfahrungen im Naulo-Roboterrestaurant. Wenn ihr mehr wissen wollt, schaut auf ihrem Blog flügge vorbei…