Asien, Nepal

Jeep-Safari im Regen

Gegrübel im Hitzewahn

Das Tharu-Community Homestay befindet sich am Fluss, mehr oder weniger mitten im Dschungel. Oder zumindest so nah am Nationalpark, wie das nur irgendwie möglich ist. Tja, da huscht dir auch schon mal eine Schlange an deiner offenen Tür vorbei. Und während du noch denkst: „Huh? Was ist das denn?“ siehst du auch schon einen Mitarbeiter des Hostels, der mit einem noch größeren Stock hinter dem großen Reptil hereilt. Du siehst nur etwas großes, dunkles und… schlangiges und schon ist sie wieder weg. Alles dauert just eine oder zwei Sekunden. Und du hoffst, dass sich dieses eben erwähnte Reptil nicht doch noch umdreht und ein gemütliches Plätzchen in deinen Räumen sucht.

Doch der Schatten der Schlange verschwindet im Dickicht.

Es ist das Leben inmitten der Natur. Auch die Küchen der Tharu-Frauen sind größtenteils nach außen hin offen und ja, da hüpft dir schon mal so ein kleinerer oder größerer Frosch an der Kochstelle vorbei und du hoffst, dass er nicht rein zufällig doch noch im Kochtopf landet.

Hier soll es in der Nähe eines Nachbarortes, in Ratmangar, heiße Quellen geben, in welchen gebadet werden kann. Ursprünglich war mein Plan, sie zu besuchen, doch angesichts der unbarmherzigen Hitze, die zur Zeit herrscht, gelüstigt es mich eher nach einem Eisberg. Oder danach, mich im Badekleidung in einem Haufen Schnee zu wälzen. Oder mich in einem nassen, schlammigen Tümpel zu suhlen wie diese gemütlichen, großen Büffel, für die es nichts Schöneres zu geben scheint. Nein, letzteres tun wir natürlich nicht, wir sind ja schließlich zivilisiert. Und Ich glaube nicht, dass der Büffel sein Wasserloch mit mir teilen möchte. Doch man wird träumen dürfen.

So sitze ich also auf meinem Zimmer, etwas enttäuscht, dass sich die Schlange nicht doch noch hier hinein verirrt hat, und grüble schwitzend vor mich hin. Die Ventilatoren drehen sich schwerfällig an der Decke und verwirbeln die heiße Luft. Ich kann froh sein, dass sie momentan überhaupt laufen, denn Stromausfälle sind in Nepal eine ganz normale Erscheinung. Wobei ich mir hier nicht mal sicher bin, ob der Strom wirklich „von alleine“ ausfällt oder einfach über die Mittagszeit die Generatoren abgestellt werden. Denn dann geht nichts mehr, weder die Steckdosen noch das Warmwasser in der Dusche. Doch so viel braucht man hier auch gar nicht zum glücklich sein. Warmes Wasser zum Duschen ist angesichts der Außentemperaturen wohl eher witzlos, denn auch der kalte Part kommt eher lauwarm aus der Leitung. Wichtig ist die Elektronik, die heilige Powerbank inklusive des heiligen Smartphones, welches meine einzige aktuell vorhandene Möglichkeit zum Fotografieren darstellt. Ich bin noch nicht auf die sündhaft teuren, aber angeblich guten Systemkameras umgestiegen.

Meine Vorhänge sind zugezogen, obwohl es draußen hell ist und die Sonne scheint – ja, eigentlich gerade deswegen. Und ich warte grübelnd auf den Startschuss, auf die zweite Aktivität am heutigen Tage: die Jeep-Safari durch den Chitwan Nationalpark. Mit etwas Glück begegnen uns heute all die Tiere, die sich beim Buschwalk am Morgen so erfolgreich vor uns verborgen hatten.

Wasserbüffel grasen, Frauen laufen mit aufgespannten Sonnenschirmen durch die Felder. Mit ihren bunt leuchtenden Kleidern wirken sie wie Blumen inmitten vom Schilf. Hier verlassen sie ohne ihre Schirme nicht das Haus. Ein guter Schutz vor der Strahlung – und später am Nachmittag von dem plötzlich, aber erwartungsgemäß auftauchendem Platzregen, der die ganze Gegend mit einem trüb-grauen Vorhang überzieht.

Ein Reiher schleicht um die Wasserbüffel herum. Ich habe meinen Aufenthaltsort ans Ufer des Flusses verlagert, sitze nun entspannt am Wasser und warte auf die Jeep-Safari.

 

Die Jeep-Safari

Die Safari-Tour fällt ins Wasser – und wir gleich mit. Ja, der erwartungsgemäße, kräftige Regenschauer überzieht am Nachmittag die Landschaft. Nach der unbarmherzigen Hitze des Mittags öffnet sich der Himmel und lässt alles an Wasser herunterprasseln, was so ein Himmel während der Monsunzeit in den Tropen aufzubieten hat.

Der Schauer dauert nicht lange, doch er reicht aus, um uns – in erster Linie diejenigen, die ganz vorne sitzen, zu durchnässen. Über unseren Köpfen ist eine Plane gespannt, doch sie nützt wenig gegen den Regen, der sich schräg einen Zugang zu unseren Klamotten sucht. Ich versuche, uns irgendwie mit meinem schwarzen Regenschirm zu schützen, doch sehr viel bringt das nicht. So schaukeln wir nass und triefend den holprigen Weg entlang mitten in den Chitwan Nationalpark, mitten in den Dschungel.

Die Panzernashörner sehen wir diesmal sofort, gleich am Einfahrtstor zum Nationalpark Chitwan. Dort suhlen sie sich gemütlich in einer großen Wasserlache, tauchten unter in dem kühlen, schlammigen Nass. Es stellt sich jedoch kein Safari-Erfolgserlebnis ein, denn diese Nashörner sind fast immer da. Man kann sie durch den gemauerten Zaun mit den Gitterstäben beobachten. Es ist eine Ausweichmöglichkeit für Guides, für den Fall, dass ihre Schützlinge im Nationalpark keine weiteren Tiere zu sehen bekommen.

Die Panzernashörner sind klein, dunkel – fast richtig schwarz. Und den Beinamen „Panzer…“ haben sie aufgrund der speziellen Form ihrer Haut, die stellenweise Falten wirft und tatsächlich wie ein Panzer aussieht.

Nachdem sich der Himmel auftat und eine Wand aus Wasser auf uns nieder prasseln ließ, fahren wir nun durch die Vegetation. Der Regenschauer ist vorbei. Und der Dschungel, nass und schwer vom Wasser, tropft und dampft und atmet vor sich hin. Die Insekten summen. Die Gräser und der Schilf überragen unserer Jeep um Längen. Als wir immer tiefer eintauchen, fühle ich mich geschrumpft, einfach weil alles plötzlich so riesige Ausmaße annimmt. Und wieder hoffe ich, hinter jeder Hecke, hinter jedem Busch meinen Tiger zu erspähen.

Dutzende Tierspuren, dutzende Fährten führen aus dem Schilf, aus dem Dickicht über die Straße, um dann wieder auf der gegenüber liegenden Seite zu verschwinden. Pflanzen, die meine Oma seit jeher in Blumentöpfen an der Fensterbank kultivierte, nehmen hier ungeahnte Ausmaße an. Oder auch – ihre natürliche Ausmaße, denn das hier ist ihre natürliche Umgebung. Sie wirken riesig.

Unser Guide ist ein alter, erfahrener Tharu-Mann. Jedes Mal, wenn Tiere zu sehen sind, klopft er mit einem Stein, den er in der Hand hält, an das Metallgestell des Jeeps und der Wagen hält. Wir begegnen Antilopen und Rotwild, das versteckt und nass vor Regen zwischen den Bäumen steht. Manchmal klappt es mit dem Klopfen nicht ganz und der Jeep fährt weiter. Dann klopfen wir an die Scheibe der Fahrerkabine, um ein Anhalten einzufordern.

Zumeist sind nur Antilopen zu sehen und bei der Sichtung der ersten Antilope sind wir noch alle sehr aufgeregt. Jeder will ein Foto von dem Tier. Antilopen, wilde Pfaue, kleine, gefleckte Rehe, seltene Vögel. Der Chitwan beherbergt viele vom Aussterben bedrohte Vogelarten.

Wir fahren durch haushohe Schilffelder. Fahren durch den Dschungel, wo Lianen sich vom Himmel hangeln. Hier meint man beinahe, Tarzan hoch oben schreien zu hören. Wir durchqueren Seen und Sumpflandschaften, wo Antilopen durchs schlammige Wasser waten. Und ich hoffe die ganze Zeit auf meinen Königstiger. Doch der Tiger lässt sich nicht blicken.

„Wie viele Tiger leben hier im Nationalpark?“ Fragt ein Mitreisender unseren Guide. „So um die 124 Tiere waren es zuletzt.“ Lautet die Antwort des alten Mannes. Und mich erstaunt deren Genauigkeit, denn anscheinend weiß er um die Anzahl der Tiere bis auf den Tiger genau. Na prima, denke ich missmutig – hundertvierundzwanzig Königstiger, und keiner gibt sich heute die königliche Ehre.

Über zwei Stunden lang kreisen wir durch den Dschungel. Nach dem Regenschauer kühlt die Luft spürbar ab. Der aufkommende frische Wind ist zunächst eine Wohltat, doch schon kurz danach friere ich in der durchnässten Kleidung. Der Jeep ist zwar überdacht, doch der Regen kam schräg zu uns herein. Fast jeder ist nun tropfnass, wie auch der ganze Wald um uns herum.

Als wir zurück zum Homestay fahren, beginne ich zu frösteln.

Ich beobachte die Menschen, die Felder. Riesengroße Reisfelder, Bananenplantagen. Abermals führen Menschen ihre Büffel spazieren. Auch die Frauen in ihren bunten Kleidern und ebenso bunten Sonnenschirmen führen ihre Büffel am Strick spazieren wie Hunde. Wer braucht hier schon einen Haushund, um ihn Gassi zu führen.

Farmer baden ihre Elefanten oder reiten mit ihnen hinaus in die Sümpfe. Irgendwie erscheinen mir diese Anblicke wie das typische Indien, welches in meinem Kopf geistert – wobei ich in realem Leben noch nie in Indien war. Und was ist schon „typisch“. Vielleicht wollen wir nur unsere Klischees bestätigt sehen, indem wir etwas als „typisch“ bezeichnen.

Doch auch die Menschen hier in dieser Gegend sehen anders aus als beispielsweise die Nepalesen in Kathmandu. Sie sind dunkler, ihre Gesichtszüge runder. Die Nähe zur indischen Grenze ist unübersehbar, auch die ethnischen Ähnlichkeiten sind vorhanden.

Doch auch wir, die Touristen, werden interessiert angeschaut, während wir in unserem Jeep die Straße entlang wackeln. Kinder winken, rufen uns hinterher, einige quietschen vergnügt. Und wir genießen den unverdienten VIP-Status. Doch auch die zurückhaltenden Erwachsenen beäugen den Jeep. Die Reisesaison beginnt schon in wenigen Wochen.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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