…oder: wie Nepals Frauen ihre Männer feiern.
Es gibt immer wieder Dinge in der Welt, die uns staunen lassen. Und reisen wir nicht gerade dafür? Diesmal geht es um ein Fest in Nepal, welches mir simpel als Teej, „das Frauenfest“ vorgestellt wird, doch es hat nichts mit dem uns bekannten Frauentag zu tun. Im Gegenteil. Hier beten Frauen für das Wohlergehen ihrer Ehemänner und Familien…
Laute Musik ist aus dem Vorgarten eines Privathauses zu hören. Junge Frauen tanzen, in Sari gekleidet, im Kreis herum, klatschen in die Hände und haben Spaß; noch mehr Spaß haben sie, als sie bemerken, dass ich ihnen zusehe. Eine alte Frau winkt mich, näher zu kommen. Sie bereiten sich auf das Teej, das Fest der Frauen, vor. Sie tanzen und johlen und klatschen in die Hände – am liebsten würde ich mich dazu stellen und mit ihnen tanzen.
Das, was umgangssprachlich als „das Festival der Frauen“ bezeichnet wird, nennt sich eigentlich „Fest zum Wohle der Ehepartner und Kinder“. Das hinduistische Festival und wird zu Ehren des Götterpaares Shiva und Parvati begangen. Doch da dieser Tag in erster Linie von Frauen und Mädchen gefeiert wird, hat sich die Bezeichnung „Fest der Frauen“ eingebürgert. Das sorgte bei mir für Irritationen; denn so bezeichnen es auch die Nepalesen und erzählen einem dann, dass Frauen für das Glück und die Gesundheit ihrer Männer beten. Die Verwirrung bei einem Westler ist damit komplett.
In Nepal wird viel und gerne gefeiert und beinahe jeder Monat, jede Jahreszeit hat ihre eigenen, speziellen Festivitäten. Meistens dauern die Feierlichkeiten bis zu drei Tagen an. Es gibt eine Feier zu Krishnas Geburtstag, ein Fest zum Ende des Monsuns, den Tag der Republik, der gleichzeitig der Tag der Erstbesteigung des Mount Everest ist und sogar ein Fest der Kühe.
Das Teej bildet da keine Ausnahme. Es findet gegen Ende August bis Anfang September statt, immer am dritten Tag nach Neumond und dauert drei Tage. Teej gilt als kulturelles Fest, ist aber auch gleichzeitig ein nationaler Feiertag. Gefeiert wird es in ganz Nepal und in Teilen Indiens. Am ersten Tag sieht man überall in der Stadt wunderschön gekleidete Frauen, die lachen, singen und tanzen. Glänzende, rote Saris ergießen sich in der Stadt und kommt man an Häusern vorbei, dringt aus so manchem Haus fröhliches Gelächter und der Klang von Musik. Viele der traditionellen Lieder wurden speziell für das Teej-Festival geschrieben. Manchmal tanzen die Frauen und Mädchen direkt im Vorgarten. Die Energie ist ansteckend.
An diesem ersten Tag arbeiten Frauen nicht. Dieser Tag gehört nur ihnen, sie machen sich schick, tragen Rot und holen ihren schönsten Hochzeitsschmuck heraus. Ihre Stirn schmücken sie mit einem Tika. So herausgeputzt gehen sie in die Stadt, um Einkäufe für den Abend zu erledigen. Das sind dann die tollen Saris, die überall zu sehen sind. Viele werden eigens für dieses Fest gekauft, einige holen ihre Hochzeitskleider hervor.
Am Abend wird gekocht. Die Frauen feiern zusammen bei leckerem Essen und Getränken. Männer haben in dieser trauten Runde nichts verloren, auch wenn da vornehmlich für ihr Wohl getanzt wird. Vielleicht schaut ab und zu mal ein Verwandter vorbei, doch hauptsächlich geht dieses religiöse Fest nur die Mädels etwas an. Bis spät in die Nacht gibt es reichlich Essen und Musik, wird gesungen und getanzt und die Zeit zusammen genossen. In gewissem Sinne ist es doch ein „Fest der Frauen“, auch wenn die Bedeutung dahinter das im ersten Moment nicht vermuten lässt.
Der zweite Tag des Teej ist den Göttern und der Enthaltsamkeit gewidmet. Nach den Ausschweifungen des ersten Tages wird nun gefastet. Die Frauen essen und trinken nichts ganze vierundzwanzig Stunden lang; das soll ihren Männern Glück bringen und ein langes Leben bescheren. Mütter, Töchter, Tanten und Kusinen besuchen zusammen Tempel des Gottes Shiva. Dort legen sie Blumen nieder und beten für Gesundheit und Wohlstand für ihren Mann und ihre Familie und auch für langanhaltendes Eheglück. Junge Mädchen, die noch keinen Ehegatten und keine eigenen Familien haben, beten für einen guten Mann. Befindet man sich an diesem, zweiten Tag des Festes, zufällig in Kathmandu, so kann man lange Schlangen an rot gekleideten Frauen zum Pashupatinath Tempel, den wichtigsten hinduistischen Tempel in Nepal, strömen sehen. Dorthin, wo normalerweise die Toten am Bagmati-Fluss verbrannt werden. Die Frauen halten Opferschalen mit Blumen in ihren Händen. Auch Süßigkeiten und Geldmünzen werden am Shiva-Tempel niedergelegt.
Eine Legende sagt, dass sich die Königstochter Parvati in den Gott Shiva, den Gott der Zerstörung und Neuerschaffung, verliebte. Parvati bewunderte und verehrte Shiva, doch ihr Vater, der König des Himalaja, hatte bereits Gott Vishnu zu ihrem Ehemann ausgewählt. Noch bevor es zur Vermählung kommen konnte, floh das Mädchen aus dem Haus und versteckte sich im Wald. Dort lebte sie allein und unter Entbehrungen. Die Geschichte kam Shiva zu Ohren, der beschloss, die Liebe des Mädchens zu ihm zu testen. Er kam mit einer Kutsche vorgefahren, als Vishnu verkleidet, und bot Parvati die Heirat an. Das Mädchen dachte trotz Hunger und ihrer schwierigen Situation jedoch nicht daran, sich mit „Vishnu“ zu vermählen. Shiva war schließlich so beeindruckt von ihrer Aufrichtigkeit, dass er Parvati heiratete. So erfüllte sich ihr Traum, und auch ihren Vater konnte sie am Ende besänftigen.
Während ihrer Zeit im Wald betete Parvati Tag und Nacht darum, Shiva heiraten zu dürfen. Schließlich wurden ihre Bitten erhört und sie wurde seine Frau. Aus diesem Grund beten vor allem junge Frauen und Mädchen zu Parvati für einen perfekten Ehemann. Gut und schön soll er sein.
Während der gesamten Zeremonie wird weiterhin nichts gegessen und oft auch nichts getrunken. Und am Abend geht es weiter trotz Hunger und Durst mit Feiern und Tanzen bis spät in die Nacht; schließlich müssen die Götter weiterhin bei Laune erhalten werden. Und die Frauen auch 😉
Am dritten Tag baden Frauen im Fluss, um sich von Sünden zu reinigen. Bereits im Morgengrauen brechen sie auf, denn nach diesem rituellen Bad darf endlich wieder gegessen werden. Noch ein letztes Gebet an das Götterpaar im Allgemeinen und Parvati im Speziellen. Und dann bleibt nur noch zu hoffen, dass die Göttin die Gebete auch erhört.
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Quellen:
http://www.nepal-travelguide.de/land-und-leute-festkalender.html
https://www.nepalwelt.de/site_festivals.htm
https://www.nepal-trek-tours.de/blog-post/teej-festival-in-nepal/
https://nepal.de/land-leute/feste-feiertage/
https://nepal-spirit.de/2014/08/28/teej-festival/
https://www.tibettravel.org/nepal-festival/teej-festival.html
https://www.welcomenepal.com/whats-on/haritalika-teej.html
Weiterführende Links:
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/frauen-in-nepal-samjhu-wartet-in-der-kueche-15298716.html
https://www.deutschlandfunkkultur.de/hinduismus-in-nepal-die-gleichberechtigung-beginnt-zu-hause.1278.de.html?dram:article_id=330844
http://therisingnepal.org.np/news/19601
[…] mich an meine kitschige Vorstellung von einer Fiesta Mexicana. Vermutlich wurde in großem Stil das Teej Festival zelebriert, das drei Tage lang andauernde „Fest der […]