Im Homestay wärme ich mich erstmal auf. Die Sonne dringt blutrot durch die Ritzen der hölzernen Läden und malt leuchtende Muster auf der Wand. Draußen am Fluss wartet ein sagenhafter Sonnenuntergang, doch es ist kaum jemand da, um ihn anzusehen. Am roten Himmel huschen schwarze, scharf ausgeschnittene Umrisse von Flughunden. Ein ruhiger Ort, und so out of season. Vielleicht hat diese Reisezeit durchaus ihre Vorzüge.
Zum Abendessen gibt es Dal Bhat, welches ich mir ausdrücklich gewünscht habe. Wenn es nach mir geht, dann können sie mich hier tagtäglich mit dem leckeren Gericht füttern, welches aus Reis, Fleisch und Gemüse besteht und sehr lange sättigt. Zudem sammeln sich einmal wieder die kleinen, unablässig wuselnden Ameisen um meinen Teller herum und versuchen, dessen Inhalt zu beanspruchen. Die roten Ameisen sind überall und wenn man nicht aufpasst, krabbeln sie einem auch schon in den Ärmel.
Am Abend hat das Tharu Community Homestay noch ein besonderes Schmankerl für uns bereit: eine Bühnenshow der Tharu. Nach dem Abendessen werden wir abgeholt und mit dem Jeep zum Tharu Cultural House in den benachbarten Ort Sauraha gebracht. Der große Saal ist halb voll, und alle schauen auf die noch leere Bühne. Die füllt sich schon kurze Zeit danach mit Sängern und Tänzern. Sie wirbeln herum, spielen und singen und all diese Aufführungen erzählen kleine Geschichten. Einige der Tänze kenne ich bereits oder werde die Melodien dazu immer mal wieder im späteren Verlauf der Reise im nepalesischen Radio hören, während ich in Cafes auf meine Bestellung warte. Der Vogel-Pfau-Tanz, den ich an meinen ersten Tag in Kathmandu gesehen habe, ist dabei und auch der Krishna-Tanz, den ich mit den Frauen an meinem ersten Tag in Chitwan tanzte.
Die bunten Kleider der Tänzer sind wunderbar anzusehen. Doch oft fehlt der Musik eine Melodie, denn es handelt sich vorwiegend um Instrumeltalmusik, die den Rhytmus mit Trommeln und hölzernen Stöcken vorgibt, begleitet vom Gesang und beeindruckenden Tanzeinlagen.
Die Vorstellung dauert rund zwei Stunden. Am Schluss werden die Zuschauer auf die Bühne geholt. Hier oben tanzen wir zusammen mit den Tänzern eine Art Sprung-Polonaise, die mit viel Gehüpfe einhergeht. Schnell bin ich außer Atem und zugleich voller Bewunderung für die Tänzer, die das den ganzen Abend durchhalten. Die Mädchen lächeln mich an und ich versuche, mich an ihnen zu orientieren. Fast der gesamte Saal ist nun leer, denn alle sind oben und tanzen mit. Ausgenommen die holländischen Touristen, die sich in vornehmer Zurückhaltung üben und mich anschauen, als hätte ich einen leichten Schaden. Doch das ist mir nun egal, denn die Nepalesen hier haben einen riesigen Spaß und ich mit ihnen.
Ich verlasse die Bühne erst dann fluchtartig, als ich sehe, wie sich meine Gruppe zum Ausgang wendet.
Die Tänze der Tharu
Die Tänze der Tharu sind seit jeher Teil ihrer Kultur gewesen und zeigen sowohl Geschichten und Szenen aus ihrem Leben als auch die Zugehörigkeit zu je unterschiedlichen Stämmen. Sie wurden an Feiertagen oder zu besonderen Gelegenheiten getanzt. Seit dem Aufkommen des Tourismus in der Region um Chitwan wurden die Tänze als auch große Teile der Tharu-Kultur kommerzialisiert. Tänzer vollführen ihre Show für Touristen und werden dafür bezahlt. Die Kultur der Tharu wird nach und nach durch eine westlich beeinflusste Lebensweise ersetzt.
Das ist eine kleine Auswahl der Tharu-Tänze. Zu erwähnen ist hier noch der Feuertanz, von dem ich leider keine Aufnahmen gemacht habe. Während meiner Recherchen musste ich feststellen, dass sich erstaunlich wenig über die Bedeutungen der einzelnen Tänze finden lässt. Vereinzelt habe ich verschiedene Quellen hinzugefügt, die nicht nur über die Tänze der Tharu, sondern auch über ihre Kultur Auskunft geben. Einige müssen aus dem englischen übersetzt werden.
Am Ende der Show werden die Zuschauer auf die Bühne geholt und tanzen mit.
Oben: der Krishna-Tanz. Dieser Tanz dreht sich um das Leben von Krishna, dem Gott der allumfassenden Liebe. Der blauhäutige Krishna ist eine Reinkarnation des Gottes Vishnu. Sein Lieblingsinstrument ist die Flöte.
Diesen tanzte ich mit den Tharu Frauen an meinem ersten Tag in Chitwan. Was das Singen betrifft, so hohe Töne kann ich nicht… 🙂
Oben: bewundernswert, wie der Tänzer umher wirbelt. Die Tänzer spielen hier eine Geschichte nach. Leider habe ich nicht viel davon verstanden, doch den Bewegungen des Tänzers nach, der eine Tänzerin darstellte, wird es sich vermutlich um eine Liebesgeschichte oder ähnliches gehandelt haben. Wer mehr Informationen dazu hat, dann gerne her damit in die Kommentare 🙂
Oben: der Stocktanz der Männer. Es wird vermutet, dass diese Art Tanz seine Ursprünge in Rajasthan in Indien hat. Der Tanz ahmt eine Jagd nach. Die Tharu nutzen lange Stöcke, um wilde Tiere abzuwehren und in die Flucht zu schlagen. Davon, dass es funktioniert, konnte ich mich bereits selbst überzeugen.
Und zum Schluss: der Pfauentanz. Es handelt sich um einen humorvollen Tanz, bei dem die Bewegungen und die speziellen, lauten Rufe des Vogels bis aufs Genaueste nachgeahmt werden. Er zeigt, dass die Tharu in Harmonie mit der Natur leben. Ebenso hat der Pfau einen Bezug zum Gott Krishna, der häufig mit einer Pfauenfeder dargestellt wird.
Am Ende der Show bekommt ein Zuschauer aus dem Publikum eine Rose überreicht.
Quelle: Socio-Cultural Impact in Tourism: A Case Study of Sauraha, Nepal
Quelle 2: www.tharumuseum.org
Quelle 3: https://www.nepalmusiccenter.com/
Quelle 4: religion.orf
Einen tollen Blogbeitrag zum Thema gibt es auch von Tania auf ihrem Blog azure sky follows.