Die Frau mit dem Hund grüßt mich. „Hallo!“ Ruft sie. „Ach, bleib mal stehen.“ Sagt sie fröhlich zu ihrem Vierbeiner. „Wir wollen der netten Frau nicht ins Bild laufen.“ Denn ich bin ausgestiegen, einfach so am Straßenrand, und fotografiere die sanften Hügel des Westerwaldes, welche wie die Wellen eines Sees aussehen.
Sie ist von hier. Sie führt ihren Hund spazieren.
Grün, durchschnitten vom rauchigen Nebel, hier und da eine Waldschneise. In einem Apfelbaumhain versteckt sich ein Mann. Der Mann in seinem Garten ruft: „Hallo!“ und grüßt die Frau. Bleibt hinter den Apfelbäumen verborgen, mit seiner morgentlichen Arbeit beschäftigt.
Er ist von hier. Ansteckende Fröhlichkeit.
Ich bin häufig, doch immer wieder gerne hier im Westerwald, im schönen Wiedtal, wo die Wied leise murmelt, sich durch das Tal schlängelt. Hügel, Weiden, hier und da ein paar Kühe und ein Campingplatz an anderem Ufer, gegenüber vom Hotel.
Ich bin beruflich hier. Auch er ist beruflich hier. Wir treffen uns zum Abendessen im Hotel, wie eines dieser Paare, das sich noch kaum kennt oder eine Fernbeziehung führt. Wie frisch Verliebte sitzen wir an der Wied. Vor uns – die vollen Teller. „Wenn du mir mein Essen klaust, haue ich dir die Gabel in die Hand.“ Liebevolles Geflüster, welches so mancher Außenstehende missverstehen würde. Stefan grinst und versucht sich an meinen Salatgratins.
Noch bei abendlichem Zwielicht umspannt ein Regenbogen die schwarz verhüllten Berge. Eine einsame Laterne wirkt wie ein fehlgeleitetes Irrlicht.
Am nächsten Morgen treffen wir uns zum Frühstück. Es ist neblig draußen, dicker Nebel sitzt hartnäckig über der Wied wie eine Großmutter auf ihrem Stuhl. Eigentlich muss schon die Sonne aufgegangen sein, doch davon ist nichts zu sehen. Die Bäume stehen in der Ferne wie unheilvolle Schatten. Alles ist metallisch grau. Ich liebe die Wied im Nebel.
Stefan habe ich bereits im Hotel verabschiedet. „Wir sehen uns zu Hause.“
Die Dörfer in der Ferne, die Hügel, die Kirchturmspitze, die Häuser, die Autobahnbrücke mit ihren Pfeilern – alles verschiebt sich vor meinen Augen wie in einer irren 3D-Animation. So klein, sieht alles aus wie Spielzeug.
Es ist kühl. Doch als ich schließlich mit dem Auto die engen Kurven hochjage, schimmert mir auf den höheren Ebenen blauer Himmel entgegen. Die Nebelbank bekommt Risse. Von oben erreiche ich das Rheintal, habe einen flüchtigen Blick auf Remagen und die Apolinaris-Kirche, ehe das Auto wieder in die tiefer gelegenen Ebenen fährt. Schließlich komme ich an den Rhein und fahre das rechte Ufer in Richtung Bonn entlang. Winterberg mit seinem charakteristischen Drachenfels kommt mir entgegen. Vom Nebel ist kaum noch was zu sehen.